Jugendliche Klimaaktivsten von
Heute im Sauriersaal des Berliner Naturkundemuseums: Klimaaktivisten von "Fridays for Future" stellen ihre Grundsatzforderungen vor. (Foto: Verena Kern)

Protestbewegungen folgen oft einem typischen Muster. Zuerst gibt es viel Zulauf, viel Elan, viel Aufmerksamkeit. Doch mit der Zeit gehen die Beteiligungszahlen zurück, die Bewegung fängt an zu bröckeln.

Aus einem einfachen Grund: "Es ist schwierig, einen hohen Grad an Mobilisierung über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten", sagt der Bewegungsforscher Dieter Rucht.

"Auch der Fridays-for-Future-Bewegung könnte das passieren", sagt Rucht, der kürzlich untersucht hat, wer die jungen Klimaaktivisten eigentlich sind, die seit Dezember jeden Freitag auf die Straße statt in die Schule gehen, um für wirksamen Klimaschutz zu demonstrieren. Der Protest der Kinder und Jugendlichen könnte im Sande verlaufen, ohne dass sich klimapolitisch viel geändert hat.

Zurück bliebe eine politisierte Generation, die es immerhin geschafft hat, die Klimakrise in ihrer ganzen Dringlichkeit ins öffentliche Bewusstsein zu rufen und Politiker in Erklärungsnot zu bringen, weil die bisherigen Maßnahmen der Größe des Problems nicht angemessen sind.

Doch so muss es nicht kommen, es lässt sich verhindern. "Wenn die jungen Leute mehr erreichen wollen, müssen sie sich etwas einfallen lassen", sagt Rucht. "Sie müssen nachlegen."

Genau das hat "Fridays for Future" nun getan. Am heutigen Montag hat die neue Klimabewegung ein Papier mit Grundsatzforderungen vorgelegt. Und sie hat sich dafür einen Ort ausgesucht, der symbolträchtiger nicht sein könnte.

Im Sauriersaal des Naturkundemuseums in Berlin, ganz in der Nähe ihres dortigen wöchentlichen Treffpunkts, stellen vier Aktivisten die Ziele vor, die die Bewegung von der Bundesregierung erreicht sehen möchte – umringt von Dutzenden Kameras und Pressevertretern, im Hintergrund die Skelette riesiger Saurier, die wegen klimatischer Veränderungen ausgestorben sind, wie Museumsdirektor Johannes Vogel erinnert. "So wollen wir nicht enden."

Das Papier hat eine Arbeitsgruppe aus Schülern und Schülerinnen zusammengestellt, innerhalb der Bewegung wurde es bundesweit abgestimmt, wie die Aktivistin Svenja Kannt erklärt. "Und wir haben jede Forderung von Wissenschaftlern auf ihre Umsetzbarkeit überprüfen lassen."

"Klimaschutz ist kein Kompromiss"

Die Forderungen sind klar und einfach. "Fridays for Future" will, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens eingehalten wird, das schließlich auch Deutschland unterschrieben hat. Genau genommen fordern die Kinder und Jugendlichen nichts anderes als Vertragstreue: Die Bundesregierung soll das erfüllen, wozu sie sich mit dem Paris-Abkommen verpflichtet hat.

Dafür soll Deutschland bereits 2035 die Nettonull erreichen, also Klimaneutralität. Bislang peilt die Bundesregierung allerhöchstens 2050 an.

Der Kohleausstieg soll bis 2030 erfolgen, nicht erst 2038, wie von der Kohlekommission beschlossen.

Und 2035 soll die Energieversorgung zu 100 Prozent erneuerbar sein – auch hier sieht die Regierung bislang ein viel gemächlicheres Ausbautempo vor. "Das entspricht aber nicht dem 1,5-Grad-Ziel", sagt Sebastian Grieme von "Fridays for Future". "Klimaschutz ist kein Kompromiss."

Damit die Klimaziele des Paris-Abkommens erreicht werden können, müssen die Treibhausgasemissionen "so schnell wie möglich stark reduziert werden", fordern die Aktivisten und verweisen auf den Sonderbericht des Weltklimarats vom letzten Oktober, dem zufolge die weltweiten Emissionen bis 2030 halbiert werden müssen.

Damit Deutschland seinen fairen Anteil dazu beiträgt, soll die Bundesregierung noch in diesem Jahr ein Viertel ihrer Kohlekapazität abschalten und die Subventionen für fossile Energieträger komplett streichen. Zudem fordert "Fridays For Future" eine CO2-Steuer auf alle Emissionen. "Diese soll sozialverträglich gestaltet sein und bei 180 Euro pro Tonne CO2 liegen", sagt Sana Strahinjic.

"Am liebsten würden wir keine Forderungen stellen", sagt Linus Steinmetz. "Es ist traurig, dass wir auf mehr Klimaschutz dringen müssen, obwohl das die Erwachsenen, also die Profis, tun müssten." Es sei die Aufgabe und die Pflicht der Politik, zu handeln – und nicht die der jungen Generation.

Mit dem Streiken aufhören wollen die Aktivisten nicht, selbst wenn die Regierung die Bereitschaft signalisieren sollte, sich nun doch mehr um den Klimaschutz zu kümmern. "Unser Credo bleibt", sagen die Jugendlichen: "Wir streiken, bis ihr handelt."

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Was "Fridays for Future" fordert, ist machbar

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