Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Sebastian Sladek, geschäftsführender Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).
Klimareporter°: Herr Sladek, mehrere Ökoenergie-Unternehmen, darunter die EWS Schönau, forderten kürzlich angesichts der fehlenden 60 Milliarden Euro, Klimaschutz und Energiewende solide und konsequent im Bundeshaushalt zu verankern und die nötige Anpassung der Haushaltsplanung als Chance zu nutzen, ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit zu verbinden. Zuletzt stoppte die Ampel hektisch die E‑Auto-Prämie. Hat die Bundesregierung nicht auf Sie gehört?
Sebastian Sladek: Ich denke, unsere sehr klare Botschaft ist durchaus bei der Bundesregierung angekommen und wurde dort gehört. Immerhin beginnt die Bundesregierung nun damit, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Das ist als ein echter Meilenstein zu werten, den zu erreichen politische Kreise lange nicht für möglich gehalten haben. Bisher fehlten schlicht der politische Mut und Wille.
Zwar sollen nach derzeitigem Stand im Jahr 2024 nur rund drei Milliarden Euro klimaschädliche Subventionen abgebaut werden – wenig im Vergleich zu den rund 24 Milliarden Euro, die zu heben kurzfristig möglich wäre. Doch es ist ein Anfang. Kommende Bundesregierungen werden nicht mehr darum herumkommen, diesen Weg fortzuführen.
Gut ist auch, dass der CO2-Preis für 2024 und dann erneut für 2025 angehoben wird. Wir bleiben bei unserer Forderung nach einem verlässlichen und ambitionierten CO2-Preispfad, nicht zuletzt damit Unternehmen und Bürger:innen sich darauf einstellen können.
Die zusätzlichen Einnahmen sollten für die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft, vor allem aber für einen sozialen Ausgleich genutzt werden. Wir fordern die Bundesregierung darum auf, das Klimageld so schnell wie möglich einzuführen. Denn eines ist klar: Klimaschutz wird nur gelingen, wenn er sozialverträglich ausgestaltet wird – wenn wir also die Bürger:innen mitnehmen, sie sinnvoll entlasten und geeignete Anreize für nachhaltiges Handeln schaffen.
Zum Ende der E‑Autoförderung: Es stimmt, der Stopp kam ziemlich abrupt. Inzwischen haben aber mehrere Hersteller mitgeteilt, die Prämie des Bundes beim E‑Autokauf übernehmen zu wollen. Zudem wurden für das kommende Jahr schon mehrere vergleichsweise günstige E‑Automodelle angekündigt, auch von chinesischen Anbietern. Da wird es weiter eine Nachfrage geben.
Die Entwicklung ist zugleich eine deutliche Warnung an die deutschen Autohersteller, endlich aus ihrem Dornröschenschlaf aufzuwachen und mutig in alternative Antriebe zu investieren. Hier wurden viel zu lange Däumchen gedreht. Mittlerweile sind andere Autobauer den deutschen mehrere Jahre voraus, auch bei der Kosteneffizienz.
Die deutschen Hersteller müssen nun in die Puschen kommen und vollständig und konsequent auf die Elektromobilität einschwenken – auch aus Verantwortung für ihre Standorte und Beschäftigten. Der fortlaufende Lobbyismus für Wasserstoff- und E‑Fuel-Technologien ist eine populistische Nebelkerze, die vom tatsächlich Notwendigen ablenkt.
Der chinesische Atomkonzern GCN beendet seine Zahlungen für das britische AKW-Neubauprojekt Hinkley Point C. Ebenfalls wegen explodierender Kosten kam zuvor das Aus des als Vorzeigeprojekt geplanten Klein-Atomkraftwerks im Westen der USA. Doch beim Weltklimagipfel in Dubai kündigte eine Reihe von Ländern einen massiven Ausbau der Kernkraft an. Wie passt das zusammen?
Wenn sich komplexe Sachverhalte regelmäßig so simpel erklären und handhabbar machen ließen, wie ihre Fans es für die Atomkraft suggerieren, dann wären wir in der Welt längst viel weiter.
Leider ist aber die Atomkraft ein hochkomplexes Feld. Und weil das Thema so schwer zu durchdringen ist, ist es für die Befürworter leicht, einfache und populistische Narrative zu stricken, um diese gefährliche und absolut unrentable Technologie weiter am Leben zu erhalten.
In der Bevölkerung verfangen die Argumente der Grundlastfähigkeit und der hohen, scheinbar einfach erzeugten Energiemengen, weil sie das Bedürfnis nach Versorgungssicherheit ansprechen und zugleich das wohlige Gefühl vermitteln, wegen des Klimawandels doch nicht allzu viel verändern zu müssen. Eine Wohlfühl-Botschaft, die geschmeidig ins Ohr träufelt – wer möchte so etwas nicht verkünden? Kaum verwunderlich also, warum so mancher die Atomkraft weiter politisch protegiert. Man sollte mal bei Markus Söder nachfragen, ob er darüber hinaus noch weitere Motivationen für sich sieht.
Was die Einstellung der Zahlungen für Hinkley Point C angeht, darf man dem chinesischen Konzern GCN die Erkenntnis unterstellen und zutrauen, dass bei diesem Projekt für ihn weder Geld noch irgendein anderer Vorteil zu gewinnen ist. Überhaupt scheint sich ausgerechnet das kommunistische China sehr viel stringenter an betriebswirtschaftlichen Parametern zu orientieren. Die Chinesen bauen zwar auch Atomreaktoren, aber die stehen in keiner Relation zum Ausbau der erneuerbaren Energien, die bekanntermaßen sehr viel günstiger, schneller und einfacher verfügbar gemacht werden können.
