Frankreich mit seinem großen AKW-Park galt bisher als Billigstromland. Allerdings werden die Elektrizitätspreise hier vom Staat künstlich niedrig gehalten. Diese Praxis geht nun zu Ende. Die gedeckelten Preise für Atomstrom werden ab 2026 deutlich erhöht, und zwar um 67 Prozent.

Darauf haben sich die Regierung in Paris und der staatliche Energiekonzern EDF geeinigt. Ob die Erhöhung ausreicht, um die Atomkraftwerke kostendeckend zu betreiben und die geplante Serie neuer Reaktoren zu finanzieren, bleibt trotzdem fraglich.

 

Bisher beträgt der festgelegte Großhandelspreis für Elektrizität aus französischen Atomkraftwerken nur 4,2 Cent pro Kilowattstunde. In gut zwei Jahren sollen es dann sieben Cent sein.

Hintergrund der Neufestsetzung ist, dass Ende 2025 das sogenannte Arenh‑System ausläuft, in dem geregelt ist, dass EDF bis zu 100 Milliarden Kilowattstunden Strom an Wettbewerber zu diesem gedeckelten Preis verkaufen muss. Künftig soll der höhere Preis allerdings für die gesamte französische AKW-Produktion gelten.

Der EDF-Konzern ist finanziell in Schieflage. Das zwischenzeitlich teilprivatisierte Unternehmen wurde daher in diesem Jahr von der Regierung Macron mit einem Kostenaufwand von knapp zehn Milliarden Euro wieder komplett verstaatlicht.

Laut dem letzten Halbjahresbericht betragen die EDF-Schulden rund 68,8 Milliarden Euro, allein 2022 gab es einen Rekordverlust von knapp 18 Milliarden Euro. Dazu trug die Abschaltung eines Großteils der französischen Reaktoren wegen Sicherheitsproblemen und Reparaturen bei. Laut EDF sank die Atomstromproduktion 2022 um 82 Milliarden auf 279 Milliarden Kilowattstunden. Das war der niedrigste Stand seit über 30 Jahren.

Fachleute zweifeln an Kostenschätzungen

Um das Netz stabil zu halten, musste der Konzern Strom am europäischen Markt zukaufen. Alle Nachbarländer, darunter Deutschland, mussten Frankreich aushelfen. Inzwischen läuft die Mehrzahl der AKW wieder, allerdings sind weiterhin nur rund 44.000 von insgesamt möglichen 61.000 Megawatt Leistung am Netz.

Fachleute erwarten, dass die EDF-Schulden bis zur Preiserhöhung 2026 weiter anwachsen werden. Dabei muss der Konzern in den nächsten Jahren enorme Investitionen sowohl im Atomkraft- als auch im Erneuerbaren-Sektor schultern.

Die Kosten der beschlossenen Verlängerung der Betriebsdauer bestehender AKW auf 50 Jahre oder mehr werden auf rund 66 Milliarden Euro geschätzt, für den Bau neuer Rektoren sind 56 bis 58 Milliarden veranschlagt, und der Rückbau stillgelegter Reaktoren soll 18 Milliarden kosten.

Nicht nur Atomkritiker warnen, dass diese Schätzungen zu niedrig liegen. Auch der staatliche Rechnungshof geht von deutlich höheren Kosten etwa für die Stilllegung aus.

Die Regierung in Paris will sechs neue Großreaktoren vom Typ EPR bauen lassen, der erste Doppelreaktor soll am bisherigen AKW-Standort Penly in der Normandie entstehen. Bei Bauzeiten von zehn Jahren und mehr dürfte er freilich nicht vor 2035 in Betrieb gehen.

Fachleute bezweifeln, dass die Kostenschätzungen für die sechs neuen AKW von unter 60 Milliarden Euro und die veranschlagten Summen für die Laufzeitverlängerung und den Rückbau stillgelegter Reaktoren realistisch sind. Sie verweisen auf den EPR-Prototyp in Flamanville am Ärmelkanal, der derzeit noch im Bau ist und 2025, mit zwölf Jahren Verspätung, ans Netz gehen soll.

Die Baukosten sind hier laut EDF von 3,3 auf 13,2 Milliarden Euro angestiegen. Eine ähnliche Kostensteigerung gab es auch beim zweiten EPR-Projekt in Finnland, und ein weiterer Doppelreaktor-Neubau in Großbritannien wurde zuletzt auf Kosten von umgerechnet rund 38 Milliarden Euro taxiert.

Auswirkungen auf Haushalte noch unklar

Neben der Atomenergie baut Frankreich als weitere Säule die Offshore-Windenergie kräftig aus. Für 2025 plant die Regierung hier laut dem Branchendienst IWR aus Münster die Ausschreibung von Anlagen mit einer installierten Leistung von 10.000 Megawatt. Im Jahr 2050 sollen 45.000 Megawatt erreicht sein.

Geplant sind konventionelle und schwimmende Offshore-Windparks, zudem sollen Konzepte zur Produktion von grünem Wasserstoff direkt auf dem Meer umgesetzt werden.

Wie sich die neue Festsetzung des Atomstrom-Preises auf die französischen Haushaltskunden auswirken wird, ist noch offen. Bisher übernimmt der Staat über die Preisdeckelung quasi gut ein Drittel der Stromrechnung. Energiewende-Ministerin Agnès Pannier-Runacher teilte mit, 2024 werde die Regierung den Anstieg für die Verbraucher noch auf zehn Prozent begrenzen.

 

Im ersten Halbjahr dieses Jahres betrug der Strompreis für Haushalte inklusive der Abgaben laut der EU-Statistikbehörde Eurostat in Frankreich im Schnitt 23,7 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 41,3 Cent, der Mittelwert aller EU-Länder lag bei 28,9 Cent.

Der französische Strompreis dürfte sich künftig also zumindest in der Umgebung des EU-Durchschnitts bewegen. Hinzu kommt, dass französische Haushalte durch das verbreitete Heizen mit Strom in vielfach schlecht gedämmten Gebäuden trotz der vergleichsweise niedrigen Kilowattstundenpreise oft sehr hohe Energierechnungen haben.

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