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Dry land close upHartmut Graßl, Physiker und Meteorologe: Die Ergebnisse der Klimaforschung erlaubten auch 2019 keine Entwarnung. Zwei IPCC-Sonderberichte zu den Landnutzungsänderungen und zu den Eisgebieten haben die bisherigen Abschätzungen bezüglich der anthropogenen Klimaänderungen eher verschärft als gedämpft.Außerdem kommt die Wissenschaft bei der Zuordnung bestimmter Wetterextreme zum anthropogenen Klimawandel recht rasch voran. Dass das aus Sicht eines Wissenschaftlers keine echten Überraschungen sind, ist beruhigend. Denn unsere früheren Einschätzungen wie zum Beispiel die der Deutschen Physikalischen und der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft aus dem Jahr 1987 müssen nur in Nuancen geändert werden. Damit werden die Karten der immer noch existierenden Klimaskeptiker immer schlechter.LandnutzungsänderungenDie Luft über der Landoberfläche, wo wir Menschen leben, hat sich seit 1860 schon um etwas mehr als 1,5 Grad erwärmt, weil die Erhöhung der Temperatur der Ozeanoberfläche um mindestens einige Jahrzehnte nachhinkt.Die heftige öffentliche Debatte um das 1,5-Grad-Ziel hat diese zentrale Feststellung in der Zusammenfassung des IPCC-Sonderberichts zu den Landnutzungsänderungen vom April dieses Jahres kaum aufgegriffen. Wer vom 1,5-Grad-Ziel spricht, sollte also immer bedenken, dass dies für uns Menschen auf der festen Erde eigentlich über zwei Grad Erwärmung bedeutet und dass uns auch bei Einhaltung des zentralen Ziels des Paris-Abkommens mehr als drei Grad Erwärmung gegenüber dem Beginn der Industrialisierung bevorstehen.Laut dem IPCC-Sonderbericht zu Landnutzungsänderungen waren die Ökosysteme in den Jahren 2007 bis 2016 eine größere Netto-Senke für CO2-Emissionen als die Ozeane. Naturnahe Böden und Vegetation reduzieren also zurzeit den Temperaturanstieg kräftig, der sonst noch viel höher ausfallen würde. Die Beständigkeit dieser Senke ist aufgrund des Klimawandels jedoch unsicher.Fortschritte in der AttributionsforschungKlimamodelle können die bisher beobachteten Klimaänderungen immer näher wiedergeben. Wenn Wissenschaftler den durch den Menschen verursachten Treibhauseffekt in den Modellrechnungen abschalten, können sie berechnen, um wie viel wahrscheinlicher ein Ereignis durch den Treibhauseffekt wurde.Mehrere Forschergruppen können dies inzwischen rasch nach dem Ereignis liefern. Das Bulletin of the American Meteorological Society listet für das Jahr 2018 begutachtete Veröffentlichungen zu 21 Extremwetter-Ereignissen auf, für die untersucht wurde, ob der anthropogene Klimaeinfluss zu finden ist und wie stark er war.Demnach war sicherlich die sommerliche Hitze 2018 in großen Teilen Europas, speziell in Skandinavien und Spanien, vom erhöhten Treibhauseffekt mitverursacht. Dieser Fortschritt in der Extremwertbeurteilung wird in naher Zukunft helfen, die Kompensation von Verlusten und Schäden wie im Paris-Abkommen vorgesehen in die Tat umzusetzen.Auch die vorübergehende Abkühlung von 1950 bis 1980 war überwiegend anthropogenBisher war es allgemein akzeptiert, dass die beobachteten längerfristigen Schwankungen der mittleren globalen Lufttemperatur in Erdbodennähe (in zwei Metern Höhe) Folge sowohl der internen längerfristigen Schwankungen des Klimasystems als auch der veränderten Zusammensetzung der Atmosphäre sind.Jetzt berichten Wissenschaftler um den Meteorologen Karsten Haustein, dass auch die frühe Erwärmung im 20. Jahrhundert von 1910 bis 1940 und die Stagnation oder geringe Abkühlung von 1950 bis 1980 hochwahrscheinlich anthropogen sind. Für Schwankungen, die über 30 Jahre dauern, finden sie keinen wesentlichen Einfluss solcher langfristigen Schwankungen der Ozeanoberflächentemperaturen.Die Gründe für diesen neuen Befund sind die starken räumlichen und zeitlichen Schwankungen luftverschmutzender Partikel, systematische Fehler in den früheren Daten der Oberflächentemperatur des Ozeans sowie teilweise unangemessene Wirkung der Störungen auf den Strahlungshaushalt der Erde. Weil jetzt die Luftverschmutzung weltweit eher rückläufig ist, sind bei weiteren Treibhausgasemissionen höhere Temperaturen noch stärker vorprogrammiert.Der Preis regelt mehr, als die Regierung dachteDie Wirkung eines Preises für die Nutzung des Gemeingutes Atmosphäre hat sich in vielen Mitgliedsländern der EU und anderen Ländern herumgesprochen, denn sonst würden zum Beispiel die Schweizer nicht 82 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 zahlen müssen, wobei ein Großteil an die Bürger zurückgegeben wird, sodass der wenig Emittierende einen Vorteil hat.In Deutschland ist die Wirkung eines CO2-Preises dieses Jahr sehr offensichtlich geworden. Weil der Preis im EU-Emissionshandel auf über 20 Euro pro Tonne kletterte, ist im Vergleich zu den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahrs eine größere Anzahl von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerksblöcken abgeschaltet und eingemottet worden (wir Steuerbürger zahlen für die Bereithaltung für Notfälle), weil sie schlicht unrentabel waren.Damit sind die Emissionen um etwa 40 Millionen Tonnen gesunken, in Prozent waren es minus 18 bei Steinkohle und minus 22 bei Braunkohle. Die erneuerbaren Energien haben um vier Prozent zugelegt, aber auch der gesamte Primärenergieeinsatz ist um 2,3 Prozent zurückgegangen. Der Kohleausstieg hat also relativ rasch ohne Dazutun der Bundesregierung begonnen.Glücklicherweise haben die Bundesländer mit dem Sprung im Einstiegspreis von zehn auf 25 Euro pro Tonne CO2 aus dem Klimapäckchen der Bundesregierung ein vielleicht ausreichend großes Paket gemacht. Ab 2021 werden wir es sehen.Foto: Martin Vorel/Libreshot
