Für die Klimapolitik werden eigentlich alle Hände gebraucht. (Bild: Heide Pinkall/​Shutterstock)

Auf der Tagesordnung der jetzigen letzten Bundestags-Sitzungswoche 2023 stehen sie nicht und werden dort auch, wie inzwischen bekannt, nicht mehr auftauchen: das "Gesetz zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung", das sogenannte Solarpaket eins, sowie das "Zweite Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes", also das neue Klimaschutzgesetz.

Dabei war das Solarpaket bereits Mitte August vom Kabinett verabschiedet worden, der Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes sogar schon am 21. Juni. Die monatelange und nun vorerst ergebnislose Hängepartie sorgt unter Energiewende-Verbänden und Umweltschützern für erhebliche Verstimmung.

Es sei "bedauerlich, dass die Koalition nicht mehr die Kraft findet", das Solarpaket, über das sie sich eigentlich vollständig geeinigt habe, in dieser Woche zu verabschieden, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer beim Erneuerbaren-Verband BEE. Angesichts der Herausforderungen beim Haushalt wäre das zugleich ein gutes Zeichen der Handlungsbereitschaft der Ampel gewesen, so Axthelm.

"Weiteres Armutszeugnis für die Ampel"

Für Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist der solare Aufschub nur ein weiteres Armutszeugnis für die Ampel. Durch deren Uneinigkeit würden zentrale Projekte wie vereinfachter Nachbarschaftsstrom und Regelungen für Solarbalkonmodule weiter verschleppt.

 

Die DUH-Geschäftsführerin hat eigentlich noch Wünsche für das Solarpaket. Bisher hat es beispielsweise der bundesweit einheitliche Solarstandard für alle Gebäudetypen nicht in die Gesetzesvorlage geschafft. Auch das Energy Sharing werde nur stiefmütterlich behandelt, bemängelt Metz. Sie verlangt von der Bundesregierung, 2024 endlich den Solar-Turbo zu zünden.

Auch Carsten Körnig vom Branchenverband BSW Solar bedauert, dass eine Einigung der Koalition zum Solarpaket zu scheitern drohe. Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lässt er als Begründung dafür nicht gelten. Unterm Strich, so Körnig, seien mit dem Solarpaket "keine relevanten Mehrkosten" zu erwarten.

Der BSW-Geschäftsführer bezieht sich dabei auf das kürzliche Urteil aus Karlsruhe, laut dem das Verschieben von 60 Milliarden Euro Coronahilfen in den Klima- und Transformationsfonds unrechtmäßig und nichtig ist. Das Urteil hat eine anhaltende Haushaltskrise ausgelöst.

Nach Einschätzung des BSW Solar sorgt das Photovoltaik-Paket mit einer Reihe von Maßnahmen zum Bürokratieabbau für jährliche Einsparungen im mehrstelligen Millionenbereich. Damit ließen sich die vorübergehend höheren Kosten von Solarprodukten aus europäischer Fertigung kompensieren, betont Körnig.

Windbranche hofft auf Fristverlängerung für Nachtkennzeichnung

Die Windkraft-Branche hofft ihrerseits, dass die Verschiebung des Solarpakets wenigstens genutzt wird, um in den letzten Beratungstagen des Bundestages noch einen am Wochenende bekannt gewordenen Änderungsantrag zum Gesetz einfließen zu lassen.

Der Antrag sieht vor, die Frist zur Einhaltung der gesetzlichen Pflicht zur Nachtkennzeichnung zu verlängern. Diese sollten alle Windparks eigentlich bis Ende 2023 erfüllen. Das erscheint wegen fehlender Zulieferungen, Prüfkapazitäten und Genehmigungen nicht mehr realistisch. Ohne Fristverlängerung drohen Abschaltungen.

Im Antrag wird weiter vorgeschlagen, Windprojekten, die bis Ende 2022 in einer Ausschreibung von der Bundesnetzagentur den Zuschlag erhielten, eine sechs Monate längere Realisierungsfrist einzuräumen. Aufgrund der in der Energiekrise gestiegenen Kosten waren viele Projektierer stark belastet und mussten Projekte aufschieben. Damit drohen jetzt happige Strafzahlungen.