Es steht zu hoffen, dass China inzwischen auch durch die Probleme, die es mit seinen eigenen EPR-Reaktoren hat, zu einer weiteren Erkenntnis gelangt ist, dass nämlich dieses kostspielige Engagement nicht zielführend ist – zumindest dann nicht, wenn die Ziele "zivile Stromversorgung" oder "Klimaschutz" heißen.
Warum 22 Staaten bei der Klimakonferenz angekündigt haben, die Atomkraft bis 2050 verdreifachen zu wollen, ist nicht genauer begründet worden – außer eben mit der fadenscheinigen Erklärung, Klimaneutralität sei ohne Atomkraft nicht zu erreichen. China und Russland sind interessanterweise in dieser Gruppe nicht vertreten – ach ja, und Iran auch nicht.
Hinlänglich bekannt ist, dass die Atomkraft nur einen geringen Anteil zu den CO2-Einsparungen beiträgt. Als bekannt darf auch angenommen werden, dass Reaktoren, die erst in vielen Jahren bis Jahrzehnten ans Netz gehen würden, keinerlei Beitrag zu der dringend gebotenen sofortigen Reduktion der Emissionen liefern können. Der Hinweis auf die vollkommen unrealistische Anzahl der bis 2050 avisierten Neubauten erscheint da fast schon überflüssig.
Man muss also den 22 Staaten, allen voran die USA, Großbritannien und Frankreich, ein anders gelagertes Motivationsbündel unterstellen. Diesbezüglich erwähnenswert ist etwa, dass im gleichen Atemzug auch eine Förderung der Atomkraft durch internationale Finanzinstitutionen gefordert wurde.
Bei Frankreich, das mit seiner Energieversorgung von 56 überwiegend maroden Reaktoren abhängt, liegt die Motivation auf der Hand. In den energiehungrigen USA mit 93 AKWs dürfte auch der Widerstand gegen eine Transformation der Energiesysteme nicht ganz unwichtig sein. Die militärische Nutzung ist fraglos ein weiterer wesentlicher Grund. Auch könnten politische Allianzen oder Machtdemonstrationen nach innen und außen für einige Staaten eine Rolle spielen.
Was tatsächlich geschehen wird, steht aber wahrscheinlich auf einem ganz anderen Blatt, denn letztendlich entscheidet der Geldbeutel. Atomkraft ist im Gegensatz zu den Erneuerbaren immens teuer und unwirtschaftlich. Und immerhin gab es auf dem Klimagipfel ja auch eine Mehrheit von 175 Staaten, die sich nicht für einen weiteren Ausbau der Atomkraft ausgesprochen haben.
Die Abkehr von den fossilen Energien wird zum ersten Mal in einer Erklärung eines Weltklimagipfels gefordert. In Dubai konnten sich die Staaten aber erst kurz vor Schluss auf eine Formulierung einigen: "transitioning away from fossil fuels in energy systems". Seitdem rätseln viele, wie ernst nun der fossile Ausstieg gemeint ist. Wie sehen Sie das?
Dass die fossilen Energien überhaupt in der Abschlusserklärung vorkommen, muss man ja leider schon als einen Erfolg sehen, immerhin war im ersten Entwurf noch nichts davon zu lesen.
Und eingedenk jenes Briefes, in dem die ölexportierenden Staaten fordern, einem Ausstieg aus den fossilen Energien auf keinen Fall zuzustimmen, um den Wohlstand nicht zu gefährden, repräsentiert das Ergebnis wohl das, was angesichts der vielen Geburtsfehler dieser Konferenz gerade noch drin war. Das ist aber nicht das, was aus wissenschaftlicher Sicht nötig wäre, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen.
Dafür ist die Abschlusserklärung zu unkonkret, zu dehnbar und zu sehr durchsetzt mit Schlupflöchern, durch die sich das fossile Geschäft mit Scheinlösungen wie beispielsweise den CCS-Technologien weiterbetreiben lässt. Verbindliche Ziele zur Emissionsreduktion oder ein konkretes Ausstiegsdatum – das fehlt völlig.
Allenfalls das Bekenntnis zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien, das zumindest ein paar Anreize setzt, klimafreundliche Technologien voranzutreiben, lässt sich da noch positiv werten.
Die Machtdemonstration der fossilen Interessen ist in Dubai jedenfalls überdeutlich geworden – da stimmt es mich für die nächste Klimakonferenz im Ölstaat Aserbaidschan wenig zuversichtlich, dass dann endlich der große Durchbruch für den Klimaschutz gelingt.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Ich fand es sehr überraschend, wie rapide wandlungsfähig sich die allgemeine Haltung zu zivilgesellschaftlichem Protest in der vergangenen Woche gezeigt hat. Ich kann mich noch erinnern, wie in der ersten Jahreshälfte, als die "Letzte Generation" Straßen blockierte, über Dinge wie "Rettungsgassen" und "ungestörte Fahrt zur Arbeit" mit allerhöchster Priorität diskutiert wurde.
Aber nun ist am Montag eine große Kolonne von Landwirten auf Traktoren in die Berliner Innenstadt gerollt, hat großflächig den Verkehr lahmgelegt – und niemand hat sie angebrüllt, bespuckt oder gar an den Haaren vom Trecker gezogen. Weder ist die Staatsanwaltschaft tätig geworden noch habe ich irgendwo Formulierungen wie "Agrarterroristen" gelesen.
Ich glaube, das ist eine gute Nachricht für die Klimabewegung, denn wie es aussieht, wird es auch 2024 wieder jede Menge Gründe für Protest geben.
Fragen: Jörg Staude