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DSC01318Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft, Chefin des Energie- und Umweltbereichs am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: Das Jahr 2019 war ein Jahr der massiven Widersprüche in puncto Klimaschutz.Fridays for Future und seine Partnerbewegungen werden immer größer, globaler und erfolgreicher, Greta Thunberg wird Person des Jahres und treibt die Politik vor sich her, sodass ein Klimapaket und der Green Deal auf den Weg gebracht werden.Gleichzeitig geht Saudi Aramco an die Börse und sammelt knapp zwei Billionen Euro ein, werden mehr SUVs als jemals zuvor verkauft und eine Million Euro für gestrandete Flugurlauber verpulvert.Besonders sichtbar sind die Widersprüche in der Automobilindustrie. Einerseits werden Millionen besonders emissionsintensive und gesundheitsschädliche SUVs verkauft, aber gleichzeitig wird die Einführung eines Elektrosportwagens mit einem Riesenbohei gefeiert, als wäre das die Antwort auf alle Fragen.Überraschend positiv ist trotz allem die Klimaschutzpolitik, vor allem der Green Deal der EU, der sehr umfassend die Schritte für Emissionsminderungen in den nächsten Jahrzehnten vorzeichnet.Besonders wichtig ist die Ankündigung der Europäischen Investitionsbank, in keine fossilen Energieprojekte mehr zu investieren, auch nicht in fossiles Erdgas. Wir stehen am Beginn eines unumkehrbaren disruptiven Wandels für mehr Klimaschutz. Und das haben wir der Fridays-for-Future-Bewegung zu verdanken. Das ist die wahre Überraschung des Jahres.Foto (Demo zur Automesse IAA in Frankfurt am Main, September 2019): Friederike Meier
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DSC01467Andreas Knie, Sozialwissenschaftler und Mobilitätsforscher: Im Sektor Verkehr gibt es vordergründig keine Überraschungen. Jedenfalls keine positiven. Der CO2-Ausstoß konnte nicht gesenkt werden, die Schadstoffwerte bleiben in den Städten hoch, die Zulassungszahlen der Kraftfahrzeuge steigen weiter an. Selbst die Zahl der batterieelektrischen Autos bleibt sehr überschaubar.Die Verkehrselemente des Klimapakets sind trotz Nachverhandlung ebenfalls grausam. Wer sich ein größeres Auto anschafft, viel fährt und ein hohes Einkommen hat, bekommt für sein wenig umweltfreundliches Verhalten sogar noch Geld dazu.Gut, die Bahn wird bald etwas günstiger, das Fliegen ein ganz kleines bisschen teurer. Doch die krasse Preisdifferenz bleibt: Berlin–München mit dem Flieger für unter 50 Euro, mit der Bahn für 150 Euro.Aber ganz klammheimlich tut sich was. Sicherlich waren es die Demonstrationen der Jugendlichen, das wohlkalkulierte und kluge Auftreten von Extinction Rebellion oder auch die pressewirksamen Proteste anlässlich der Internationalen Automobil-Ausstellung. Plötzlich werden Alternativen wie neue Antriebe kontrovers – aber eben ernsthaft – diskutiert.Der Flugverkehr in Deutschland beginnt – kaum zu glauben – im zweiten Halbjahr zu sinken und die Menschen probieren das Bahnfahren. Das klappt zwar noch nicht wirklich, aber es tut sich was in den Köpfen, die Debatten um das Ringen nach Alternativen sind im Alltag angekommen. Wenn Historiker später einmal das Jahr suchen, in dem die Verkehrswende wirklich losging, das Jahre 2019 könnte dieses Jahr gewesen sein.Foto (Klimaprotest in Berlin, Oktober 2019): Friederike Meier
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polar 3648375 1920Gero Lücking, Geschäftsführer beim Ökoenergie-Unternehmen Lichtblick: Es ergibt sich in diesem Jahr eine – wie ich finde – interessante Sammlung an Überraschungen. Es gibt viele positive Überraschungen und eine, leider traurige, Erkenntnis.Beginnen wir mit der traurigen Erkenntnis – oder sagen wir Gewissheit: Die Klimaerwärmung wird immer sichtbarer und schreitet schneller voran als bisher gedacht. Eine böse Überraschung.In der Arktis weicht der Permafrostboden derzeit mit einer Geschwindigkeit auf, wie es die Klima-Experten erst für das Jahr 2090 erwartet hatten. Die Abschmelzraten der Gletscher, die in der Arktis und Antarktis ins Meer münden, sind zehn- bis hundertmal höher als erwartet. Die Erwärmung der Weltmeere beschleunigt sich – deutlich stärker als bisher bekannt. Fazit: Der Klimawandel ist in vollem Gange. Er wird massiv unterschätzt.Jetzt zu den positiven Überraschungen in diesem Jahr. Die größte war vielleicht die Entscheidung von Tesla, in Brandenburg eine Gigafactory für Elektroautos errichten zu wollen. Bis zu 7.000 Arbeitsplätze sollen entstehen und der deutschen Autoindustrie zeigen, wie die Zukunft des Automobils geht.Überzeugt wurde Tesla-Chef Elon Musk offenbar auch mit dem hohen Anteil grünen Stroms, der in Brandenburg erzeugt wird. Es ist völlig klar, dass man mit der Braunkohleverstromung in Brandenburg Visionäre wie Musk nicht hätte gewinnen können. Die umweltfreundliche Stromerzeugung wird zum entscheidenden Vorteil im europäischen Standortwettbewerb.Dass sich Tesla diesen Vorteil in seiner unternehmenseigenen Klimabilanz aber nicht wird anrechnen können, ist ein anderes Thema, das uns jetzt sehr ins energiewirtschaftliche Klein-Klein des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abdriften ließe. Die Tesla-Leute werden nur dann mit null Gramm CO2 produzieren können, wenn sie unabhängig von der EEG-Erzeugung in Brandenburg entweder ihre eigenen Solarmodule und Windräder errichten oder aber selbst aktiv Ökostrom einkaufen.Auf die vorhandenen Erneuerbaren-Anlagen in Brandenburg wird Tesla nicht zurückgreifen können – das verbietet heute das EEG. Aber die Details sind nicht so leicht nachvollziehbar und wir wollen diese großartige Überraschung für Brandenburg nicht klein- oder schlechtreden.Auch der Green New Deal der Europäischen Union zählt in jedem Fall zu den positiven Überraschungen des Jahres 2019. Europa soll als erster Kontinent auf der Erde klimaneutral werden. Das ist visionär und mutig, aber natürlich auch alternativlos aufgrund der erwähnten Klimaentwicklungen. Ich bin davon überzeugt, dass der Green New Deal riesige Chancen für Innovation, wirtschaftlichen Erfolg, Arbeitsplätze und die Sicherung des Wohlstands in Europa und der Welt bringen wird.Welchen Anteil Greta Thunberg daran hat, sei mal dahingestellt. Auch sie gehört als Person und mit dem, was sie weltweit alles ausgelöst und erreicht hat, zu den absolut positiven Überraschungen des Jahres 2019.Eine weitere positive Überraschung des Jahres ist das Hamburger Klimaschutzgesetz. Es ist viel besser als das, was der Bund auf die Beine gestellt hat. Viel Gutes also im Jahr 2019 – im Großen wie im Kleinen!Foto (Permafrost auf Spitzbergen): Florence Dambricourt/Pixabay
