Schülerinnen gehen hinter dem Demo-Fronttransparent mit der bunt gesprayten Aufschrift:
Fridays for Future hat viel erreicht – und wird doch nicht richtig ernst genommen. Und nun? (Foto: Leonhard Lenz/​Wikimedia Commons)

"Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist zwölf!", schallte das Lied "Jüngstes Gericht" des Musikers Courtier über den Königsplatz in München, der sich innerhalb einer halben Stunde schon rapide gefüllt hatte. Freitagmittag, der 20. September. Der Generalstreik von Fridays for Future.

Genau fünf nach zwölf eröffneten wir die Demo mit den Worten: "Es ist fünf nach zwölf. Die Klimakrise hat bereits begonnen. Sie ist das Ergebnis unseres Raubbaus an der eigenen Lebensgrundlage."

Mit uns zusammen schoben sich schiere Menschenmassen durch die Münchner Innenstadt. Die Polizei musste die Route spontan verlängern, so viele waren gekommen. Allein hier in der bayerischen Hauptstadt hatten 388 Unternehmen ihren Angestellten den Streik erlaubt.

Als ich das erste Mal auf ein Podest gestiegen bin, um über die Menge zu blicken, ist mir kurz die Luft weggeblieben. Nach und nach hörten wir Zahlen aus anderen Städten. Deutschlandweit waren über 1,4 Millionen Menschen auf der Straße, um dafür einzutreten, dass endlich ernsthaft Klimaschutz betrieben wird.

Und dann der Schlag ins Gesicht: Am Nachmittag beschloss das Klimakabinett der Bundesregierung sein sogenanntes Klimapaket, von dem alle, die Ahnung haben, sagen, dass es nicht ansatzweise ausreicht. Wir hatten schon nicht viel erwartet. Aber jetzt? Wut und Enttäuschung.

Der Punkt, an dem Aufmerksamkeit nicht mehr reicht

Die Wochen seit dem Großstreik waren seltsam – nicht zuletzt, weil die Organisation an unseren Kräften gezehrt hat. Eigentlich hätten wir alle direkt Urlaub vertragen können. Stattdessen haben wir die übrig gebliebenen Plakate überklebt, sodass sie gleich für den nächsten Streik in der Woche darauf warben. Der Slogan: #notmyklimapaket.

Es ist insgesamt ein anderes Gefühl als vor dem Großstreik, vor dem Klimapaket. Wir sind immer noch – oder jetzt erst recht – super motiviert, aber strategisch hängen wir ein bisschen in der Luft.

Elena Balthesen spricht in ein Mikro.
Foto: privat

Elena Balthesen

ist 17 Jahre alt und geht in die 12. Klasse einer Waldorf­schule in München. In ihrer Kolumne "Balthesens Aufbruch" macht sie sich auf die Suche nach Wegen für ihre Generation, aus der Klimakrise heraus­zu­kommen. Sie ist bei "Fridays for Future" in München aktiv.

Bei vielen spüre ich die Angst, dass wir das Momentum für einen politischen Umschwung verpassen oder falsch darauf reagieren. Ich kann natürlich nur für uns in München sprechen, aber ich habe das Gefühl, dass es anderen Ortsgruppen ähnlich geht.

Mein Gefühl ist: Unser großer Erfolg ist es, dass wir viel Aufmerksamkeit erregt haben – aber jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem das nicht mehr reicht.

Bei Fridays for Future steht deshalb die Frage im Raum, ob wir radikalere Protestformen finden sollten.

Momentan praktizieren Teile von Fridays for Future, nämlich wir Schulpflichtigen, durch unsere Streiks schon zivilen Ungehorsam – aber auf einem recht niedrigen Level. Ich persönlich bin der Meinung, dass auch stärkere Formen des Ungehorsams ein wichtiges und legitimes Druckmittel sind und wäre beispielsweise dazu bereit, Straßen zu blockieren.

Unterschiedliche Aktionsformen, gemeinsames Ziel

Aber ich finde, dass das nicht im Rahmen von Fridays for Future passieren muss. Unsere Stärke ist es, dass sich die breite Bevölkerung hinter uns stellen kann – und das ja auch tut. Zu Blockaden oder Ähnlichem sind nicht so viele Menschen bereit. Bei uns können alle mitmachen.

Gerade letzte Woche hat Extinction Rebellion Städte weltweit mit Straßenblockaden lahmgelegt. Die Gruppe wird viel kritisiert, unter anderem für die Aktionsform. Auch ich habe persönlich meine Kritikpunkte. Aber was Extinction Rebellion vergangene Woche geschafft hat, ist einfach ziemlich cool und hat Druck aufgebaut.

Ich finde, die Klimagerechtigkeitsbewegung muss zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen. Es ist strategisch nur sinnvoll, dass es unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Ansätzen gibt. Bevor man sich einer Aktion anschließt, muss man sich natürlich informieren und entscheiden, ob es das Richtige für einen ist. Wenn wir untereinander solidarisch sind, ergibt sich ein gutes Zusammenspiel. Und dann schaffen wir es, das Momentum aufrechtzuerhalten.

Das brauchen wir jetzt. Die letzte Zeit war klimapolitisch sehr wichtig, aber was jetzt kommt, ist es mindestens genauso. Wahrscheinlich wird sich in nächster Zeit entscheiden, wie Klimapolitik in Deutschland in der mittelfristigen Zukunft aussehen wird. Ich bezweifle, dass es die Groko noch lange geben wird. Dann ist Anfang Dezember die nächste Klimakonferenz der Vereinten Nationen.

Und der Protest geht natürlich weiter. Für den 29. November planen wir den nächsten Großstreik. Und kurz danach will das Aktionsbündnis Ende Gelände in der Lausitz Kohleinfrastruktur blockieren. Egal, bei welcher Aktion – wir sind wieder alle gefragt!