Das Bundesverfassungsgericht hat unsaubere Finanzpolitik gestoppt, aber nicht den Klimaschutz. (Bild: Jochen Zick/​action press/​BdB/​Flickr)

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 zur fehlenden Verfassungskonformität der Umwidmung von Corona-Sondermitteln in Klimaschutz- und Transformationsmittel herrscht im bundesdeutschen Politikbetrieb Ratlosigkeit.

Es fehlen nun 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds, die unter anderem für konkrete Maßnahmen wie etwa Gebäudesanierung und Heizungsaustausch, Elektromobilität und Modernisierung des Bahnnetzes, CO2-neutrale Energieinfrastrukturen und Klimaschutz in der Industrie, Moorschutz und Transformationsforschung vorgesehen sind.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass ein erheblicher Teil der eingestellten und teilweise auch bereits zugesagten Mittel aus dem Fonds mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit nichts oder nur sehr wenig zu tun hat.

Dazu gehören die gerade beschlossenen zusätzlichen Energiepreisentlastungen für Industrie und Gewerbe im Umfang von bis zu zwölf Milliarden Euro, die Abschaffung der EEG-Umlage für Private und Mittelstand im Gegenwert von 12,6 Milliarden Euro oder die Ansiedlungssubventionen für Chipfabriken in Magdeburg und Dresden in Höhe von 15 Milliarden Euro – alle Zahlenangaben von der Bundesregierung.

Für solche Maßnahmen kann man natürlich eintreten, auch wenn die Höhe der üppigen Zuschüsse für die oft gewinnstarken Unternehmen durchaus Fragen aufwirft. Und dabei geht es vorrangig um konventionelle Wirtschaftsförderung, nicht um ökologische Transformationspolitik. Entsprechend ehrlich sollte auch gebucht werden. Vor verschleierndem Transformations-Neusprech ist jedenfalls zu warnen.

Karlsruhe verlangt mehr Klimaschutz, nicht weniger

Mit der Zurückweisung der – im Übrigen miserabel begründeten – "Mittelumbuchung" des Bundesfinanzministeriums von "Corona" auf "Klima und Transformation" hat das Bundesverfassungsgericht in keiner Weise die klimapolitischen Handlungsnotwendigkeiten infrage gestellt.

Im Gegenteil, in seinem Urteil vom 24. März 2021 hat das Verfassungsgericht der Bundesregierung de facto aufgetragen, in Sachen Klimaschutz endlich konsequent und zügig zu handeln und der Abwälzung der klimapolitischen Anstrengungen und Kosten auf zukünftige Generationen ein Ende zu bereiten.

Bild: Julia Zimmer­mann

Reinhard Loske

ist Nach­haltig­keits­forscher und Hochschul­lehrer. Der Volks­wirt und Politik­wissen­schaftler ist Vorstands­mitglied des Instituts für ökologische Wirtschafts­forschung und der Right Liveli­hood Foundation. Von 1998 bis 2011 war er bei den Grünen unter anderem Vize­fraktions­chef im Bundestag und Bremer Umwelt­senator. Später war er Professor für Trans­formations­dynamik an der Universität Witten/​Herdecke und Präsident der Cusanus-Hoch­schule für Gesellschafts­gestaltung in Koblenz. Sein neuestes Buch heißt "Ökonomie(n) mit Zukunft: Jenseits der Wachstums­illusion".

Die Konsequenz des aktuellen Urteils kann deshalb nicht sein, nun beim ohnehin recht schleppend verlaufenden Klimaschutz zu entschleunigen. Die nächste Niederlage der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht wäre so vorprogrammiert.

Die Entschleierung und Untersagung der versuchten Täuschung in Sachen öffentlicher Finanzen kann gerade aus einer Perspektive der ökologischen Ehrlichkeit aber auch etwas Heilsames haben. Politik muss nun sagen, was sein muss, was geht und was nicht (mehr) geht.

Oberflächliche parteitaktische Manöver und wechselseitige Schuldzuweisungen bringen da nicht weiter, denn das Verschleierungsinstrument missbrauchsanfälliger Neben- und Schattenhaushalte haben in der Vergangenheit Regierungen aller Couleur nur zu gerne genutzt – und tun es auch heute noch.