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sunset 1786475 1920Tim Meyer, Vorstand von Naturstrom: Eine Entwicklung hat mich im Laufe des Jahres 2019 immer wieder neu überrascht: die immer stärkere Polarisierung in der Energie- und Klimapolitik. Im Großen wie im Kleinen scheinen einige gesellschaftliche und politische Gruppen schon in gegenseitiger Verständnislosigkeit angekommen zu sein – und teilweise in der Welt des Postfaktischen.Die große positive Überraschung war natürlich die Durchschlagskraft und Lautstärke, die die gesellschaftliche Bewegung rund um Fridays for Future entwickelt hat. Das war und ist unglaublich wichtig. Gefühlt gab es keinen Tag, an dem nicht mindestens auf der Titelseite einer überregionalen Zeitung über Energie- und Klimafragen berichtet wurde.Kulminiert ist das dann am 20. September: fröhliche, optimistische und zukunftsgewandte Menschen beim Klimastreik, die den riesigen Herausforderungen des Klimaschutzes offensiv begegnen. Diese Bewegung hat die Notwendigkeit klarer gesellschaftlicher Diskussion und Aktion eindrucksvoll unterstrichen und mit einer durchaus radikalen, aber eben auf die wissenschaftlichen Fakten gestützten Benennung der Notwendigkeiten erste Fortschritte in der Sache gebracht.Dabei sind bereits neue Allianzen auch über tradierte Gräben hinweg entstanden. Nicht mehr nur die klassische grüne Wirtschaft steht für die Energiewende. Heute treten auch Unternehmen und Verbände für konsequentere Klimapolitik ein, denen man das noch vor wenigen Jahren kaum zugetraut hätte.Dass eine solche Bewegung Gegenreaktionen auslöst, ist selbstverständlich. Die große negative Überraschung war für mich dabei aber, erkennen zu müssen, welche Macht und welchen Einfluss die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beharrungskräfte in Deutschland noch haben, auch jenseits aller logischen und faktengestützten Argumentation.Wie kann es angesichts der drückenden Erkenntnisse und des bereits sichtbar einsetzenden Klimawandels sein, dass in Deutschland die Windenergie und damit die Windindustrie in eine tiefe Krise gestürzt werden? Nicht nur, dass kaum ein Handeln zur Vereinfachung von Genehmigungsprozessen und zur Stärkung der Akzeptanz in der Bevölkerung zu erkennen ist: Nun sollen mit haarsträubenden Abstandsregeln auch noch die letzten Flächen für Windräder wegreguliert werden.Die Polarisierung zwischen Windkraftbefürwortern und -gegnern erklärt dies aber nicht alleine. Hier werden rücksichtslos handfeste industriepolitische Interessen durchgesetzt, denen importiertes Erdgas oder LNG und Offshore‑Windkraft im Multi-Milliarden-Maßstab näher sind als Windenergie an Land.Das Klimapäckchen der Bundesregierung spricht auch als Ganzes eine ähnliche Sprache: Vom notwendigen Ziel her gedacht, dass Deutschland spätestens im Jahr 2050 klimaneutral sein muss, sind die enthaltenen Maßnahmen absolut unzureichend. Symbolhaft stand dafür ein völlig unwirksamer CO2-Preis von zehn Euro pro Tonne ab 2021. Nach einer sichtbar aufreibenden Verhandlungsnacht sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu, dass die ausgehandelten Punkte eben nur ein Kompromiss seien. Es gibt also mehrheitsfähige Positionen in den Regierungsparteien, die mehr Klimaschutz für überflüssig halten. All die Sachargumente und Lösungsvorschläge erreichen diese Leute offenbar gar nicht mehr.Noch intensiver als die öffentliche Debatte ist dabei der Lobbyismus hinter verschlossenen Türen. So wird ganz große Politik auf Kosten der Zukunft gemacht. Dass der CO2-Preis über den Druck des Bundesrates noch auf 25 Euro pro Tonne angehoben wurde, ist gut, ändert aber an der Diagnose nichts.Mit Blick auf das neue Jahr möchte ich mich aber nochmal der positiven Seite der Debatte zuwenden. Auch wenn die jetzige Bundesregierung mit ihrer verzagten Mutlosigkeit die existierende große Veränderungsbereitschaft in der Gesellschaft unter einem grauen Schleier zu erdrücken droht: Auf allen Ebenen darunter sind viel Bewegung, Gestaltungswille und Handeln erkennbar.Städte, Kommunen und einzelne Bundesländer schreiten einfach voran, führen Solarpflichten ein oder setzen Pilot- und Förderprogramme für Energiewendemaßnahmen auf. Die Bereitschaft vieler Menschen, auch private Lebensgewohnheiten infrage zu stellen, hinterlässt auch schon erkennbare Spuren in den Angeboten von Geschäften und Supermärkten. Dieser Weg ist unumkehrbar, daran können auch die alten Kräfte nichts mehr ändern.Ja, das geht alles viel zu langsam und zu viel Energie geht in Scheindebatten verloren – wie die Aufregung um Greta Thunbergs Bahnfahrt zuletzt wieder eindrücklich demonstriert hat. Deshalb wünsche ich mir für 2020 zwei Dinge. Zum Ersten brauchen wir wieder mehr Logik und Vernunft in der Debatte, gern gepaart mit dem vorhandenen Enthusiasmus der Klimaschutzbewegungen.Und zum Zweiten müssen wir es schaffen, neben die Klimaschutz-Debatten eine breite gesellschaftspolitische Debatte zu stellen. Denn ohne mehr Teilhabe und Gerechtigkeit in vielen Lebensbereichen werden wir zu viele Menschen nicht für die notwendigen großen Veränderungen gewinnen können, die echter Klimaschutz mit sich bringt. Die Aufgabe ist riesig, aber lösbar – lasst sie uns mit Mut und klarem Kopf angehen.Foto: Myriam Zilles/Pixabay
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Fridays for Future-Demo in München im Oktober 2019Jens Mühlhaus, Vorstand beim Münchner Ökostrom-Anbieter Green City: Die Überraschung des Jahres ist sicherlich die Wucht der neuen jungen Klimaschutzbewegung – und neuerdings auch deren Wirkung.Nach Köln, Kiel und Berlin hat kurz vor Weihnachten auch meine Heimatstadt München endlich den Klimanotstand ausgerufen. Neben diesem eher symbolischen Akt hat sich der Stadtrat sogar dazu durchgerungen, dass unsere Isarmetropole nicht bis 2050, sondern bis 2035 klimaneutral werden soll.
