Sebastian Sladek. (Bild: Bernd Schumacher)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Sebastian Sladek, geschäftsführender Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Klimareporter°: Herr Sladek, Fridays for Future und die Gewerkschaft Verdi wollen am 1. März gemeinsam für sozial gerechten Klimaschutz demonstrieren. Es geht auch darum, mit besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen die Grundlage für eine Verdopplung des ÖPNV-Angebots bis 2030 zu schaffen.

Dass die beiden Organisationen für Klimaschutz kooperieren, ist ja nicht neu – wäre es nicht an der Zeit, dass die gesamte Klima- und Gewerkschaftsbewegung zusammenfinden?

Sebastian Sladek: Dass beim Klimaschutz der große Bogen über alle Gerechtigkeitsthemen gespannt werden kann und wird, diese Tendenz kann man tatsächlich im aktivistischen Spektrum schon eine ganze Weile beobachten.

Eine klimagerechte Transformation der Gesellschaft wird ohne soziale Gerechtigkeit und die Teilhabe möglichst vieler Menschen nicht gelingen. Die erneuerbaren Energien sind dazu prädestiniert, auch in diesem Kontext die Schlüsselrolle zu spielen – wegen der Vielzahl an Technologien, ihren Kombinationsmöglichkeiten und der Anpassbarkeit an die jeweilige Situation vor Ort sowie den sehr unterschiedlichen installierbaren Anlagengrößen vom Watt- bis in den Megawatt-Bereich .

Darum würde ich es begrüßen, wenn sich noch mehr Gewerkschaften anschlössen, um sich für eine gerecht gestaltete ökologische Zukunftstransformation einzusetzen. Sie könnten so auch der sich hartnäckig haltenden Mär entgegentreten, Klimaschutz und Energiewende würden auf dem Rücken der Schwächsten der Gesellschaft durchgezogen. Denn im Gegenteil liegen hier eine Menge Chancen für diese Bevölkerungsgruppen.

Wie Klimaschutz mit Fragen globaler Verteilungsgerechtigkeit, mit Rohstoffen, Gendergerechtigkeit und auch mit dem Zurückdrängenden des erstarkenden Rechtsextremismus zusammenhängt, behandeln wir auch in unserer aktuellen EWS-Kampagne "Klimagerechtigkeit Jetzt!". Die möchte ich allen ans Herz legen. Wer sich noch nicht angemeldet hat, sollte es gleich zu tun, es lohnt sich!

Letzte Woche gab es im Bundestag eine Anhörung zu dem Gesetz, das die Installation sogenannter Balkonkraftwerke durch Mieter künftig als "privilegierte Maßnahme" einstufen soll, sodass Vermieter dies nicht mehr pauschal ablehnen können. Reicht das Gesetz aus, um endlich die größten Hürden für einen Balkonsolar-Boom zu beseitigen?

Balkonkraftwerke markieren einen ersten Schritt hin zu einer bürgereigenen Stromversorgung und stärken die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende. Die Installation solcher Solarsteckergeräte sollte deshalb so einfach wie möglich gestaltet sein.

Den Gesetzentwurf zur "Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten" aus dem Justizministerium sehen wir als wichtigen Schritt für den weiteren Ausbau. Vorgesehen ist, dass Balkonkraftwerke in die Liste der privilegierten Maßnahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches beziehungsweise des Wohneigentumsgesetzes aufgenommen werden – ähnlich wie Wallboxen für Elektrofahrzeuge.

Dann können Solarmodule für den Balkon nicht mehr ohne triftigen Grund verboten werden. Allerdings bleibt das Mitspracherecht von Eigentümergemeinschaften, Vermietenden oder der Hausverwaltung bestehen. Hier sehen wir die Notwendigkeit für Konkretisierungen, um den Mieter:innen mehr Rechts- und Planungssicherheit zu bieten.

Im Solarpaket eins, dessen Verabschiedung sich nun erneut verzögert, sind ebenfalls wichtige Regelungen für Balkonkraftwerke vorgesehen. Das Paket sieht Erleichterungen für ihren Betrieb vor, vor allem den Abbau bürokratischer Hürden, wie eine Erhöhung der Bagatellgrenze von 600 auf 800 Watt, eine vereinfachte Anmeldung oder die Akzeptanz des normalen Schuko-Steckers.

Darüber hinaus ist die VDE-Produktnorm von Bedeutung: Der Elektrotechnik-Verband VDE arbeitet an einer Produktnorm für Balkonkraftwerke, die ein transparentes Regelwerk zu Sicherheitsanforderungen schaffen soll, auf das sich Hersteller und Händler beziehen können. Die Erhöhung der Bagatellgrenze von 600 auf 800 Watt wird letztendlich hier geregelt. Die Bundespolitik bezieht sich auf laufende Normungsprozesse.