Es geht also jetzt um gemeinsames Handeln, um kurz-, mittel- und langfristiges. Was aber ist zu tun, um Klimaschutz und Verfassungskonformität gleichermaßen sicherzustellen?

Und, so muss gerade aus ökologischer Perspektive als gleich wichtige Frage hinzukommen: Was ist zu unterlassen, um einer wirklich nachhaltigen Entwicklung den Weg zu ebnen?

Subventionen umschichten, Infrastruktur umplanen

Fünf Maßnahmenbündel bieten sich da in besonderer Weise an:

Die umweltschädlichen Subventionen liegen nach Auskunft des Umweltbundesamtes in Deutschland bei jährlich 65 Milliarden Euro. Der Abbau und Umbau dieser Subventionen ist zwar nicht konfliktfrei zu erreichen, weil viele Akteure von selbigen profitieren, er muss aber nun zu einer zentralen Finanzierungsquelle für Klimaschutz und nachhaltige Transformation werden.

Vorschläge dafür, wie diese Umschichtung zügig gelingen kann, liegen in Hülle und Fülle vor, etwa vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft.

Nicht zuletzt bietet auch die neue Periode der EU-Agrarpolitik ab 2027 gewaltige Einspar- und Umwidmungspotenziale bei den klimaschutzrelevanten Agrarsubventionen. Diese sind in Zukunft konsequent an ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitszielen statt an Produktionsmaximierung und falsch verstandener Effizienz auszurichten.

Unterstützungsprogramme für die Wirtschaft müssen zielgenauer auf die ökologische Transformation gerichtet werden und vom Gießkannenprinzip wegkommen. So kosten etwa pauschal heruntergedrückte Strompreise für das produzierende Gewerbe den Staat sehr viel Geld und wirken im Ergebnis wie Klimaschutzbremsen und Transformationshemmer.

 

Die erst vor wenigen Wochen beschlossenen und noch nicht in Rechtsform gegossenen Zusatzmittel für diesen Zweck sollten deshalb reduziert werden. Auch dadurch würden Gelder für eine klimafreundliche Transformation frei, vor allem für den Aufbau eines mit algorithmischer Intelligenz gesteuerten, dezentralen Stromnetzes mit Millionen Einspeisern erneuerbarer Energie.

Entscheidend ist nun die konsequente Ausrichtung der energiebezogenen Unterstützungsprogramme an Energieautonomie, Quellendiversifizierung und verbesserter Resilienz, also der Robustheit gegenüber extern ausgelösten Preisschocks.

Auch in der Infrastruktur-, Verkehrs- und Logistikplanung des Bundes und der Länder sind deutliche Akzentverschiebungen erforderlich, die zugleich Einsparpotenzial bieten. Die Priorisierung muss lauten: Schiene vor Straße, Straßen- und Brückensanierung vor kostenintensiver Expansion des ohnehin schon dicht geflochtenen Fernstraßennetzes, Förderung intermodaler, elektrifizierter und autonomer Verkehrssysteme auf der Basis erneuerbarer Energien vor Bezuschussung individuellen Pkw-Besitzes.

Dabei ist selbstverständlich zwischen urbanen Strategien und Strategien für den ländlichen Raum zu unterscheiden.

Und müsste der Bundesminister für Digitales und Verkehr sich nicht auch einmal fragen, ob die im Haushaltsplan 2024 vorgesehene Gewichtung zwischen 906 Millionen Euro für die digitale Infrastruktur und 12,8 Milliarden Euro für die Bundesfernstraßen – eine Relation von eins zu 14 – wirklich noch zeitgemäß ist? Von den Zukunftserfordernissen her müsste das Verhältnis eigentlich eher eins zu eins sein.

Vom Bürgergeld zur alternativen Ökonomie

Was könnte der Bund noch unterlassen, um Geld für die notwendige ökologische Transformation freizuschaufeln? Der Union fallen da bislang vor allem sozialpolitische Kürzungen ein, etwa der Verzicht auf die geplante Bürgergelderhöhung oder die Einführung der ohnehin recht dürftig ausgefallenen Kindergrundsicherung.

Von der sozialpolitischen Kälte solcher Vorschläge einmal abgesehen, würden sie im Falle ihrer Realisierung lediglich Milliardenbeträge im unteren einstelligen Bereich erbringen. Gleichzeitig wäre der Preis an anderer Stelle sehr hoch: Das Auseinanderdriften der Gesellschaft würde weiter beschleunigt werden und das Zutrauen in die Gewählten weiter erodieren.