Ein Schelm, wer mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen hinter diesen sehr ehrgeizigen Entscheidungen nur politischen Opportunismus erkennen will. Fakt ist, München benötigt diese politische Kehrtwende dringend.Trotzdem lohnt sich der Blick: Woher stammt dieses ambitionierte Ziel, das die Stadt zum Umdenken zwingen wird? Glauben auf einmal die Stadträte doch den Warnungen der Wissenschaft? Haben sie erkannt, dass den Metropolen dieses Planeten eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel zukommt?Oder sind es vielleicht doch die vielen Schülerinnen und Schüler, die freitags seit einem Jahr immer wieder in München auf die Straße gehen? Die es geschafft haben, Zehntausende zu motivieren, auf den Münchner Königsplatz zu pilgern, um gemeinsam mit ihnen ein Zeichen zu setzen – unangefochten trotz eines unzureichenden Klimapakets und einer schlafenden Bundesregierung?Fridays for Future hat sich in München Gehör verschafft und so ist es sicherlich kein Zufall, dass die Jahreszahl 2035 für die Null der CO2-Emissionen auch im Forderungskatalog der Klimajugend zu finden ist. Die Politiker wären also gut beraten, auch bei den umzusetzenden Maßnahmen, sich diese Liste noch einmal genau anzuschauen. Da ist sicherlich die eine oder andere gute Idee zu finden, die für die nächste klimafreundliche Überraschung auch im kommenden Jahr sorgen wird.Ob es nun den Wissenschaftlern, Fridays for Future oder doch den Stadträten zu verdanken ist – es ist ein gutes Gefühl: München bewegt sich und wir bewegen uns mit. Der Stein ist endlich ins Rollen gekommen – zwar erst auf kommunaler Ebene, aber wahrscheinlich ist das sogar die wichtigste politische Ebene für klimawirksame Beschlüsse.Foto (Fridays-for-Future-Demo in München, Oktober 2019): Martin von Creytz/Flickr -
AfD-Wahlplakat: "EEG-Wahnsinn beenden! Strom darf kein Luxus sein!"Michael Müller, SPD-Vordenker und Vorsitzender der Naturfreunde: Die Überraschung des Jahres ist, dass die AfD offen die Blut-und-Boden-Ideologie aufgreift, die bis zum Reichsnaturschutzgesetz von 1935 eine legitimatorische Rolle für den Nationalsozialismus einnahm. Die braunen Gespenster kehren zurück.Die AfD ist der politische Sympathisant verbohrter Klimaleugner, versteht sich als deren parlamentarischer Arm. Als selbst ernannter Gegner des Establishments ist ihr gerade recht, dass die große Mehrheit der Wissenschaftler vor dem anthropogenen Klimawandel warnt. Die neue Rechte sieht sich nicht nur als Ort des neuen Nationalismus, sondern auch als Sammlungsbewegung der Enttäuschten, Lautsprecher und Besserwisser.Umweltschützer sind für die AfD "Emanzipationsideologen". Sie dagegen schaue dem Volk aufs Maul, sei gegen den "milliardenschweren Unsinn" von Windkraft, Energiewende und Umbau der Mobilität.Ökologie war bisher kein Hauptthema der Partei. Das hat sich 2019 geändert. AfD-Chef Alexander Gauland erklärte neben Eurokritik und Zuwanderung den Naturschutz zum dritten Schwerpunkt. Rechtsaußen Björn Höcke assistierte: "Das wahre Grün ist blau."Neu belebt wird die falsche Spaltung zwischen Umweltschutz und Naturschutz. Umweltschutz sei global, Naturschutz dagegen regional und national: Naturschutz sei Volksschutz und Volksschutz sei Naturschutz. Von daher, so die krude Behauptung, zerstöre Zuwanderung die Natur.Das völkische Rad wird weitergedreht. Gauland bezieht sich auf Friedrich Georg Jünger, Ludwig Klages und Martin Heidegger, die aus innerer Überzeugung die "konservative Revolution" für ein elitäres Drittes Reich wollten, die Demokratie ablehnten und ein autoritäres Führerprinzip unterstützten. Hoffentlich war 2019 nicht ein Jahr schrecklicher Weichenstellung.Foto: Markus Spiske/Flickr
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Zwei Monteure bei der Montage einer Windrad-GondelMatthias Willenbacher, Geschäftsführer der nachhaltigen Investing-Plattform Wiwin: Der Politik fallen immer neue absurde Möglichkeiten ein, die Energiewende in Deutschland zu blockieren und trotzdem nicht als Buhmann im Klimaschutz dazustehen.So auch im Jahr 2019, wo die CDU – ergänzend zum Todesurteil für den Windkraftausbau durch die neue Abstandsregelung – mit der Idee um die Ecke kam, Wind- und Solarstrom in Afrika produzieren zu lassen, dort in Wasserstoff umzuwandeln und dann per Pipeline nach Deutschland zu importieren.
Statt also selbst vom starken Wirtschaftszweig der erneuerbaren Energien zu profitieren, will die CDU ganz Deutschland zu einem Nimby-Land machen, indem wir zwar Ökoenergie nutzen, sie aber nicht vor Ort erzeugen – nach dem Motto: Not in my backyard.Ähnlich der Solarbranche würde so auch die Windindustrie noch weiter zerstört werden. Und ebenso fatal: Wir würden uns und unsere Energieversorgung wieder stärker vom Ausland abhängig machen – die Energiewende hatte uns doch gerade erst den positiven Effekt der größeren Unabhängigkeit von den Öl- und Gasstaaten gebracht.In der Regel geht es hier um Länder mit einer hohen Inflation und einem hohen Zinsniveau, wodurch der Strom und erst recht der Wasserstoff noch nicht mal günstiger sind. Der Transport und die enormen Verluste dabei machen die Energie zusätzlich teuer.Ein weiterer Teil der Energie ginge in Form von Wärme bei der Elektrolyse im Ausland verloren. Die Liste der Argumente gegen den Ökostrom-Kauf in Afrika ließe sich immer weiter fortsetzen – von der Zeitintensität der Verhandlungen mit anderen Staaten über die Abhängigkeit von Großkonzernen bis hin zum Verlust der Vorreiterrolle Deutschlands in der Energiewende.
Der Gegenvorschlag: Wir produzieren mehr Ökostrom in Deutschland, speichern die Überschüsse in Form von Wasserstoff und nehmen auch die Rückverstromung in Deutschland vor. So können wir die bei der Elektrolyse entstehende Wärme vor Ort nutzen, wir sind unabhängig, brauchen keine neuen Pipelines, kurbeln unsere Wirtschaft an und erzeugen und nutzen Energie auf die effizienteste und klimafreundlichste Weise.
Die Energiewende in Deutschland ist einfach umzusetzen: Wenn wir im Schnitt in jeder der rund 11.000 Gemeinden drei Windräder bauen und die bestehenden Windenergieanlagen repowern, können wir etwa 25 bis 30 Prozent mehr Strom erzeugen, als wir heute benötigen. 33.000 moderne Anlagen mit einer Nabenhöhe von 160 bis 170 Metern und einem ebenso großen Rotordurchmesser würden jeweils im Schnitt 20 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen – in Summe also rund 660 Milliarden Kilowattstunden.
Kombinieren sollten wir das mit modernen Photovoltaik-Anlagen. Um auch den Verkehrs- und Wärmesektor erneuerbar versorgen zu können, bedarf es weiterer 600 bis 700 Milliarden Kilowattstunden Strom. Der kann mit einer Solarmodulfläche von rund 3.500 Quadratkilometern produziert werden. Hört sich viel an, ist es aber tatsächlich gar nicht. Das ist lediglich ein Prozent der Fläche Deutschlands. Zum Vergleich: 14 Prozent sind Siedlungs- und Verkehrsflächen, davon ist die Hälfte versiegelt. Das heißt, nur auf einem Bruchteil der versiegelten Fläche müssten Photovoltaikanlagen gebaut werden.
So ließe sich das Potenzial von Wind- und Solarenergie voll ausschöpfen und unter anderem mithilfe von Elektroautos, Wärmespeichern, Wärmepumpen und Blockheizkraftwerken auch der Verkehrs- und Wärmebereich einbeziehen. So sind eine CO2-freie Zukunft und die Klimawende einfach und kostengünstig möglich.Foto (Montage einer Windrad-Gondel): Tim Riediger/BWE
Hartmut Graßl, Physiker und Meteorologe: Die Ergebnisse der Klimaforschung erlaubten auch 2019 keine Entwarnung. Zwei IPCC-Sonderberichte zu den Landnutzungsänderungen und zu den Eisgebieten haben die bisherigen Abschätzungen bezüglich der anthropogenen Klimaänderungen eher verschärft als gedämpft.
