Sultan Al Jaber hält die stärker Einbeziehung von Ölkonzernen in den Klimagipfel für einen wichtigen Schritt. (Bild: Carbon Majors Report 2017)

"Wir kommen aus unterschiedlichen Ländern, unterschiedlichen Verhältnissen und gehören unterschiedlichen Generationen an", schallt die tiefe Stimme von Sultan Al Jaber durch den Plenarsaal. "Was uns eint, ist, dass wir uns alle dazu entschieden haben, einen Teil der Last auf unseren Schultern zu tragen."

Mit solchen gewohnt bedeutungsschwangeren Worten eröffnet Al Jaber den Weltklimagipfel COP 28.  

Seit diesem Donnerstag verhandelt die Weltgemeinschaft in Dubai darüber, wie die Erderwärmung eingedämmt werden kann. In den ersten Tagen, dem sogenannten High-Level Segment, kommen Staatschefs aus über 160 Ländern zusammen.

Alle Augen liegen dabei auf Sultan Al Jaber. Dem folgt seit seiner Ernennung zum COP-Präsidenten Anfang des Jahres auf Schritt und Tritt die Skepsis von Umweltverbänden und der Klimabewegung. Denn er ist nicht nur Konferenzpräsident, nicht nur Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch Geschäftsführer von Adnoc (Abu Dhabi National Oil Company) – dem größten staatlichen Ölunternehmen der Emirate.

Dass die Skepsis nicht unbegründet ist, haben die letzten Monate immer wieder bewiesen. Eine Vermischung seiner Tätigkeiten als Adnoc-Chef und seiner Verantwortung als COP-Präsident belegten diverse Medienberichte. Zwei Tage vor Beginn der Konferenz kam dann der nächste Hammer.

Durchgesickerte Dokumente enthüllten interne Gesprächsleitfäden. Denen ist zu entnehmen, dass Al Jaber in bilateralen Gesprächen in seiner Funktion als Konferenzpräsident auch das Ziel verfolgte, fossile Deals auszuhandeln. Das hatte vor wenigen Tagen eine Recherche des britischen Senders BBC und des Centre for Climate Reporting, einer Gruppe unabhängiger Investigativjournalist:innen, ergeben.

"Ich verspreche, dass ich in einem inklusiven und transparenten Prozess durch die Konferenz führe werden", verspricht Al Jaber in seiner Rede. Eine mögliche Bezugnahme auf die Vorwürfe? Konkret wird die Kontroverse während der Eröffnungsveranstaltung nicht erwähnt.

Al Jaber bestreitet Vorwürfe

Die durchgesickerten Leitfäden beinhalten für 13 Länder – darunter Deutschland, China und Kolumbien – Punkte, mit denen ausgedrückt werden soll, dass Adnoc an einer Kooperation in fossilen Projekten interessiert wäre.

Die Dokumente enthalten Zielsetzungen für jedes Gespräch und Informationen zu Al Jabers Gesprächspartner:innen, in der Regel Minister:innen oder andere hochrangige Regierungsvertreter:innen.

In dem Leitfaden für das Gespräch mit Deutschland steht laut dem Bericht, dass Adnoc die Lieferung von Erdgas fortsetzen könne.

Der brasilianische Umweltminister wiederum soll um Hilfe gebeten werden, damit ein Angebot von Adnoc für das größte Ölunternehmen Braskem befürwortet wird. Adnoc plant, für über zwei Milliarden Dollar einen Anteil an Braskem zu erwerben.

Wie häufig diese Punkte in den Gesprächen tatsächlich aufgebracht wurden und was daraus folgte, sei unsicher, so die Autor:innen. Nur für ein Land sei gesichert, dass derartige geschäftliche Punkte auch diskutiert wurden.

COP 28 in Dubai

Bei der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai geht es um ein verbindliches Ausstiegsdatum aus den fossilen Energien. Klimareporter° ist vor Ort und berichtet mehrmals täglich.

Die Enthüllungen stehen im groben Gegensatz zu der offiziellen Verpflichtung der COP-Präsidentschaft, unparteiisch und ohne Eigeninteresse zu agieren.

Für gewöhnlich sollen Länder in derartigen Vorgesprächen – die zu den zentralen Aufgaben der COP-Präsidentschaft zählen – dazu angehalten werden, mit klimapolitisch möglichst ambitionierten Plänen in die Verhandlungen auf dem Klimagipfel zu gehen.

Al Jaber bestreitet die Vorwürfe. "Die Anschuldigungen sind falsch, unwahr, inkorrekt und nicht akkurat", sagte er auf einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch. Es handle sich um einen Versuch, die Arbeit der Konferenzpräsidentschaft zu untergraben. Zudem bräuchten weder die Emirate noch Adnoc die Klimakonferenz, um Geschäftsverhandlungen zu führen.

Verhandlungserfolg für Al Jaber

Auch Deutschland ist mit einer 250-köpfigen Regierungsdelegation vor Ort. Bundeskanzler Olaf Scholz soll am Freitag für den ersten Teil der Konferenz anreisen. Fünf Minister:innen und diverse Staatssekretär:innen nehmen zudem für einige Tage teil.

Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt und Klima-Sonderbeauftragte, ließ den jüngsten Skandal des Gastgeberlandes in ihrer ersten Rede am Eröffnungstag unkommentiert. Erst auf Nachfrage erklärte sie, dass die Präsidentschaft an ihren Taten und Ergebnissen gemessen werde.

Der Präsident müsse unparteiisch durch die Konferenz führen und bisher habe sie auch nichts anderes gesehen, sagte Morgan.

 

Tatsächlich kann Al Jaber bereits einen großen Erfolg verbuchen. Schon am ersten Tag konnten sich die Staaten auf eine Struktur für den Fonds für Schäden und Verluste durch den Klimawandel einigen. Diese frühe Einigung bei einem der umstrittensten Themen der Konferenz ist nicht nur überraschend, sondern belegt auch eine gelungene Vorarbeit der Präsidentschaft.

Die Skepsis gegenüber Al Jaber wird damit nicht verschwinden und es sind längst nicht alle Fragen beantwortet. Mehr solcher Verhandlungserfolge können aber auch nicht schaden.

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Klimagipfel in Öl