Auslage eines Gewürzgeschäfts in Dubai, die Gewürze wurden in Zylinder aus durchsichtiger Plastikfolie gefüllt, die in Reih und Glied angeordnet sind.
Das Klimagipfel-Angebot ist fast so groß wie das Gewürzangebot in Dubai. (Bild: Alexej Pelich/​Shutterstock)

Nach jedem Weltklimagipfel stellt sich die Frage, ob er ein Erfolg oder Misserfolg ist. Das ist nicht anders bei der gerade beendeten COP 28 in Dubai. Um eine sinnvolle Antwort geben zu können, müssen wir uns auf die Kernaufgabe des diesjährigen Gipfels konzentrieren.

Und das war die weltweite Bestandsaufnahme, der "Global Stocktake". Acht Jahre nach der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens sollte der "Stocktake" die Staaten darüber informieren, wie ihre nationalen Klimaziele und ‑aktivitäten ausgeweitet, verbessert und erweitert werden können.

Der Artikel 14 des Paris-Abkommens verpflichtet die Staaten auch, die internationale Zusammenarbeit auszubauen, und zwar in allen Säulen der Klimapolitik, sowohl im Klimaschutz im engeren Sinne als auch in der Klimaanpassung und der Klimafinanzierung. Was hat der "Global Stocktake" nun diesbezüglich geleistet?

Beginnen wir mit dem Klimaschutz, im Konferenzsprech mitigation genannt. Ein Rückblick auf die letzten acht Jahre zeigt: Zwar hat das Paris-Abkommen seit seiner Annahme "eine nahezu universelle Bewegung für Klimaaktivitäten hervorgebracht, indem es Ziele gesetzt und Signale der Dringlichkeit des Handelns in der Klimakrise gesendet hat", wie es im Stocktake-Bericht heißt, aber hier sind ganz eindeutig viel mehr Anstrengungen nötig.

Dazu braucht es viel mehr als nur einzelne Projekte und Maßnahmen. Erforderlich sind erstens eine Systemtransformation, zweitens Resilienz gegenüber dem Klimawandel und drittens die unablässige Minderung der Emissionen aller Treibhausgase.

"Die globalen Emissionen liegen nicht auf einem Pfad, der mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel sind", stellt der Stocktake unmissverständlich klar. Die noch bestehende Lücke zu einem Paris-konformen Emissionspfad liegt bei etwa 20 bis 23 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent. Das ist knapp die Hälfte der derzeitigen jährlichen Treibhausgasemissionen der Welt.

Handeln ist offenbar mehr als dringend nötig. Dabei geht es sowohl um eine Erhöhung der nationalen Klimaziele als auch um die Einhaltung des Versprochenen. Beides wird in der globalen Bestandsaufnahme klar angesprochen.

Wozu höhere Ziele, wenn sich so wenige darum kümmern?

Schauen wir auf den Klimagipfel zurück, dann fällt auf: Es wurde sehr viel über höhere Ambitionen diskutiert, aber kaum über das Unvermögen gesprochen, die Zusagen auch einzuhalten. Was aber nützt mehr Ehrgeiz bei den Klimazielen, wenn das Vollzugsdefizit nicht verschwindet?

Laut dem Bericht zur globalen Bestandsaufnahme sind beide Lücken, die Ambitionslücke und die Umsetzungslücke, ungefähr gleich groß.

Die gesteigerten Klimaziele der Staaten über die vergangenen Jahre hinweg haben demnach die Emissionslücke um 15 bis 33 Prozent verringert. Aber der Fehlbetrag zwischen den angekündigten nationalen Klimazielen und ihrer Umsetzung liegt überschlägig bei zehn bis 20 Prozent, ist also fast so groß wie die Ambitionslücke.

Von Anfang an wurde der Global Stocktake auf die Aufgabe verkürzt, die Ziele zu erhöhen. Die Frage, die über Top oder Flop entscheidet, lautete in Dubai: Legen sich die Staaten auf ein phase‑out oder ein phase‑down fossiler Brennstoffe fest, also einen Ausstieg oder nur eine schrittweise Verringerung?

Bild: UFZ

Reimund Schwarze

ist Klima­ökonom am Helm­holtz-Zentrum für Umwelt­forschung UFZ in Leipzig und Professor an der Frank­furter Viadrina. Seit 20 Jahren unter­sucht er inter­nationale Klima­verhandlungen und entwickelt Modelle für bessere globale Klima­politik. In Dubai steht er auch als Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. für Medien zur Verfügung.