Außerdem kommt die Wissenschaft bei der Zuordnung bestimmter Wetterextreme zum anthropogenen Klimawandel recht rasch voran. Dass das aus Sicht eines Wissenschaftlers keine echten Überraschungen sind, ist beruhigend. Denn unsere früheren Einschätzungen wie zum Beispiel die der Deutschen Physikalischen und der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft aus dem Jahr 1987 müssen nur in Nuancen geändert werden. Damit werden die Karten der immer noch existierenden Klimaskeptiker immer schlechter.
Landnutzungsänderungen
Die Luft über der Landoberfläche, wo wir Menschen leben, hat sich seit 1860 schon um etwas mehr als 1,5 Grad erwärmt, weil die Erhöhung der Temperatur der Ozeanoberfläche um mindestens einige Jahrzehnte nachhinkt.
Die heftige öffentliche Debatte um das 1,5-Grad-Ziel hat diese zentrale Feststellung in der Zusammenfassung des IPCC-Sonderberichts zu den Landnutzungsänderungen vom April dieses Jahres kaum aufgegriffen. Wer vom 1,5-Grad-Ziel spricht, sollte also immer bedenken, dass dies für uns Menschen auf der festen Erde eigentlich über zwei Grad Erwärmung bedeutet und dass uns auch bei Einhaltung des zentralen Ziels des Paris-Abkommens mehr als drei Grad Erwärmung gegenüber dem Beginn der Industrialisierung bevorstehen.
Laut dem IPCC-Sonderbericht zu Landnutzungsänderungen waren die Ökosysteme in den Jahren 2007 bis 2016 eine größere Netto-Senke für CO2-Emissionen als die Ozeane. Naturnahe Böden und Vegetation reduzieren also zurzeit den Temperaturanstieg kräftig, der sonst noch viel höher ausfallen würde. Die Beständigkeit dieser Senke ist aufgrund des Klimawandels jedoch unsicher.
Fortschritte in der Attributionsforschung
Klimamodelle können die bisher beobachteten Klimaänderungen immer näher wiedergeben. Wenn Wissenschaftler den durch den Menschen verursachten Treibhauseffekt in den Modellrechnungen abschalten, können sie berechnen, um wie viel wahrscheinlicher ein Ereignis durch den Treibhauseffekt wurde.
Mehrere Forschergruppen können dies inzwischen rasch nach dem Ereignis liefern. Das Bulletin of the American Meteorological Society listet für das Jahr 2018 begutachtete Veröffentlichungen zu 21 Extremwetter-Ereignissen auf, für die untersucht wurde, ob der anthropogene Klimaeinfluss zu finden ist und wie stark er war.
Demnach war sicherlich die sommerliche Hitze 2018 in großen Teilen Europas, speziell in Skandinavien und Spanien, vom erhöhten Treibhauseffekt mitverursacht. Dieser Fortschritt in der Extremwertbeurteilung wird in naher Zukunft helfen, die Kompensation von Verlusten und Schäden wie im Paris-Abkommen vorgesehen in die Tat umzusetzen.
Auch die vorübergehende Abkühlung von 1950 bis 1980 war überwiegend anthropogen
Bisher war es allgemein akzeptiert, dass die beobachteten längerfristigen Schwankungen der mittleren globalen Lufttemperatur in Erdbodennähe (in zwei Metern Höhe) Folge sowohl der internen längerfristigen Schwankungen des Klimasystems als auch der veränderten Zusammensetzung der Atmosphäre sind.
Jetzt berichten Wissenschaftler um den Meteorologen Karsten Haustein, dass auch die frühe Erwärmung im 20. Jahrhundert von 1910 bis 1940 und die Stagnation oder geringe Abkühlung von 1950 bis 1980 hochwahrscheinlich anthropogen sind. Für Schwankungen, die über 30 Jahre dauern, finden sie keinen wesentlichen Einfluss solcher langfristigen Schwankungen der Ozeanoberflächentemperaturen.
Die Gründe für diesen neuen Befund sind die starken räumlichen und zeitlichen Schwankungen luftverschmutzender Partikel, systematische Fehler in den früheren Daten der Oberflächentemperatur des Ozeans sowie teilweise unangemessene Wirkung der Störungen auf den Strahlungshaushalt der Erde. Weil jetzt die Luftverschmutzung weltweit eher rückläufig ist, sind bei weiteren Treibhausgasemissionen höhere Temperaturen noch stärker vorprogrammiert.
Der Preis regelt mehr, als die Regierung dachte
Die Wirkung eines Preises für die Nutzung des Gemeingutes Atmosphäre hat sich in vielen Mitgliedsländern der EU und anderen Ländern herumgesprochen, denn sonst würden zum Beispiel die Schweizer nicht 82 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 zahlen müssen, wobei ein Großteil an die Bürger zurückgegeben wird, sodass der wenig Emittierende einen Vorteil hat.
In Deutschland ist die Wirkung eines CO2-Preises dieses Jahr sehr offensichtlich geworden. Weil der Preis im EU-Emissionshandel auf über 20 Euro pro Tonne kletterte, ist im Vergleich zu den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahrs eine größere Anzahl von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerksblöcken abgeschaltet und eingemottet worden (wir Steuerbürger zahlen für die Bereithaltung für Notfälle), weil sie schlicht unrentabel waren.
Damit sind die Emissionen um etwa 40 Millionen Tonnen gesunken, in Prozent waren es minus 18 bei Steinkohle und minus 22 bei Braunkohle. Die erneuerbaren Energien haben um vier Prozent zugelegt, aber auch der gesamte Primärenergieeinsatz ist um 2,3 Prozent zurückgegangen. Der Kohleausstieg hat also relativ rasch ohne Dazutun der Bundesregierung begonnen.
Glücklicherweise haben die Bundesländer mit dem Sprung im Einstiegspreis von zehn auf 25 Euro pro Tonne CO2 aus dem Klimapäckchen der Bundesregierung ein vielleicht ausreichend großes Paket gemacht. Ab 2021 werden wir es sehen.
Foto: Martin Vorel/Libreshot
Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft, Chefin des Energie- und Umweltbereichs am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: Das Jahr 2019 war ein Jahr der massiven Widersprüche in puncto Klimaschutz.
Fridays for Future und seine Partnerbewegungen werden immer größer, globaler und erfolgreicher, Greta Thunberg wird Person des Jahres und treibt die Politik vor sich her, sodass ein Klimapaket und der Green Deal auf den Weg gebracht werden.
Gleichzeitig geht Saudi Aramco an die Börse und sammelt knapp zwei Billionen Euro ein, werden mehr SUVs als jemals zuvor verkauft und eine Million Euro für gestrandete Flugurlauber verpulvert.
