Es ist schon bemerkenswert, wie offen derzeit vermeintliche Kriege ausgetragen werden. Da wäre zunächst der "Handelskrieg" zwischen den USA und China und möglicherweise bald auch der Europäischen Union.
Und jetzt kommt noch ein "Energiekrieg" dazu, den zumindest US-Präsident Donald Trump direkt mit dem Handelskrieg zu verknüpfen scheint. Offenbar verlangt er Deutschland ab, beim ohnehin schon umstrittenen Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 den Stecker zu ziehen, will die Bundesregierung Sanktionen vermeiden und den angedrohten Handelskrieg umgehen.
Für die USA geht es dabei einzig und allein darum, das im eigenen Land geförderte Öl beziehungsweise Fracking-Gas zu höchstmöglichen Preisen zu verkaufen. Die Konkurrenten – in dem Fall Russland, von wo aus das Gas über Nord Stream 2 in die Europäische Union fließen würde – sollen aus dem Markt gedrängt werden.
Schlimm genug aus US-Sicht, dass von den derzeit steigenden Ölpreisen auch Russland profitiert. Zumindest auf dem Gasmarkt soll Russland nun offenbar ausgestochen werden – und Nord Stream 2 soll dran glauben.
Zugegeben: Die Gas-Pipeline von Russland nach Deutschland ist ökologisch fragwürdig, energiewirtschaftlich und vor allem politisch unsinnig. Schon der erste Strang der Pipeline war sehr teuer und schlecht ausgelastet.
Es gibt zahlreiche Transportrouten, die stattdessen genutzt werden könnten, nicht nur die bestehende Pipeline durch die Ukraine. Auch Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas, LNG) bekommt einen immer höheren Stellenwert.
Deutschlands Gas-Strategie wird am Ende teuer
Entgegen den Prognosen der Pipeline-Befürworter wird es keine "Gaslücke" geben, im Gegenteil. Es gibt derzeit ein Überangebot an Gas auf den internationalen Märkten, ausgelöst nicht zuletzt durch das gefrackte Gas aus den USA. Viele Länder, auch in Europa, setzen auf eine Diversifikation ihrer Gasimporte, vor allem durch das Flüssiggas, das flexibel per Schiff transportiert werden kann.
Nur Deutschland verzichtet auf den Bau eines LNG-Terminals und setzt stattdessen auf eine zweite Nord-Stream-Pipeline. Das ist eine teure Strategie und wird die Verbraucherpreise nach oben treiben – auch wenn die Pipelinebetreiber natürlich das Gegenteil behaupten.
Perspektivisch wird Europas Gasbedarf abnehmen, wenn die Klimaziele wie vereinbart weiterverfolgt werden. Zwar wird es eine Übergangszeit geben, in der Gas sowohl zur Stromerzeugung als auch zur Wärmebereitstellung sowie als Treibstoff für die Mobilität eine Rolle spielt.
Nach und nach wird Erdgas aber durch klimaneutrale Alternativen ersetzt werden. Erneuerbare Energien werden immer preiswerter, ihr Anteil am Energiemix wird weiter zunehmen. Gas wäre dann auch nicht mehr als "Brückenenergieträger" gefragt.
Zur Person
Claudia Kemfert ist Professorin für Energiewirtschaft und leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Sie ist Mitherausgeberin von Klimareporter. Ihr Beitrag erschien zuerst im DIW Wochenbericht 21/2018. (Foto: Daniel Morsey)
Nord Stream 2 hingegen vermindert die Marktflexibilität und vergrößert gleichzeitig die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland. Zudem bindet man sich auf Jahrzehnte an vergleichsweise teure Gasimporte.
Dies widerspricht den Zielen der Europäischen Energieunion. Der Umbau des Energie- und Stromsystems auf erneuerbare Energien wird verzögert. Sowohl ökonomisch als auch politisch ist Nord Stream 2 unnötig.
Deutschland täte gut daran, die Energiewende voranzutreiben und nicht teure und unsinnige Pipelineprojekte. Und zwar mit einem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien hierzulande und mit einem Fokus auf Energiesparen.
Dann wäre Gas als Energieträger schon bald überflüssig – und Nord Stream 2 erst recht. Das beste Mittel gegen fossile Energiekriege, egal wer sie anzettelt, ist die Energiewende.