Was man im Kontext dieser Sozialleistungen selbstverständlich immer diskutieren kann, ist die Frage, ob mit der Gewährung des Bürgergeldes auch eine Gegenleistung wie Bürgerarbeit oder gesellschaftliches Engagement einhergehen sollte. Gerade im sozialen, im ökologischen und im kulturellen Bereich sind verschiedene Unterstützungstätigkeiten durchaus denkbar.

Auch sind hier Brücken in alternative Formen des Wirtschaftens und der Selbstständigkeit möglich, etwa im Bereich der Sharing Economy, der solidarischen Ökonomie, der Gemeinwohlökonomie, der Sorgearbeit oder der Pflege der Gemeinschaftsgüter. In diesen Bereichen sprießen heute vielfältigste Aktivitäten, die sich als Keimzellen einer neuen Ökonomie erweisen könnten, die die konventionelle Wirtschaft fruchtbar ergänzt.

Eine solche Debatte über ein faktisches Grundeinkommen, Bürgerarbeit, Dualökonomie und soziales Unternehmertum wäre dann aber als Ermutigungsdiskurs zu rahmen und nicht à la Friedrich Merz als Bestrafungsdiskurs gegen angebliche Drückeberger. Diese Denke ist von vorgestern.

CO2-Preise ohne Deckel, aber mit Ausgleich

Eine andere Maßnahme, die die Bundesregierung unterlassen könnte, ist das Deckeln des CO2-Preises im Rahmen des europäischen Emissionshandels, der ab 2027 auch auf Gebäude und den Verkehr ausgedehnt wird.

Momentan verhindert die Deckelung der freien Preisbildung für CO2-Zertifikate durch die Bundesregierung, dass die Preise die "ökologische Wahrheit" sagen oder dieser zumindest näherkommen.

Diese Lösung wäre ordnungs- und klimapolitisch am saubersten, hätte aber im gegebenen Energiemix zur Folge, dass die Energiepreise erheblich steigen. Kurzfristig durchführbar wäre der Verzicht auf die Deckelung des CO2-Preises also nur, wenn gleichzeitig das "Klimageld für alle" als sozialpolitische Kompensation kommt, finanziert aus den (dann üppig sprudelnden) Einnahmen aus dem Emissionshandel. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist ein solches Klimageld vereinbart, bisher aber nicht in die Tat umgesetzt worden.

Als Zwischenfazit kann also festgehalten werden, dass eine "5‑S-Strategie" erhebliche Finanzierungs- und Umwidmungspotenziale für die ökologische Transformation bietet: Subventionsabbau und -umbau, Sparen an Überflüssigem, strategische Schwerpunktsetzung, Sozialstaatsmodernisierung, Schluss mit der Deckelung des CO2-Preises bei Kompensation durch ein Klimageld für alle.

Das Bild potenzieller Finanzierungsquellen für eine wirkliche ökologisch-soziale Transformation wäre aber nicht vollständig, wenn nicht auch zwei weitere S‑Faktoren betrachtet würden: Schulden und Steuererhöhungen.

Schuldenbremse ökologisch modernisieren

Momentan rankt sich der Konflikt um die angemessene Finanzierung des Klimaschutzes und der ökologischen Transformation vor allem um die Frage einer Aussetzung oder Abschwächung der Schuldenbremse. Das erstaunt insofern, als die Potenziale der fünf zuvor genannten Handlungsfelder noch nicht einmal näherungsweise ausgeschöpft worden sind.

Und auch das Ursprungspostulat der Schuldenbremse von 2009, nachfolgenden Generationen keine unmäßigen finanziellen Lasten aufzubürden und so ihre Handlungsspielräume einzuengen, wird ja nicht dadurch falsch, dass in der Gegenwart hohe Investitionsbedarfe anstehen. Man könnte sogar argumentieren, ökologische und finanzielle Generationengerechtigkeit seien zwei Seiten einer Medaille.

Dennoch muss angesichts veränderter geoökonomischer Rahmenbedingungen und objektiv sehr hoher Finanzbedarfe für nachhaltige Investitionen konstatiert werden, dass die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form zu statisch ist und sich als Klimaschutz- und Transformationsbremse erweisen könnte.