Es geht also nicht nur um den Gesetzentwurf aus dem Justizministerium. Gleichzeitig muss auch an anderen Schrauben gedreht werden, damit "Steckersolar" weiter Fahrt aufnimmt.

Werden all diese Prozesse im Sinne einer bürgernahen Energiewende gestaltet, bin ich zuversichtlich, dass dies zu einer starken Nachfrage und dem entsprechenden Ausbau von Balkonkraftwerken führen wird. Sie sind eine hervorragende Möglichkeit, Akzeptanz und Teilhabe an der Energiewende zu fördern und gleichzeitig die Stromrechnung der Bürgerinnen und Bürger zu entlasten.

Die Ministerien für Wirtschaft, Umwelt und Landwirtschaft wollen ihren Entwurf der Nationalen Biomassestrategie jetzt mit Verbänden und Zivilgesellschaft diskutieren. Wenn Deutschland bis 2045 fossile Brenn- und Rohstoffe ausmustert, soll für viele Anwendungen Biomasse bereitstehen – etwa als Holz zum Bauen, als Pflanzenmaterial für die Chemie oder auch als Treibstoff dort, wo Stromantriebe möglicherweise nicht sinnvoll sind. Die größte Menge an Biomasse wird auch künftig zur Ernährung benötigt.

Wie sehen die EWS Schönau eigentlich den künftigen Einsatz von Biomasse?

Man kann der Bundesregierung definitiv nicht vorwerfen, dass sie untätig ist. Selbst wenn Gesetzesverfahren wegen der politischen Spannungen zwischen den Koalitionspartnern immer häufiger ins Stocken geraten – siehe Solarpaket eins oder Wachstumschancengesetz –, arbeitet die Ampel mit der Biomassestrategie ein weiteres Detail ihres Koalitionsvertrages ab.

Gleichzeitig ist die Biomassestrategie ein gutes Beispiel für den mittlerweile hektischen Abarbeitungsmodus der Koalitionäre. Dem fällt offenbar immer häufiger der Blick für das Wesentliche zum Opfer.

So hätte die Ampel mittels dieser Strategie einen zentralen Pflock einschlagen können und müssen, um zum Beispiel viel stärker den unterschiedlichen regionalen BedingungenRechnung zu tragen und für die Wärmeversorgung möglicherweise vorhandene Potenziale nachhaltiger Biomasse zu heben.

Stattdessen setzt die Bundesregierung bei der Wärme immernoch viel zu sehr auf Flüssigerdgas und auf das Luftschloss Wasserstoff. Das ist bereits im Ansatz viel zu einseitig und zentralistisch gedacht.

Keine Frage, auch die Nutzung der Holzenergie ist nicht ohne Nebenwirkungen. Zum Beispiel spüren wir gerade in den Kessellagen des Schwarzwaldes das in den kalten Wintertagen mit der Holzverbrennung einhergehende Aufkommen von Feinstaub.

Gerade deshalb plädieren wir immer wieder dafür, die im Schwarzwald reichlich vorhandene Rest- und Totholzbestände ausschließlich für die Wärmeversorgung über Nahwärmenetze zu nutzen. Diese verfügen in ihren Heizzentralen über hocheffiziente Filteranlagen – im Gegensatz zu individuellen Holzheizungslösungen.

Mit Nahwärmenetzen lassen sich so nicht nur Feinstaubemissionen reduzieren, sondern auch Importe teurer fossiler Energieträger vermeiden und lokale Wertschöpfungsketten stärken, denn unsere Biomasse-Lieferanten stammen aus der Region.

Aus Sicht der EWS ist die Nutzung nachhaltig gewonnener, regionaler Biomasse kurz- bis mittelfristig ein wichtiger Baustein einer klimaneutralen Wärmeversorgung. In manchen Regionen kann Biomasse sogar dauerhaft deren Rückgrat bilden.

Natürlich gilt es, parallel dazu mit Hochdruck alternative Energieträger und Technologien fit zu machen, zum Beispiel Solarthermie und Großwärmepumpen, aber auch die Einbindung industrieller Abwärme in Wärmenetze.

Gerade bei diesen Technologien sehen wir auch bei uns in Südbaden enormes Potenzial, um Bürgerinnen und Bürgern sowie Industrie und Gewerbe mittel- bis langfristig klimaneutrale Wärme zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu stellen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Meine Überraschung der Woche ereilte mich bereits am vergangenen Sonntag, ich konnte quasi die ganze Woche davon zehren.

