Luftaufnahme: Um- und Ausbau des Autobahndreiecks Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern.
Neue Autobahnen brauchen wir nicht, da sind sich Fridays for Future und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi einig. (Foto: Robert Grahn/​Euroluftbild/​Wikimedia Commons)

Wer wissen will, wo heute im Nahverkehr gestreikt wird, muss sich in der vertrackten Tarifstruktur der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auskennen. Ganz oben geht es gerade um den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Da sitzen sich Gewerkschafter und die Arbeitgeber des Bundes und der Kommunen gegenüber. Die Länder haben ihre eigene Tarifrunde.

Eingeschlossen in die Bund/Kommunen-Verdi-Tarifrunde sind in sechs Bundesländern aber auch Beschäftigte des öffentlichen Nahverkehrs, und zwar in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Dort gilt der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes auch im Nahverkehr, weil die Unternehmen in kommunalen Händen liegen.

Letzte Woche traf man sich zur zweiten Verhandlungsrunde. Bund und kommunale Arbeitgeber boten dabei ein Lohnplus von fünf Prozent in zwei Stufen bei 27 Monaten Laufzeit an, dazu eine Einmalzahlung von 2.500 Euro in zwei Raten.

Als Gegenleistung verlangen die Arbeitgeber eine Art "Sonderopfer" von einzelnen Beschäftigtengruppen in Krankenhäusern, Sparkassen und der Versorgungswirtschaft. Das heißt: Die Beschäftigten dort sollen was abgeben.

All das ist für Verdi-Vize Christine Behle ein "völlig inakzeptables" Angebot und eine Provokation ohnegleichen. Die Beschäftigten ließen sich das nicht gefallen und kämpften jetzt noch entschlossener für ihre Forderungen, sagte sie am Dienstag in Berlin bei einem gemeinsamen Pressetermin mit der Klimabewegung Fridays for Future.

Verdi selbst fordert in der Tarifrunde für die Angestellten von Bund und Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Busse und Bahnen stehen für einen Tag still

Um dem Nachdruck zu verleihen, gibt es heute in den sechs Bundesländern Warnstreiks, stehen Busse und Bahnen den ganzen Tag still. Dass gerade an diesem Freitag gestreikt wird, ist kein Zufall.

Denn für den heutigen 3. März hatte Fridays for Future schon länger zum Klimastreik aufgerufen. In 200 Orten planen Klimaschützer Aktionen – und mittlerweile in rund 40 Orten gemeinsam mit Verdi. Schwerpunkt ist der Einsatz für eine echte Verkehrswende.

Die Kooperation ist nichts Neues. Schon im Juli 2020 hatten Verdi und Fridays for Future eine Allianz für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV und für den Klimaschutz gebildet. Eine Verkehrswende könne es nur mit attraktiven Arbeitsplätzen und mehr Personal geben, hieß es damals.

Seitdem gingen mehr als zwei Jahre in Land. Die Gründe, für die Verkehrswende auf die Straße zu gehen, nahmen zu. Der Verkehrssektor sei das "absolute Schlusslicht" in der Klimabilanz aller Sektoren, sagte Lou Töllner von Fridays für Future beim Pressetermin.

Für eine Verkehrswende brauche es mehr als ein Tempolimit, sagte sie. Der Autoverkehr müsse bis 2030 halbiert werden, die Kapazität des öffentlichen Verkehrs verdoppelt und die Fahrpreise gesenkt werden, forderte die Aktivistin.

Doch als ob die Ampel-Regierung das nichts anginge, diskutiere sie über neue Autobahnprojekte, kritisierte Töllner. Wer jetzt Autobahnen ausbaue, dürfe sich nicht wundern, wenn die Leute weiter das Auto nutzten, betonte sie und forderte einen Ausbaustopp.

Bewegungs-Kooperation bisher die Ausnahme

Mit den Anti-Beton-Forderungen der Klimabewegung kann sich offenbar auch die Gewerkschaft anfreunden. Verdi setze sich für die Stärkung des öffentlichen und nicht des Individualverkehrs ein, erklärte Vizechefin Behle auf Nachfrage. Eine reine Antriebswende, wie sie die Bundesregierung vorhabe, bleibe ohne positiven Effekt.

Zu dem von Fridays for Future verlangten Autobahn-Moratorium sagte Behle: "Jede Brücke, die saniert wird, hat einen höheren Wert als eine neue Autobahn, die nur dazu führt, dass es mehr statt weniger Verkehr gibt."

Es gebe genug Möglichkeiten, in den Bestand zu investieren, statt neue Projekte übers Knie zu brechen, die nicht klimafreundlich seien. Insofern sei Verdi da mit den Fridays-Jugendlichen "nicht auseinander", betonte die Spitzengewerkschafterin.

Bei allen gegenseitigen Komplimenten, die sich die Dienstleistungsgewerkschaft und die Klimabewegung dieser Tage machen, ist nicht zu übersehen, dass die Kooperation eine Ausnahme darstellt. Ob es anlässlich des heutigen Klimastreiks Kontakte zu anderen DGB-Gewerkschaften wie der mächtigen IG Metall gebe, dazu wollte Fridays for Future nichts Näheres sagen.

Man sei sich als Klimabewegung bewusst, welche wichtige Rolle Gewerkschaften in der Gesellschaft spielten, erklärte Töllner auf Nachfrage nur. Deswegen gebe es einen Austausch unterschiedlichsten Gewerkschaften. Zum Aktionstag sei jetzt gerade die Zusammenarbeit mit Verdi besonders wichtig.

Von IG-Metall-Chef Jörg Hofmann war zuletzt zum Thema Antriebswende nur zum wiederholten Mal zu hören, dass die Autoindustrie zu zögerlich beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos sei. Das sei ein Hemmnis für viele potenzielle Käufer.

Interview:

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