Razan Al Mubarak ist nicht nur Präsidentin der IUCN, sie gehört auch zur Elite der Vereinigten Arabischen Emirate. (Bild: Kiara Worth/​IISD/​ENB)

1995 versammelte sich die Weltgemeinschaft zum ersten Klimagipfel in Berlin und seitdem – mit einer Corona-Ausnahme 2020 – jährlich. Nun sind die verschiedenen Weltklimakonferenzen nicht alle von gleicher politischer und historischer Bedeutung.

Der Gipfel von Paris im Jahr 2015, bei dem das nach dem Austragungsort benannte Paris-Abkommen ausgehandelt wurde, gilt etwa als richtungsweisend für alle nachfolgenden internationalen Klimaanstrengungen. Von anderen Klimakonferenzen ist hingegen schon wenige Wochen später kaum mehr die Rede.

Zumindest dem Anschein nach erfüllt die diesjährige Weltklimakonferenz COP 28 alle Voraussetzungen, um einen denkwürdigen Platz in der Geschichte einzunehmen.

Da ist zum einen das Programm: Erstmals, seitdem sich die Länder auf das Paris-Abkommen geeinigt haben, wollen sie Bilanz ziehen. Der "Global Stocktake", eine weltweite Bestandsaufnahme, soll klären, ob die Menschheit auf dem Weg ist, die Pariser Ziele einzuhalten.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Ergebnis ernüchternd ausfallen wird. Dennoch ist es von politischer Brisanz. Expert:innen wie Laurence Tubiana – sie gilt als Architektin des Paris-Abkommens – sprechen von einem "Moment der Wahrheit".

Die formelle Bestätigung des klimapolitischen Scheiterns wird eine Reaktion der Staaten erfordern. Dabei wird erneut die historisch schwierige Frage nach der genauen Umsetzung des Ausstiegs aus den fossilen Energien im Mittelpunkt des politischen Tauziehens stehen.

Gerade für die diesjährige Konferenz zeichnet sich ab, dass das keine einfache Diskussion wird. Denn neben dem Programm sorgt das Gastgeberland, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), schon seit Monaten immer wieder für Kontroversen.

Emirate wollen noch bis 2085 Öl und Gas fördern

Die Emirate, die zu den ölreichsten Staaten der Erde gehören, planen ihre Produktion von Öl und Gas massiv auszubauen. Bis 2085 will der Golfstaat noch über zwei Milliarden Tonnen fossile Brennstoffe fördern.

Dass das nicht im Einklang mit dem Paris-Abkommen steht, zeigte kürzlich ein Bericht unter Beteiligung des UN-Umweltprogramms Unep. Demnach liegen die fossilen Produktionsziele der Länder mit den größten Erdöl-, Erdgas- und Kohlevorkommen mehr als doppelt so hoch wie das, was noch mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre.

Die Vorbehalte in der Klimabewegung und bei Nichtregierungsorganisationen gegenüber dem Gastgeber kommen also nicht aus heiterem Himmel.

Dass die Emirate Anfang des Jahres ausgerechnet Sultan Ahmed Al Jaber zum Präsidenten der COP 28 ernannten, vergrößerte noch die Besorgnis bei den Kritiker:innen. Damit wird die Weltklimakonferenz vom Chef des größten staatlichen Öl-Konzerns der Emirate, Adnoc, geleitet.

"Die Klimakonferenz verkommt von Jahr zu Jahr mehr zu einer Messe für die Öl- und Gasindustrie", findet der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner. Auch die Emirate seien berüchtigt für die unscharfen Grenzen zwischen Politik und fossiler Industrie.

Wie stark diese Grenzen verschwimmen, konnte in den vergangenen Monaten beobachtet werden. Bereits im Februar berichteten Medien, dass neben Al Jaber mindestens zwölf weitere Adnoc-Mitarbeiter:innen in die Planung des Klimagipfels involviert seien.