Eine dritte Änderung sieht Lockerungen bei der Direktvermarktungspflicht EEG-geförderter Anlagen vor. Diese drei Änderungen sollen nunmehr am Freitagnachmittag im Bundestag beschlossen werden, der "Rest" des Solarpakets folgt dann später.

Für Freitag steht jetzt auf der Tagesordnung eine entsprechende Beschlussvorlage des Ausschusses für Klimaschutz und Energie unter der Bezeichnung "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zur Vermeidung kurzfristig auftretender wirtschaftlicher Härten für den Ausbau der erneuerbaren Energien".

Matthias Miersch, Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, wies gegenüber Klimareporter° darauf hin, dass der Name Solarpaket in die Irre führe. Das Paket umfasse inzwischen auch viele Maßnahmen für die Windkraft. "Bisher konnten noch nicht alle Punkte dieses umfangreichen Pakets abschließend geklärt werden", erklärte Miersch auf Nachfrage.

Er sei aber zuversichtlich, so Miersch weiter, dass dies zeitnah zu Beginn des kommenden Jahres gelingen werde. Die Maßnahmen zur Stärkung der heimischen Solarwirtschaft seien dabei von besonderer Bedeutung. "Wir hätten uns gewünscht, sie schon in dieser Woche auf den Weg zu bringen", bedauerte Miersch die Verzögerung in diesem Punkt.

FDP verweigert sich EU-rechtskonformer Korrektur

Der SPD-Energiepolitiker bestätigte zugleich, dass auch das Klimaschutzgesetz noch in den parlamentarischen Verhandlungen feststeckt. Bereits zuvor war aus dem Bundestag zu hören, dass die Novelle nicht wie geplant zum Jahresende beschlossen wird.

Zum weiteren Vorgehen sagte Miersch nur, zu der Vorlage liefen noch intensive parlamentarische Verhandlungen. "Unser Ziel ist mehr Klimaschutz in der Gesetzesnovelle. Bis wann dies erreicht werden kann, lässt sich zurzeit nur schwer abschätzen", sagte der Fraktionsvize der SPD.

Beim Klimaschutzgesetz soll sich vor allem die FDP nach wie vor der Kritik an den vorgeschlagenen Regelungen verschließen. So hatten nahezu alle Sachverständigen bei der Ausschuss-Anhörung zum Gesetz darauf hingewiesen, dass die künftige Beschränkung auf eine Gesamtverantwortung der Regierung zur Einhaltung des jährlichen CO2-Budgets das EU-Mitglied Deutschland nicht von den Pflichten der europäischen Lastenteilung ("Effort Sharing") befreit.

Laut den EU-Vorgaben kann ein überzogenes Budget in den Bereichen Gebäude und Verkehr nicht, wie die Bundesregierung es vorhat, mit Einsparungen in anderen Sektoren wie der Energiewirtschaft verrechnet werden.

Eine entsprechende europarechtskonforme Änderung des Klimagesetzes sollen die Freien Demokraten, wie zu hören ist, nach wie vor ablehnen.

 

Barbara Metz von der DUH kann der Nichtverabschiedung des Klimagesetzes dennoch etwas abgewinnen. Es sei gut, dass es der Ampel-Regierung nicht gelungen sei, die geplante Entkernung des Klimaschutzgesetzes in diesem Jahr im Eiltempo durchzudrücken.

Metz: "Jetzt haben die Bundestagsabgeordneten Zeit, sich eingehend die Frage zu stellen, ob sie für eine faktische Abschaffung der Sektorziele und damit für fatale Rückschritte in Sachen Klimaschutz verantwortlich sein wollen."

Der Beitrag wurde am 12. Dezember um 14:30 Uhr und am 13. Dezember um 21 Uhr aktualisiert bezüglich des parlamentarischen Verfahrens.

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