Das Ergebnis ist ein bunter Wünsch-dir-was-Katalog: die "Abkehr von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen in einer gerechten, geordneten und ausgewogenen Weise durch Beschleunigung der Maßnahmen in diesem kritischen Jahrzehnt, um im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen bis 2050 die Netto-Null zu erreichen".

Das entscheidende Wort "Ausstieg" ist damit nicht im Abschlusstext enthalten. Alle Nullemissions- und Geringemissions-Technologien sind stattdessen unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten möglich. Dazu zählen nicht nur sämtliche erneuerbaren Energien, sondern auch Kernenergie sowie fossile Energieträger gekoppelt mit CO2-Speicherung (CCS) oder CO2-Entnahme (CDR), besonders in Sektoren wie der Stahlproduktion, wo die Dekarbonisierung anstrengend und teuer ist.

Beim zweitwichtigsten Treibhausgas Methan werden die Staaten aufgefordert, nach Möglichkeit den Ausstoß schon in diesem Jahrzehnt zu verringern. Ein konkretes Methan-Reduktionsziel ist aber nicht im Text enthalten.

Der Übergang zu Null- oder Geringemissionsfahrzeugen im Verkehr soll im Einklang mit der Erneuerung der Infrastrukturen erfolgen, etwa dem Aufbau von Schienen- und Ladesäulennetzen in den Ländern.

Subventionen für fossile Brennstoffe soll es nicht mehr geben, aber nur wenn diese "ineffizient" sind. Brückentechnologien, sprich Erdgas, können aus Gründen der Energiesicherheit weiter eine Rolle in den nationalen Energiesystemen haben. Für jeden ist also etwas dabei!

Ein klares Jein

Allerdings scheint mir diese Debatte um hehre energiepolitische Ziele ohnehin zu kurz gesprungen. Nur wenn der Klimagipfel von der Dynamik der Ambitionserhöhung zu einer schonungslosen Analyse des weitgehenden Nichtstuns, also des Vollzugsdefizits, gekommen wäre, hätte diese COP ein Erfolg werden können. Doch darüber wurde in den Sälen und auf den Gängen in Dubai praktisch gar nicht diskutiert.

Wie aber kann das Handlungs- und Vollzugsdefizit überwunden werden? Die Antwort der Wirtschaftswissenschaft ist klar: Wir brauchen eine wirksame Bepreisung von CO2 und anderen Treibhausgasen. Nur das schafft die richtigen Handlungsanreize.

Leider steht diese Aufgabe nicht im Pariser Klimaabkommen. Auch die entsprechenden Klimaklub- und ähnlichen Initiativen haben dies nicht zum Ziel.

Damit bleibt der Weltgemeinschaft nur ein weiteres Mittel: die Klimafinanzierung als Treiber und großer "Ermöglicher" von Klimaaktivitäten.

Das spiegelt sich auch im Stocktake-Bericht wider. Dieser befasst sich umfangreich mit den finanziellen Hilfen, nicht nur in einem eigenen Klimafinanzierungs-Kapitel, sondern auch an einer Reihe anderer Stellen, insbesondere wenn es um die fehlende Anpassungsfinanzierung geht. Viel ist da die Rede von privater Kofinanzierung und innovativen Instrumenten wie beispielsweise Klimaversicherungen.

Als Ökonom muss der Autor allerdings feststellen: Privates Kapital wird nur dann in die Klimafinanzierung gelenkt werden, vor allem für Klimaanpassung und Schadensausgleich, wenn in die private Anlageentscheidung neben Risiken wie zunehmendem Extremwetter auch regulatorische Risiken einfließen, zum Beispiel die Haftung für Klimaschäden und -verluste oder Preisschocks am Emissionshandelsmarkt.

Das aber erfordert wiederum eine CO2-Bepreisung, die sich an den Schäden und den Kosten der Risikobewältigung bemisst. Sonst funktioniert diese Verbindung von öffentlichen und privaten Aufgaben nicht.

 

Hat die COP 28 also versagt? Die Antwort ist ein klares "Jein".

Ja, der Gipfel hat versagt, weil er nicht schonungslos an den im Stocktake identifizierten Ursachen angesetzt hat.

Nein, denn die COP hat mit dem realen Start des Loss-and-Damage-Fonds und mit der deutlichen Steigerung der Finanzzusagen für Klimaschutz und auch für Klimaanpassung dazu beigetragen, dass mehr vom dringend nötigen Handeln möglich wird.

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