Die Arbeiten an einer Generalüberholung der Schuldenbremse sollten deshalb jetzt zügig aufgenommen werden, damit diese zum Beginn der neuen Legislaturperiode Ende 2025 mit zeitgemäßen Regelungen zur Verfügung steht. Darüber, ob die Schuldenbremse – wie bereits für 2023 beschlossen – auch für 2024 und eventuell sogar 2025 ausgesetzt wird, sollte nun ebenfalls bald entschieden werden.

Absolut essenziell für eine ökologische Modernisierung der Schuldenbremse ist allerdings, dass ihre Lockerung nur für wirklich nachhaltige Zukunftsinvestitionen erlaubt wird und es am Ende nicht doch nur wieder darum geht, den Weg für neue Autobahnen, neue Industriesubventionen, Schutzversprechen und Wahlkampfgeschenke aller Art zu ebnen.

Dann nämlich hätten wir es in der Tat mit einem veritablen Vergehen an den Interessen zukünftiger Generationen zu tun. Es kommt also auf die genauen Details der Modifikation der Schuldenbremse an, wobei grundsätzlich auch die Ergänzung einer im Kern erhaltenen Schuldenbremse um ein schuldenfinanziertes Sondervermögen "Klimaschutz und Transformation" denkbar ist.

Steuererhöhungen nicht gänzlich ausschließen

Bleibt das heißeste Eisen der Klima- und Transformationsfinanzierung, die Erhöhung von Steuern zum Zwecke der Generierung zusätzlicher Staatseinnahmen.

Zunächst das Prinzipielle: Wer den Grundsatz anerkennt, dass Probleme von denjenigen zu lösen sind, die sie verursacht haben, der muss sachlogisch zu dem Schluss gelangen, heute notwendiges Handeln sei im Wesentlichen auch von den heute Lebenden zu finanzieren.

Die Finanzmittel zur Dekarbonisierung von Gesellschaft und Wirtschaft sind demgemäß von den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen aufzubringen – und zwar in ihren verschiedenen Funktionen als Produzierende und Konsumierende, Gesellschaftsmitglieder und Steuerzahler.

Damit taucht die Frage auf, ob die notwendigen Mittel für die ökologisch-soziale Transformation nicht mindestens teilweise auch durch Steuererhöhungen finanziert werden sollten.

Zwei Modelle sind hier denkbar und werden aktuell auch diskutiert: zum einen ein "Klimasoli", dem die Annahme zugrunde liegt, die ökologische Transformation als Gemeinschaftsaufgabe sei von allen Steuerzahlern gemäß ihrer Leistungsfähigkeit mitzufinanzieren.

Zum anderen eine "Klima-Reichensteuer", bei der von dem empirisch gut belegten Faktum ausgegangen wird, dass "Reiche" durch ihre ressourcenintensiven Lebensstile einen überproportional hohen Beitrag zur menschengemachten Erdüberhitzung leisten, weshalb eine Klimasteuer auf hohe Vermögen, hohe Erbschaften und hohe Einkommen zu rechtfertigen sei – gewissermaßen als Lastenausgleich.

Beide Ansätze haben ihre jeweils spezifische Plausibilität. Beide Ansätze haben aber auch mit dem generellen Problem zu kämpfen, dass sich Steuererhöhungen nur geringer Beliebtheit erfreuen, selbst bei denen, die davon profitieren würden.

Dennoch können und sollten auch diese potenziellen Finanzierungsquellen für die ökologische Transformation nicht generell ausgeschlossen werden. Denn sollte es zu einer weiteren Verschärfung der Klimakrise kommen, könnten wir schon sehr bald nicht nur eine "5‑S-Strategie" benötigen, sondern eine "7‑S-Strategie", in der auch zusätzliche Schulden und Steuern eine Rolle spielen.

Je länger wir beim Klimaschutz zaudern, desto höher wird die Rechnung ausfallen. Im schlimmsten Fall wird sie sogar unbezahlbar und mit sehr viel Leid verbunden sein. Deshalb sind jetzt politischer Mut und politische Weitsicht gefragt. Wer traut sich vor? Wer ist bereit und in der Lage, die knappe Ressource Zuversicht zu mehren?

Eine ausführlichere Fassung dieses Beitrags erscheint in Ausgabe 1/2024 der Zeitschrift Ökologisches Wirtschaften.