Bei ihrem Debüt in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" behauptete die Moderatorin Andrea Maurer einfach mal, der Atomausstieg hätte Energiepreissteigerungen und Wohlstandsverlust zur Folge gehabt, und wollte dies dann auch noch Wirtschaftsminister Habeck in die Schuhe schieben.

Bereits eine kritische Auseinandersetzung mit dem Merit-Order-Mechanismus auf dem Strommarkt zeigt, dass die behaupteten Ursache-Wirkungs-Beziehungen nicht existieren. Die Merit Order sorgt dafür, dass der Preis des letzten für die Versorgung noch nötigen Kraftwerks den Preis für alle anderen setzt.

Dank der mit Steuergeldern künstlich gedrückten Gestehungskosten steht ein Atomkraftwerk hier ganz vorn in der Reihe. Bei einem Preisniveau, das sich nach dem letzten benötigten Kraftwerk richtet – meist ein Gaskraftwerk –, war und ist ein preissenkender Einfluss des ersten auf das letzte Kraftwerk marginal bis nicht existent, zumindest für die Endverbraucher.

Vielmehr wird andersherum ein Schuh draus, und das gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen hat Atomkraft zu keinerlei wahrnehmbarer Absenkung des Strompreisniveaus geführt.

Im Gegenteil, die letzten drei Atomkraftwerke haben sich mittels dieses Preisniveaus einen wahrlich goldenen Abgang verschafft – und dank der "German Angst" auch noch drei Monate länger als ursprünglich beschlossen. Für die Versorgungssicherheit notwendig war dieser Weiterbetrieb keineswegs, für den Geldbeutel der Betreiber war es trotzdem schön.

Zum anderen haben zeitgleich in Frankreich die Witterungsbedingungen zum wiederholten Mal zum Ausfall erheblicher Erzeugungsleistung der angeblich so zuverlässigen Atomkraft geführt. Dieser zusätzliche französische Bedarf wurde durch Nachbarstaaten und deren – nicht zuletzt erneuerbare – Erzeugungsleistung abgedeckt, mit entsprechenden Folgen für das Preisniveau.

Die Atomkraft war in der Energiekrise sehr deutlich Teil des Problems und nicht der Lösung. Eine höhere regenerative Erzeugungsleistung in Deutschland und Europa wäre hingegen ein Schlüssel gewesen, die Krise der fossilen Energien und ihre preisliche Wirkung deutlich abzumildern.

Da erscheint es fast so, als seien Andrea Maurer und andere hier einer Art von Stockholm-Syndrom erlegen.

Dass es sehr gut ohne Atomkraft geht, zeigen die Erfahrungen der letzten Monate in Deutschland: Die Handelspreise bei Strom fallen, es wird weniger Kohle verstromt, die Versorgung ist sicher, der Anteil der Erneuerbaren am Strommix ist so groß wie nie – und das, obwohl der Krieg in der Ukraine mit unverminderter Heftigkeit anhält, wir noch im Monat Februar sind und Deutschland genauso wenig Gaslieferungen aus Russland bekommt. Dieselben Rahmenbedingungen also, aber andere Preise.

Spätestens hier könnte man sich, erst recht als kritischer journalistischer Geist, schon auch fragen, welchen Einfluss die großen europäischen Stromerzeuger – und, ja, auch Atomkraftwerksbetreiber – da wohl genommen haben. Immerhin können einige nach etlichen mageren Jahren nun wieder fette Gewinne ausweisen.

Dazu wünschte man sich eine ordentliche Recherche und ein kritisches Nachfragen bei diesen Akteuren – anstatt den populistischen Käse, den ihre PR-Abteilungen absondern, einfach unreflektiert wiederzukäuen. Ausgerechnet in ihnen auch noch die Rettung sehen zu wollen, das fiele mir jedenfalls nie ein.

Denn zutreffend ist vielmehr: Mit deutlich mehr erneuerbarer Erzeugungsleistung in Europa wäre diese Energiepreiskrise so nicht möglich gewesen.

Dass solche falschen Erzählungen aus der Union kommen, um der politischen Konkurrenz zu schaden, vom eigenen politischen Versagen abzulenken oder schlicht, um dem eignen Atomfetischismus zu frönen – daran hat man sich ja leider schon gewöhnen müssen.

Dass jedoch ein derart unterkomplexes Framing seinen Weg in eine öffentlich-rechtliche Sendung mit journalistischem Anspruch findet, zeugt von einem weiteren Verfall der Informations- und Diskussionskultur. Eine bedenkliche Entwicklung – und kein gutes Omen für ein Superwahljahr, wo so viel auf dem Spiel steht.

Fragen: Jörg Staude

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