Besonders sichtbar sind die Widersprüche in der Automobilindustrie. Einerseits werden Millionen besonders emissionsintensive und gesundheitsschädliche SUVs verkauft, aber gleichzeitig wird die Einführung eines Elektrosportwagens mit einem Riesenbohei gefeiert, als wäre das die Antwort auf alle Fragen.
Überraschend positiv ist trotz allem die Klimaschutzpolitik, vor allem der Green Deal der EU, der sehr umfassend die Schritte für Emissionsminderungen in den nächsten Jahrzehnten vorzeichnet.
Besonders wichtig ist die Ankündigung der Europäischen Investitionsbank, in keine fossilen Energieprojekte mehr zu investieren, auch nicht in fossiles Erdgas. Wir stehen am Beginn eines unumkehrbaren disruptiven Wandels für mehr Klimaschutz. Und das haben wir der Fridays-for-Future-Bewegung zu verdanken. Das ist die wahre Überraschung des Jahres.
Foto (Demo zur Automesse IAA in Frankfurt am Main, September 2019): Friederike Meier
Andreas Knie, Sozialwissenschaftler und Mobilitätsforscher: Im Sektor Verkehr gibt es vordergründig keine Überraschungen. Jedenfalls keine positiven. Der CO2-Ausstoß konnte nicht gesenkt werden, die Schadstoffwerte bleiben in den Städten hoch, die Zulassungszahlen der Kraftfahrzeuge steigen weiter an. Selbst die Zahl der batterieelektrischen Autos bleibt sehr überschaubar.
Die Verkehrselemente des Klimapakets sind trotz Nachverhandlung ebenfalls grausam. Wer sich ein größeres Auto anschafft, viel fährt und ein hohes Einkommen hat, bekommt für sein wenig umweltfreundliches Verhalten sogar noch Geld dazu.
Gut, die Bahn wird bald etwas günstiger, das Fliegen ein ganz kleines bisschen teurer. Doch die krasse Preisdifferenz bleibt: Berlin–München mit dem Flieger für unter 50 Euro, mit der Bahn für 150 Euro.
Aber ganz klammheimlich tut sich was. Sicherlich waren es die Demonstrationen der Jugendlichen, das wohlkalkulierte und kluge Auftreten von Extinction Rebellion oder auch die pressewirksamen Proteste anlässlich der Internationalen Automobil-Ausstellung. Plötzlich werden Alternativen wie neue Antriebe kontrovers – aber eben ernsthaft – diskutiert.
Der Flugverkehr in Deutschland beginnt – kaum zu glauben – im zweiten Halbjahr zu sinken und die Menschen probieren das Bahnfahren. Das klappt zwar noch nicht wirklich, aber es tut sich was in den Köpfen, die Debatten um das Ringen nach Alternativen sind im Alltag angekommen. Wenn Historiker später einmal das Jahr suchen, in dem die Verkehrswende wirklich losging, das Jahre 2019 könnte dieses Jahr gewesen sein.
Foto (Klimaprotest in Berlin, Oktober 2019): Friederike Meier
Gero Lücking, Geschäftsführer beim Ökoenergie-Unternehmen Lichtblick: Es ergibt sich in diesem Jahr eine – wie ich finde – interessante Sammlung an Überraschungen. Es gibt viele positive Überraschungen und eine, leider traurige, Erkenntnis.
Beginnen wir mit der traurigen Erkenntnis – oder sagen wir Gewissheit: Die Klimaerwärmung wird immer sichtbarer und schreitet schneller voran als bisher gedacht. Eine böse Überraschung.
In der Arktis weicht der Permafrostboden derzeit mit einer Geschwindigkeit auf, wie es die Klima-Experten erst für das Jahr 2090 erwartet hatten. Die Abschmelzraten der Gletscher, die in der Arktis und Antarktis ins Meer münden, sind zehn- bis hundertmal höher als erwartet. Die Erwärmung der Weltmeere beschleunigt sich – deutlich stärker als bisher bekannt. Fazit: Der Klimawandel ist in vollem Gange. Er wird massiv unterschätzt.
Jetzt zu den positiven Überraschungen in diesem Jahr. Die größte war vielleicht die Entscheidung von Tesla, in Brandenburg eine Gigafactory für Elektroautos errichten zu wollen. Bis zu 7.000 Arbeitsplätze sollen entstehen und der deutschen Autoindustrie zeigen, wie die Zukunft des Automobils geht.
Überzeugt wurde Tesla-Chef Elon Musk offenbar auch mit dem hohen Anteil grünen Stroms, der in Brandenburg erzeugt wird. Es ist völlig klar, dass man mit der Braunkohleverstromung in Brandenburg Visionäre wie Musk nicht hätte gewinnen können. Die umweltfreundliche Stromerzeugung wird zum entscheidenden Vorteil im europäischen Standortwettbewerb.
Dass sich Tesla diesen Vorteil in seiner unternehmenseigenen Klimabilanz aber nicht wird anrechnen können, ist ein anderes Thema, das uns jetzt sehr ins energiewirtschaftliche Klein-Klein des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abdriften ließe. Die Tesla-Leute werden nur dann mit null Gramm CO2 produzieren können, wenn sie unabhängig von der EEG-Erzeugung in Brandenburg entweder ihre eigenen Solarmodule und Windräder errichten oder aber selbst aktiv Ökostrom einkaufen.
Auf die vorhandenen Erneuerbaren-Anlagen in Brandenburg wird Tesla nicht zurückgreifen können – das verbietet heute das EEG. Aber die Details sind nicht so leicht nachvollziehbar und wir wollen diese großartige Überraschung für Brandenburg nicht klein- oder schlechtreden.
Auch der Green New Deal der Europäischen Union zählt in jedem Fall zu den positiven Überraschungen des Jahres 2019. Europa soll als erster Kontinent auf der Erde klimaneutral werden. Das ist visionär und mutig, aber natürlich auch alternativlos aufgrund der erwähnten Klimaentwicklungen. Ich bin davon überzeugt, dass der Green New Deal riesige Chancen für Innovation, wirtschaftlichen Erfolg, Arbeitsplätze und die Sicherung des Wohlstands in Europa und der Welt bringen wird.
Welchen Anteil Greta Thunberg daran hat, sei mal dahingestellt. Auch sie gehört als Person und mit dem, was sie weltweit alles ausgelöst und erreicht hat, zu den absolut positiven Überraschungen des Jahres 2019.
Eine weitere positive Überraschung des Jahres ist das Hamburger Klimaschutzgesetz. Es ist viel besser als das, was der Bund auf die Beine gestellt hat. Viel Gutes also im Jahr 2019 – im Großen wie im Kleinen!
Foto (Permafrost auf Spitzbergen): Florence Dambricourt/Pixabay
Tim Meyer, Vorstand von Naturstrom: Eine Entwicklung hat mich im Laufe des Jahres 2019 immer wieder neu überrascht: die immer stärkere Polarisierung in der Energie- und Klimapolitik. Im Großen wie im Kleinen scheinen einige gesellschaftliche und politische Gruppen schon in gegenseitiger Verständnislosigkeit angekommen zu sein – und teilweise in der Welt des Postfaktischen.
