Die Krise der inländischen Windkraftbranche erreicht einen neuen Höhepunkt. Zu Ende März 2020 will der größte Windkrafthersteller in Deutschland, Enercon, 3.000 Arbeitsplätze abbauen, darunter an den Standorten Aurich in Niedersachsen und Magdeburg in Sachsen-Anhalt.
Grund ist die schwache Auftragslage. Bis Ende Oktober hat das Unternehmen, das in Deutschland einen Marktanteil von über 50 Prozent hält, erst 65 neue Anlagen installiert.
Laut aktueller Statistik kamen dieses Jahr bis Ende Oktober ohnehin bundesweit nur 165 Windanlagen an Land und 150 auf See mit einer Kapazität von zusammen rund 1.600 Megawatt hinzu. Im ganzen Jahr 2018 waren noch 3.300 Megawatt neu errichtet worden.
"Sobald es um das Schicksal von Kohlekumpeln geht, läuten bei den politischen Verantwortlichen alle Alarmglocken – verlieren hingegen innerhalb von nur drei Jahren mehr als 40.000 Menschen ihren Job im Windsektor, schweigt die Politik", empört sich Reiner Priggen, Chef des Landesverbandes Erneuerbare Energie Nordrhein-Westfalen.
Sein Verband hofft, dass Bundes- und Landesregierungen die Alarmsignale endlich wahrnehmen und Maßnahmen einleiten, um das Sterben der Branche zu verhindern.
Für Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, hat die Bundesregierung den Zusammenbruch der deutschen Windindustrie zu verantworten. Der Wegfall tausender Arbeitsplätze gehe vor allem auf das Konto von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
"Statt seinen Job zu machen und Klimatechnologien made in Germany den Rücken zu stärken, kommen aus seinem Ministerium immer neue Verhinderungsstrategien", kritisiert Verlinden.
Zuletzt habe Altmaier dafür gesorgt, dass pauschale Abstände zu Windrädern in sein Windenergie-Maßnahmepaket hineinkommen, obwohl im Ministerium längst klar gewesen sei, wie "verheerend" sich das auf den Ausbau auswirke.
Brisantes Gutachten öffentlich gemacht
Für Aufsehen sorgt in dem Zusammenhang auch ein vom ZDF bekannt gemachtes Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums.
Danach fallen mit dem Klimapaket der Bundesregierung wegen der vorgesehenen Mindestabstände zwischen Windrädern und Wohnbauten – 1.000 Meter und in Bayern das Zehnfache der Anlagenhöhe – bis zu 40 Prozent der verfügbaren Windflächen weg. Ab 2021 droht sogar ein Absinken der installierten Leistung.
Mit den Abstandsregeln beschleunige die Bundesregierung bewusst den weiteren Abbau von Wertschöpfung und Beschäftigung, warnt auch Hermann Albers, Präsident Branchenverbandes BWE. Die Maßnahmen hinterließen zudem eine Ökostromlücke. Dabei bilde die Windkraft in allen seriösen Studien das Rückgrat des zukünftigen Energiesystems, so Albers.
Der BWE verlangt, dass es bei den Abstandsregelungen mindestens eine Öffnungsklausel für das Repowering geben muss, auch seien die sehr unterschiedlichen Siedlungsstrukturen zu berücksichtigen.
Der Bundesrat nahm am Freitag einen Antrag Schleswig-Holsteins an, der von der Bundesregierung verlangt, die erneuerbaren Energien zurück auf den Wachstumspfad zu führen und Ausbaubremsen zu lösen. Zudem solle auch die Genehmigung von Windanlagen erleichtert werden.
Für Schleswig-Holsteins Energieminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) ist das Votum der Länderkammer richtungsweisend. Es zeige sich, dass die Bundesländer bereit sind, in puncto Energiewende einen großen Schritt nach vorne zu gehen, während die Bundesregierung noch immer auf der Stelle trete, sagte Albrecht. "Ich erwarte, dass die Bundesregierung diesen Weckruf hört und jetzt tätig wird."