Die Zeiten billiger Energie seien vorbei, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, um die Weihnachtstage. Mit dem Bild vom vergehenden Zeitalter will der Behördenchef die Streichung des 5,5-Milliarden-Euro-Zuschusses zu den Netzentgelten in einen größeren Zusammenhang stellen und irgendwie plausibel machen.
Mit dem Wegfall des Milliardenzuschusses kann die Ampel-Koalition ein Drittel des 17-Milliarden-Defizits stopfen, das sich für den Bundeshaushalt 2024 abzeichnet. Die Netzkosten fallen damit seit Jahresbeginn voll auf die Stromkunden zurück. Entsprechend steigt die Netzumlage pro Kilowattstunde von 3,12 auf 6,43 Cent, also um mehr als Doppelte. Das ist zudem netto, da kommen noch 19 Prozent Mehrwertsteuer drauf.
Müller beziffert die jährlichen Mehrkosten für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt auf 120 Euro. Ganz so teuer wird es für viele aber nicht werden.
Versorger zögern bei Tarifumstellung
Zum einen können viele Versorger ihre Tarife so schnell nicht umstellen, um die höheren Netzentgelte weiterzureichen. Dem stehen vertragliche Fristen entgegen. Bei Preiserhöhungen haben Stromkunden auch ein Sonderkündigungsrecht, also rechnen viele Versorger derzeit mit spitzer Feder nach, wie viele Kunden beim vollen Durchreichen der erhöhten Netzkosten abwandern könnten – und wie viele bleiben würden, wenn man die Netzentgelte nicht eins zu eins weitergibt.
Zum anderen bedeuten die 120 Euro Mehrkosten, dass – wie sich leicht ausrechnen lässt – der betroffene Vier-Personen-Haushalt um die 3.600 Kilowattstunden im Jahr verbraucht.
Nach Angaben des Portals CO2-Online liegt der Stromverbrauch eines Vier-Personen-Haushalts im Schnitt bei 2.900 bis 5.100 Kilowattstunden. Auch lebten nur rund 15 Millionen Menschen in Deutschland zu viert zusammen und wiederum knapp 75 Prozent dieser Haushalte in einem Ein- oder Zweifamilienhaus. Diese Gruppe ist also eher stärker betroffen.
Staatszuschuss zu Netzentgelten war Subvention für Großverbraucher
Umgekehrt heißt das aber auch: Die Netzentgelt-Milliarden waren vor allem eine Subvention für Eigenheimbesitzer und hier gerade für die Stromgroßverbraucher. Das ist bekanntlich die wichtigste Klientel, die die deutsche Energiepolitik stets im Blick hat.
Jüngstes Beispiel dafür war das Heizungsgesetz. Der ganze Streit um den angeblichen "Heizhammer" drehte sich nur um die ach so betroffenen Besitzer von Eigenheimen und Eigentumswohnungen. Zur Miete Wohnende in Mehrfamilienhäusern konnten den ganzen Streit interessehalber zur Kenntnis nehmen.
Aber wie steht es generell mit dem vom Netzagenturchef ausgerufenen Ende der billigen Energie? Die Großhandelspreise für Strom seien gegenüber 2022 deutlich gefallen, sagte Müller der Rheinischen Post. Dennoch sei das Preisniveau höher als vor dem russischen Angriffskrieg.
Schauen wir uns das einmal konkret an: In der letzten Woche des Jahres 2021, also fast drei Monate vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, schwankte der Strompreis an der Großhandelsbörse je Kilowattstunde zwischen 20 und nahe null Cent.
In der letzten Woche des Jahres 2023 lagen die Schwankungen zwischen acht Cent und sogar unter null Cent, es gab sogar Zeiten mit einem negativen Preis. Wer hier Strom abnahm, bekam sogar etwas dazu bezahlt.
Billiger Börsenstrom kommt nicht an der Steckdose an
Das sind sicher nur Momentaufnahmen, die Muster bei der Erzeugung sind aber eindeutig: Je mehr erneuerbarer Strom im Markt ist, desto mehr nähern sich die Preise der Null-Linie an. Und in den letzten Tagen des Jahres 2023 war sturmbedingt viel Windstrom im Netz.
Die Grundfrage ist immer noch dieselbe: Warum kommt der an der Börse oft so niedrige Strompreis nicht bei den meisten Haushaltskunden an? Bis heute gibt es dazu keine wirklich überzeugende Antwort.
Zwar koste die Stromerzeugung durch Wind und Sonne vergleichsweise wenig, aber die Absicherung für windstille dunkle Tage durch Speicher oder neue Gaskraftwerke erhöhe dennoch die Kosten der Versorgung insgesamt, versuchte sich am Dienstag Eon-Chef Leonhard Birnbaum an einer Erklärung für die gebeutelte Kundschaft.
Nur: Die neuen Speicher existieren noch nicht und für die Gaskraftwerke gibt es nicht mal kostenpflichtige Auftragsvergaben.
Klar ist aber: Wer wenig oder gar kein Netz zwischen Stromerzeugung und Steckdose hat, kommt am preiswertesten weg, also Haushalte oder Unternehmen mit eigenem Solardach oder Firmen, die sich erneuerbaren Strom direkt liefern lassen.
Eigener Photovoltaik-Strom kostet private Haushalte laut letztverfügbaren Studien sechs bis elf Cent Kilowattstunde, bei Firmen sind es acht bis zehn Cent. Haushalte zahlen so in etwa ein Viertel und Firmen die Hälfte dessen, was sie der Strom aus dem Netz kostet.
Mehr Dezentralität im Stromnetz bisher nicht gewollt
Viele Fachleute weisen hier zu Recht darauf hin, dass steigende Netzkosten auf immer weniger Verbraucher umgelegt werden müssen, je mehr Stromkunden sich vom Netz teilweise verabschieden.
Zugleich ist es aufwendiger, ein dezentrales Netz zu verkabeln als ein paar Großkraftwerke. Erneuerbarer Strom müsste deswegen vor allem auch regional verbraucht werden. Die sogenannten Stromautobahnen sind genau besehen eigentlich ein Denkrelikt der fossil-atomaren Ära.
Gegen ein dezentrales Netzsystem haben natürlich all die Netzbetreiber und Stromhändler was, die auf dem Weg von der Erzeugung zur Steckdose ihre Scheibe vom Gewinn abschneiden wollen. Von den garantierten Renditen für die großen Netzbetreiber von bis zu sieben Prozent aufs Eigenkapital mal ganz abgesehen.
Für die Haushalte werben Stromanbieter hier auch immer mehr mit sogenannten flexiblen Tarifen. Die Kunden sollen ihre Waschmaschinen oder Ladesäulen dann anwerfen, wenn Überschussstrom im Netz und der Strom also billig ist.
Auch das ist nur eine temporäre Lösung. Denn wenn künftig Millionen von E-Auto-Besitzern mit flexiblem Tarif alle auf die Idee kommen, zu Zeiten niedriger Preise zu laden, steigt der Strombedarf und damit am Ende auch der Preis. So funktioniert ein freier Markt nun mal.
Solange Strom an Börsen gehandelt wird wie Aktien, Kryptogeld oder x-beliebige Finanzkonstrukte, wird es offenbar im Verteilnetz nicht sehr gerecht zugehen können. Ein wirklich gemeinnütziges Stromnetz müsste deswegen erst einmal die Strombörse abschaffen oder wenigstens in ihrer Macht beschränken. Die macht die Energiewende einfach viel teurer.