Die große positive Überraschung war natürlich die Durchschlagskraft und Lautstärke, die die gesellschaftliche Bewegung rund um Fridays for Future entwickelt hat. Das war und ist unglaublich wichtig. Gefühlt gab es keinen Tag, an dem nicht mindestens auf der Titelseite einer überregionalen Zeitung über Energie- und Klimafragen berichtet wurde.
Kulminiert ist das dann am 20. September: fröhliche, optimistische und zukunftsgewandte Menschen beim Klimastreik, die den riesigen Herausforderungen des Klimaschutzes offensiv begegnen. Diese Bewegung hat die Notwendigkeit klarer gesellschaftlicher Diskussion und Aktion eindrucksvoll unterstrichen und mit einer durchaus radikalen, aber eben auf die wissenschaftlichen Fakten gestützten Benennung der Notwendigkeiten erste Fortschritte in der Sache gebracht.
Dabei sind bereits neue Allianzen auch über tradierte Gräben hinweg entstanden. Nicht mehr nur die klassische grüne Wirtschaft steht für die Energiewende. Heute treten auch Unternehmen und Verbände für konsequentere Klimapolitik ein, denen man das noch vor wenigen Jahren kaum zugetraut hätte.
Dass eine solche Bewegung Gegenreaktionen auslöst, ist selbstverständlich. Die große negative Überraschung war für mich dabei aber, erkennen zu müssen, welche Macht und welchen Einfluss die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beharrungskräfte in Deutschland noch haben, auch jenseits aller logischen und faktengestützten Argumentation.
Wie kann es angesichts der drückenden Erkenntnisse und des bereits sichtbar einsetzenden Klimawandels sein, dass in Deutschland die Windenergie und damit die Windindustrie in eine tiefe Krise gestürzt werden? Nicht nur, dass kaum ein Handeln zur Vereinfachung von Genehmigungsprozessen und zur Stärkung der Akzeptanz in der Bevölkerung zu erkennen ist: Nun sollen mit haarsträubenden Abstandsregeln auch noch die letzten Flächen für Windräder wegreguliert werden.
Die Polarisierung zwischen Windkraftbefürwortern und -gegnern erklärt dies aber nicht alleine. Hier werden rücksichtslos handfeste industriepolitische Interessen durchgesetzt, denen importiertes Erdgas oder LNG und Offshore‑Windkraft im Multi-Milliarden-Maßstab näher sind als Windenergie an Land.
Das Klimapäckchen der Bundesregierung spricht auch als Ganzes eine ähnliche Sprache: Vom notwendigen Ziel her gedacht, dass Deutschland spätestens im Jahr 2050 klimaneutral sein muss, sind die enthaltenen Maßnahmen absolut unzureichend. Symbolhaft stand dafür ein völlig unwirksamer CO2-Preis von zehn Euro pro Tonne ab 2021. Nach einer sichtbar aufreibenden Verhandlungsnacht sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu, dass die ausgehandelten Punkte eben nur ein Kompromiss seien. Es gibt also mehrheitsfähige Positionen in den Regierungsparteien, die mehr Klimaschutz für überflüssig halten. All die Sachargumente und Lösungsvorschläge erreichen diese Leute offenbar gar nicht mehr.
Noch intensiver als die öffentliche Debatte ist dabei der Lobbyismus hinter verschlossenen Türen. So wird ganz große Politik auf Kosten der Zukunft gemacht. Dass der CO2-Preis über den Druck des Bundesrates noch auf 25 Euro pro Tonne angehoben wurde, ist gut, ändert aber an der Diagnose nichts.
Mit Blick auf das neue Jahr möchte ich mich aber nochmal der positiven Seite der Debatte zuwenden. Auch wenn die jetzige Bundesregierung mit ihrer verzagten Mutlosigkeit die existierende große Veränderungsbereitschaft in der Gesellschaft unter einem grauen Schleier zu erdrücken droht: Auf allen Ebenen darunter sind viel Bewegung, Gestaltungswille und Handeln erkennbar.
Städte, Kommunen und einzelne Bundesländer schreiten einfach voran, führen Solarpflichten ein oder setzen Pilot- und Förderprogramme für Energiewendemaßnahmen auf. Die Bereitschaft vieler Menschen, auch private Lebensgewohnheiten infrage zu stellen, hinterlässt auch schon erkennbare Spuren in den Angeboten von Geschäften und Supermärkten. Dieser Weg ist unumkehrbar, daran können auch die alten Kräfte nichts mehr ändern.
Ja, das geht alles viel zu langsam und zu viel Energie geht in Scheindebatten verloren – wie die Aufregung um Greta Thunbergs Bahnfahrt zuletzt wieder eindrücklich demonstriert hat. Deshalb wünsche ich mir für 2020 zwei Dinge. Zum Ersten brauchen wir wieder mehr Logik und Vernunft in der Debatte, gern gepaart mit dem vorhandenen Enthusiasmus der Klimaschutzbewegungen.
Und zum Zweiten müssen wir es schaffen, neben die Klimaschutz-Debatten eine breite gesellschaftspolitische Debatte zu stellen. Denn ohne mehr Teilhabe und Gerechtigkeit in vielen Lebensbereichen werden wir zu viele Menschen nicht für die notwendigen großen Veränderungen gewinnen können, die echter Klimaschutz mit sich bringt. Die Aufgabe ist riesig, aber lösbar – lasst sie uns mit Mut und klarem Kopf angehen.
Foto: Myriam Zilles/Pixabay
Jens Mühlhaus, Vorstand beim Münchner Ökostrom-Anbieter Green City: Die Überraschung des Jahres ist sicherlich die Wucht der neuen jungen Klimaschutzbewegung – und neuerdings auch deren Wirkung.
Nach Köln, Kiel und Berlin hat kurz vor Weihnachten auch meine Heimatstadt München endlich den Klimanotstand ausgerufen. Neben diesem eher symbolischen Akt hat sich der Stadtrat sogar dazu durchgerungen, dass unsere Isarmetropole nicht bis 2050, sondern bis 2035 klimaneutral werden soll.
Ein Schelm, wer mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen hinter diesen sehr ehrgeizigen Entscheidungen nur politischen Opportunismus erkennen will. Fakt ist, München benötigt diese politische Kehrtwende dringend.
Ein Schelm, wer mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen hinter diesen sehr ehrgeizigen Entscheidungen nur politischen Opportunismus erkennen will. Fakt ist, München benötigt diese politische Kehrtwende dringend.
Trotzdem lohnt sich der Blick: Woher stammt dieses ambitionierte Ziel, das die Stadt zum Umdenken zwingen wird? Glauben auf einmal die Stadträte doch den Warnungen der Wissenschaft? Haben sie erkannt, dass den Metropolen dieses Planeten eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel zukommt?
Oder sind es vielleicht doch die vielen Schülerinnen und Schüler, die freitags seit einem Jahr immer wieder in München auf die Straße gehen? Die es geschafft haben, Zehntausende zu motivieren, auf den Münchner Königsplatz zu pilgern, um gemeinsam mit ihnen ein Zeichen zu setzen – unangefochten trotz eines unzureichenden Klimapakets und einer schlafenden Bundesregierung?
