Ohne Zukunft: Förderplattform eines Ölunternehmens aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. (Bild: Dragon Oil/​Wikimedia Commons)

Bei den ersten 25 UN-Klimakonferenzen gab es zwei Worte, die tabu waren: fossile Energien. Erst vorletztes Jahr auf der COP 26 in Glasgow schaffte es zumindest die Kohle in den Abschlusstext. Die Staaten einigten sich darauf, "Schritt für Schritt" aus der Kohle auszusteigen.

Die nächste Konferenz, die COP 27 in Sharm el-Sheikh, brachte keine weiteren Fortschritte. Dafür sind dieses Jahr die fossilen Energien endlich das zentrale Thema und viele Länder wollen einen Komplettausstieg beschließen.

"Wir haben große Fortschritte gemacht", sagt COP-Veteran Wendel Trio von der schwedischen Umweltorganisation Airclim. "Aber in nur zwei Jahren eine Revolution zu erwarten, ist kühn." Doch viele Länder wie die Inselstaaten und die EU werden sich mit nichts weniger zufriedengeben.

Die Aufgabe, diese Revolution zu bewerkstelligen, liege nun bei Sultan Al Jaber, dem Präsidenten der COP 28 in Dubai, meint Trio: "Alle schauen auf Al Jaber." Das liegt auch am fulminanten Start der Konferenz. Al Jaber hatte es fertiggebracht, dass die Staaten am ersten Tag der Konferenz den neuen Fonds für Verluste und Schäden verabschiedeten, und mittlerweile gibt es auch Finanzzusagen von 655 Millionen US‑Dollar für diesen Fonds.

"Unter den Verhandlern genießt Al Jaber deswegen viel Respekt, auch wenn er außerhalb der COP umstritten sein mag", sagt Trio. Dieses Kapital muss Al Jaber nun weise nutzen.

Am Sonntag lud er die Ministerinnen und Minister der knapp 200 Länder in ein "Majlis" ein, einen Raum zum Sitzen, um ihre Meinungen zu hören. Basierend darauf will er am Montag den ersten richtigen Verhandlungstext veröffentlichen, denn bislang liegen nur "Bauteile" dafür vor.

Erdölstaaten in Panik

Dabei wird er auch die Position der Mitgliedsländer des Ölkartells Opec berücksichtigen müssen. Wie diese aussieht, verrät ein Brief von Opec-Chef Haitham al-Ghais. Dieser warnt: "Der Druck gegen fossile Energien könnte einen Kipppunkt erreichen, mit irreversiblen Folgen." Aus diesem Grund bittet er die "hochverehrten" Opec-Mitglieder auf der COP 28, "proaktiv jede Formulierung abzulehnen, die sich auf fossile Energien bezieht".

Warum unter den Opec-Staaten Panik um sich greift, zeigt ein neuer Bericht des britischen Thinktanks Carbon Tracker. Von 40 untersuchten Ländern verlieren 28 mehr als die Hälfte der erwarteten Einnahmen aus Öl und Gas­, und das bereits bei einem "mäßigen" Tempo der globalen Energiewende.

Dies gilt auch für den COP‑28-Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, und seinen großen Nachbarn Saudi-Arabien. Bei beiden machen die Öl- und Gaseinnahmen rund 40 Prozent der Staatseinnahmen aus und diese Einnahmen werden um 60 Prozent sinken.

Das werde weitreichende Folgen haben, erwartet Guy Prince, einer der Autoren des Berichts: "In vielen Erdölstaaten hat sich ein politisches System etabliert, in dem die Bürger hohe Gehälter im öffentlichen Sektor, niedrige oder gar keine Steuern und einen großzügigen Sozialstaat erwarten. Die Umstrukturierung ihrer Volkswirtschaften wird wahrscheinlich parallele politische Reformen erfordern, um die Gesetzgeber rechenschaftspflichtiger zu machen und den Bürgern eine stärkere Vertretung zu geben."

Es ist also nicht erstaunlich, dass diese Aussicht in den absoluten Monarchien am Golf wie Saudi-Arabien und Kuwait, der Heimat des Opec-Chefs, Panik auslöst. Das Problem dieser Länder ist allerdings, dass ihre Panik von den anderen Entwicklungsländern nicht geteilt wird.

Andere Themen könnten wichtiger sein

China, Indien und Brasilien seien einem Ausstieg aus den fossilen Energien nicht abgeneigt, meint Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Sie wollten aber eine Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. "Für viele ärmere Länder ist diese Differenzierung entscheidend", sagt Kowalzig.

COP 28 in Dubai

Bei der 28. UN-Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten geht es um ein verbindliches Ausstiegsdatum aus den fossilen Energien. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet mehrmals täglich.

Die COP 28 wäre keine richtige COP, wenn nicht noch andere Themen eine Rolle spielen würden. Da ist zum einen die Frage, was die Staaten kurzfristig, noch in diesem Jahrzehnt, tun müssen. "Das ist vielleicht sogar wichtiger als ein langfristiges Bekenntnis zum Ausstieg aus den Fossilen bis 2050", sagt Kowalzig ­ – eine Einschätzung, die Verhandlungsexperte Trio teilt.

Außerdem soll in Dubai ein globales Anpassungsziel verabschiedet werden. In diesem Verhandlungsstrang haben die arabischen Staaten bislang aber echte Fortschritte verhindert. Aus Sicht vieler Beobachter haben sie das Thema Klimaanpassung als "Geisel" genommen, um Zugeständnisse bei den fossilen Energien heraushandeln zu können. Zudem verhindern sie damit eine Annäherung zwischen der EU und den ärmsten Ländern der Welt, für die Anpassung besonders wichtig ist.

 

In dieser Gemengelage könnte die diesjährige Klimakonferenz ähnlich enden, wie die COP 16 im mexikanischen Cancún im Jahr 2010, meint Trio. Dort hatte die Konferenzpräsidentin Patricia Espinosa die Dinge selbst in die Hand genommen und den Staaten einen Abschlusstext präsentiert, den diese nur annehmen oder ablehnen konnten.

Damals ging diese Risikostrategie gut. Sollte das Cancún-Szenario auch in Dubai zur Anwendung kommen, dann kommt alles auf einen Mann an: Sultan Al Jaber.