Nun steht endlich der fossile Ausstieg im Abschlussdokument eines Klimagipfels, aber was bedeutet das wirklich? (Bild: Rodion Kuzajew/​Wikimedia Commons)

So richtig zufrieden ist Simon Stiell mit dem Paragrafen zu Fossilem in der Abschlusserklärung des Klimagipfels COP 28 nicht. Auch wenn dies nicht das Ende des fossilen Zeitalters bedeute, so der Chef des UN-Klimasekretariats, so sei es doch der "Anfang vom Ende".

Nachdem die Staaten lange um die Formulierung für das Ziel gerungen hatten, konnten sie sich kurz vor Ende einigen auf: transitioning away from fossil fuels in energy systems. Alle Länder werden also zu einer Abkehr von fossilen Brennstoffen in Energiesystemen angehalten.

Zuvor wurden in mehrfachen Iterationen verschiedene Formulierungen diskutiert: Ausstieg oder Reduzierung (phase‑out oder phase-down) aller fossilen Energien, oder nur von "unverminderten" fossilen Energien, oder nur von Kohle, nur von unverminderter Kohle und so weiter und so fort.

Unvermindert (unabated) bezieht sich auf die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas ohne die Nutzung von CO2-Abscheidungs- und Speichertechnologien (CCS).

Die Kritik an den fossilen Energien ist so alt wie die wissenschaftliche Gewissheit eines menschengemachten Klimawandels. Kohle, Öl und Gas sind für drei Viertel aller Treibhausgase verantwortlich.

Dennoch wurden sie in keinem Abschlussdokument der 27 vorherigen Klimagipfel namentlich erwähnt. Nur Kohle schaffte es schon zwei Jahre zuvor in die Erklärung von Glasgow mit der vorsichtigen Formulierung: Länder sollen die Verstromung "unverminderter Kohle", also Kohle ohne CCS, verringern.

"Rein politisch gesehen ist die Erklärung angesichts der enormen Widerstände ein Fortschritt. Wissenschaftlich gesehen reicht sie aber natürlich in keiner Weise aus", sagt Wolfgang Lucht, Ko-Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Das Dokument beschreibe die Dringlichkeit der Sachlage sehr klar, ziehe aber recht unverbindliche Schlussfolgerungen, so Lucht im Gespräch im Klimareporter°. All die Formulierungen – phase‑out, phase‑down, transitioning – hätten ohne feste Verbindlichkeiten, wie zum Beispiel Zwischenziele, kaum Aussagekraft.

Uneinigkeit in der Wissenschafts-Community

Ebenso unscharf ist der Begriff "unvermindert". Auch in der Erklärung von Dubai findet sich das in Glasgow verwendete unabated wieder – Kohleverstromung aus unverminderter Kohle soll reduziert werden.

 

Müssen die gesamten Emissionen bei der Verbrennung abgeschieden und gespeichert werden? Das ist nach heutigem Technikstand nicht möglich. In der Regel landen mindestens zehn Prozent der Emissionen in der Atmosphäre.

Darf es dann schon als "unvermindert" gelten, wenn nur zwanzig, zehn, fünf Prozent der Emissionen abgefangen werden?

Diese fehlende Definitionsgenauigkeit im Diskurs sorgt auch innerhalb der Wissenschafts-Community für Verwirrung. Das zeigen jüngste Reaktionen auf Äußerungen des COP‑28-Präsidenten Sultan Al Jaber. Dieser hatte einige Tage vor Beginn des Klimagipfels behauptet, es gebe keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Ausstieg aus den fossilen Energien für das 1,5‑Grad-Ziel notwendig ist.

Zahlreiche Wissenschaftler:innen widersprachen. Darunter auch Joeri Rogelj, Professor für Klimawissenschaften am Imperial College London. Rogelj erklärte, dass jedes Szenario des Weltklimarates IPCC im Einklang mit 1,5 Grad einen "De‑facto-Ausstieg aus den fossilen Energien" bis 2050 vorsehe.

Völlig gegenteilig liest sich die Reaktion von Myles Allen, Professor für Geosystemwissenschaften in Oxford. Allen rügte die vorschnelle Verurteilung von Al Jabers Aussage und erklärte: "Alle 1,5‑Grad-Szenarien, die CO2-Speichertechnologien zulassen, erlauben die Nutzung fossiler Energien auch nach dem Jahr 2100."

Am Ende widersprechen sich diese beiden Aussagen nur durch den Interpretationsspielraum, den sie zulassen. Es gibt einen breiten wissenschaftlichen Konsens, dass fossile Restenergien in manchen Sektoren noch lange existieren werden. Gleichzeitig ist klar, dass die Produktion und der Verbrauch fossiler Brennstoffe bis Mitte dieses Jahrhunderts drastisch reduziert werden müssen.

IPCC-Modelle basieren auf fragilen Annahmen

Während einer Pressekonferenz in Dubai machte der Klimaforscher und Direktor des Potsdam-Instituts Johan Rockström deutlich: "Die IPCC-Szenarien im Einklang mit 1,5 Grad gehen von einem rapiden Ausstieg aus fossilen Energien aus und beinhalten zusätzlich sehr optimistische Annahmen über den Ausbau von CO2-Entnahme- und Speichertechnologien. Diese Technologien können also kein Argument für einen verzögerten fossilen Ausstieg sein."

Im aktuellen IPCC-Bericht, dem "Goldstandard" der weltweiten Klimaforschung, heißt es zu den besagten Szenarien, dass zur Einhaltung des 1,5‑Grad-Limits die globale Nutzung von Kohle, Öl und Gas bis 2050 um 95, 60 und 45 Prozent reduziert werden muss. Ist das nun ein phase‑out, ein phase‑down oder ein transitioning away von fossilen Energien?

Allerdings sind auch diese IPCC-Szenarien nicht unumstritten. Ab 2050 müssten gemäß den mit 1,5 Grad kompatiblen Szenarien weltweit etwa zehn Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden – und das jedes Jahr. Das ist mehr, als gegenwärtig alle Wälder der Erde aufnehmen.

Die IPCC-Szenarien basieren auf klimaökonomischen Rechenmodellen, die den wirtschaftlich günstigsten Pfad beschreiben. Diese Modelle beruhen aber auf zahlreichen Annahmen über künftige Entwicklungen bei Kosten und Technologien.

CO2 kann zum Beispiel direkt aus der Luft entfernt werden – mit Technologien, die aber enorm teuer und energieintensiv sind. Oder das Treibhausgas wird durch das Vegetationswachstum in weltweit angelegten Plantagen gebunden, so die Annahme in den Modellen. "Das ist ökologisch nur in einem sehr begrenzten Ausmaß vertretbar", kritisiert Wolfgang Lucht. "Man kann dieses Problem nicht nur ökonomisch betrachten."

 

Dahinter liege eine Strategie, die fast etwas unehrlich sei, gibt Lucht zu bedenken. "In den Szenarien wird der heutigen Gesellschaft ein rascher, entschlossener Umstieg auf erneuerbare Energien nicht zugemutet. Im Gegenzug wird aber als problemlos angenommen, dass eine zusätzliche, künstliche CO2-Senke von planetarem Ausmaß in nur wenigen Jahrzehnten etabliert und betrieben wird", so der Erdsystemwissenschaftler, der selbst an einigen IPCC-Berichten mitgewirkt hat.

"Wir wälzen die Verantwortung damit zum eigenen Vorteil auf unsere Kinder ab. Man könnte sagen, wir stellen einen ungedeckten Scheck auf die Zukunft aus."

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