Fridays for Future hat sich in München Gehör verschafft und so ist es sicherlich kein Zufall, dass die Jahreszahl 2035 für die Null der CO2-Emissionen auch im Forderungskatalog der Klimajugend zu finden ist. Die Politiker wären also gut beraten, auch bei den umzusetzenden Maßnahmen, sich diese Liste noch einmal genau anzuschauen. Da ist sicherlich die eine oder andere gute Idee zu finden, die für die nächste klimafreundliche Überraschung auch im kommenden Jahr sorgen wird.
Ob es nun den Wissenschaftlern, Fridays for Future oder doch den Stadträten zu verdanken ist – es ist ein gutes Gefühl: München bewegt sich und wir bewegen uns mit. Der Stein ist endlich ins Rollen gekommen – zwar erst auf kommunaler Ebene, aber wahrscheinlich ist das sogar die wichtigste politische Ebene für klimawirksame Beschlüsse.
Foto (Fridays-for-Future-Demo in München, Oktober 2019): Martin von Creytz/Flickr
Michael Müller, SPD-Vordenker und Vorsitzender der Naturfreunde: Die Überraschung des Jahres ist, dass die AfD offen die Blut-und-Boden-Ideologie aufgreift, die bis zum Reichsnaturschutzgesetz von 1935 eine legitimatorische Rolle für den Nationalsozialismus einnahm. Die braunen Gespenster kehren zurück.
Die AfD ist der politische Sympathisant verbohrter Klimaleugner, versteht sich als deren parlamentarischer Arm. Als selbst ernannter Gegner des Establishments ist ihr gerade recht, dass die große Mehrheit der Wissenschaftler vor dem anthropogenen Klimawandel warnt. Die neue Rechte sieht sich nicht nur als Ort des neuen Nationalismus, sondern auch als Sammlungsbewegung der Enttäuschten, Lautsprecher und Besserwisser.
Umweltschützer sind für die AfD "Emanzipationsideologen". Sie dagegen schaue dem Volk aufs Maul, sei gegen den "milliardenschweren Unsinn" von Windkraft, Energiewende und Umbau der Mobilität.
Ökologie war bisher kein Hauptthema der Partei. Das hat sich 2019 geändert. AfD-Chef Alexander Gauland erklärte neben Eurokritik und Zuwanderung den Naturschutz zum dritten Schwerpunkt. Rechtsaußen Björn Höcke assistierte: "Das wahre Grün ist blau."
Neu belebt wird die falsche Spaltung zwischen Umweltschutz und Naturschutz. Umweltschutz sei global, Naturschutz dagegen regional und national: Naturschutz sei Volksschutz und Volksschutz sei Naturschutz. Von daher, so die krude Behauptung, zerstöre Zuwanderung die Natur.
Das völkische Rad wird weitergedreht. Gauland bezieht sich auf Friedrich Georg Jünger, Ludwig Klages und Martin Heidegger, die aus innerer Überzeugung die "konservative Revolution" für ein elitäres Drittes Reich wollten, die Demokratie ablehnten und ein autoritäres Führerprinzip unterstützten. Hoffentlich war 2019 nicht ein Jahr schrecklicher Weichenstellung.
Foto: Markus Spiske/Flickr
Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der nachhaltigen Investing-Plattform Wiwin: Der Politik fallen immer neue absurde Möglichkeiten ein, die Energiewende in Deutschland zu blockieren und trotzdem nicht als Buhmann im Klimaschutz dazustehen.
So auch im Jahr 2019, wo die CDU – ergänzend zum Todesurteil für den Windkraftausbau durch die neue Abstandsregelung – mit der Idee um die Ecke kam, Wind- und Solarstrom in Afrika produzieren zu lassen, dort in Wasserstoff umzuwandeln und dann per Pipeline nach Deutschland zu importieren.
Statt also selbst vom starken Wirtschaftszweig der erneuerbaren Energien zu profitieren, will die CDU ganz Deutschland zu einem Nimby-Land machen, indem wir zwar Ökoenergie nutzen, sie aber nicht vor Ort erzeugen – nach dem Motto: Not in my backyard.
Ähnlich der Solarbranche würde so auch die Windindustrie noch weiter zerstört werden. Und ebenso fatal: Wir würden uns und unsere Energieversorgung wieder stärker vom Ausland abhängig machen – die Energiewende hatte uns doch gerade erst den positiven Effekt der größeren Unabhängigkeit von den Öl- und Gasstaaten gebracht.
In der Regel geht es hier um Länder mit einer hohen Inflation und einem hohen Zinsniveau, wodurch der Strom und erst recht der Wasserstoff noch nicht mal günstiger sind. Der Transport und die enormen Verluste dabei machen die Energie zusätzlich teuer.
Ein weiterer Teil der Energie ginge in Form von Wärme bei der Elektrolyse im Ausland verloren. Die Liste der Argumente gegen den Ökostrom-Kauf in Afrika ließe sich immer weiter fortsetzen – von der Zeitintensität der Verhandlungen mit anderen Staaten über die Abhängigkeit von Großkonzernen bis hin zum Verlust der Vorreiterrolle Deutschlands in der Energiewende.
Der Gegenvorschlag: Wir produzieren mehr Ökostrom in Deutschland, speichern die Überschüsse in Form von Wasserstoff und nehmen auch die Rückverstromung in Deutschland vor. So können wir die bei der Elektrolyse entstehende Wärme vor Ort nutzen, wir sind unabhängig, brauchen keine neuen Pipelines, kurbeln unsere Wirtschaft an und erzeugen und nutzen Energie auf die effizienteste und klimafreundlichste Weise.
Die Energiewende in Deutschland ist einfach umzusetzen: Wenn wir im Schnitt in jeder der rund 11.000 Gemeinden drei Windräder bauen und die bestehenden Windenergieanlagen repowern, können wir etwa 25 bis 30 Prozent mehr Strom erzeugen, als wir heute benötigen. 33.000 moderne Anlagen mit einer Nabenhöhe von 160 bis 170 Metern und einem ebenso großen Rotordurchmesser würden jeweils im Schnitt 20 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen – in Summe also rund 660 Milliarden Kilowattstunden.
Kombinieren sollten wir das mit modernen Photovoltaik-Anlagen. Um auch den Verkehrs- und Wärmesektor erneuerbar versorgen zu können, bedarf es weiterer 600 bis 700 Milliarden Kilowattstunden Strom. Der kann mit einer Solarmodulfläche von rund 3.500 Quadratkilometern produziert werden. Hört sich viel an, ist es aber tatsächlich gar nicht. Das ist lediglich ein Prozent der Fläche Deutschlands. Zum Vergleich: 14 Prozent sind Siedlungs- und Verkehrsflächen, davon ist die Hälfte versiegelt. Das heißt, nur auf einem Bruchteil der versiegelten Fläche müssten Photovoltaikanlagen gebaut werden.
So ließe sich das Potenzial von Wind- und Solarenergie voll ausschöpfen und unter anderem mithilfe von Elektroautos, Wärmespeichern, Wärmepumpen und Blockheizkraftwerken auch der Verkehrs- und Wärmebereich einbeziehen. So sind eine CO2-freie Zukunft und die Klimawende einfach und kostengünstig möglich.
Foto (Montage einer Windrad-Gondel): Tim Riediger/BWE
Aufmacherbild: Natasha Horne/Pixabay