Aussagen der IUCN-Chefin verwundern

Zwei Wochen vor dem Klimagipfel lassen nun die Aussagen einer weiteren einflussreichen Persönlichkeit aufhorchen. Razan Al Mubarak leitet seit zwei Jahren die International Union for Conservation of Nature (IUCN), auch bekannt als Weltnaturschutzunion.

Sie ist außerdem "High-Level Champion" der COP 28. Damit hat sie direkt hinter Al Jaber eine Schlüsselrolle bei der diesjährigen Konferenz und soll zwischen den einzelnen Verhandlungsparteien vermitteln und durch die Konferenz führen.

IUCN

Die International Union for Conservation of Nature ist ein internationaler Dachverband für Umwelt- und Naturschutzorganisationen. Da in der IUCN sowohl Regierungen als auch wissenschaftliche Organisationen und NGOs vertreten sind, hat sie einen gewissen Sonderstatus. Auch das Bundesumweltministerium, das Bundesamt für Naturschutz und 20 deutsche Nichtregierungsorganisationen sind Mitglied bei der IUCN – indirekt auch die Deutsche Umwelthilfe über ihre Mitgliedschaft im Deutschen Naturschutzring. Die IUCN ist die älteste und größte internationale Naturschutzorganisation.

In einem kürzlich erschienenen Interview wird Al Mubarak mit der Aussage wiedergegeben, bei den fossilen Energien gehe es um ein phase-down, also eine schrittweise Verringerung. In einem Positionspapier der IUCN zur COP 28 ist dagegen, wie bei den meisten Naturschutzverbänden, von einem phase-out, einem Ausstieg aus den fossilen Energien die Rede.

Im selben Interview wirbt die Staatsbürgerin der Emirate für ein Energiesystem frei von allen "unverminderten" (unabated) fossilen Brennstoffen. Damit wären fossile Energien in Kombination mit einer CO2-Speichertechnologie (CCS) weiterhin erlaubt. In dem Positionspapier der IUCN wird hingegen unzweideutig ein "zeitgebundener Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen" gefordert.

Diese Unterschiede – nur ein paar Formulierungen – mögen auf den ersten Blick nicht sonderlich bedeutsam wirken. Doch für Müller-Kraenner liegen klimapolitisch gesehen Welten zwischen phase-down und phase-out. Auch der Fokus auf "unverminderte" fossile Energien habe allein den Zweck, das fossile Geschäftsmodell weiter am Leben zu erhalten.

Ohnehin gibt es an einem umfangreichen Einsatz von CCS wissenschaftlich große Zweifel. Der Unep-Bericht attestiert dem Verfahren aufgrund seiner vielen Unsicherheiten und unabwägbaren Risiken keine großen Chancen. Die EU lehnt CCS im Energiebereich ab.

Hinter den Kulissen brodelt es

Ein Pressesprecher der IUCN bestreitet auf Nachfrage, dass sich die offiziellen Positionen seiner Organisation und ihrer Präsidentin unterscheiden würden. Ein schnelles Herunterfahren der fossilen Energien sei der richtige Weg, um ein Ende der fossilen Energien zu erreichen.

"Die Präsidentin steht hinter den Positionen der IUCN", fügt der Sprecher an.

Ein ganz anderes Bild entsteht im Gespräch mit einem langjährigen IUCN-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte. Demnach brodelt es nicht erst seit den jüngsten Aussagen der Chefin hinter den Kulissen.

Seit Al Mubarak Anfang des Jahres die Position als "High-Level Champion" akzeptiert hat, seien Mitglieder der Organisation wegen eines möglichen Interessenkonflikts besorgt. Ihre jüngsten Aussagen, die sich fast eins zu eins mit denen Al Jabers deckten, hätten diesen Verdacht erhärtet, so das IUCN-Mitglied.

"Man merkt, dass sie sich in den letzten Monaten sehr vorsichtig ausdrückt und offenbar verschiedenen Seiten gerecht werden möchte."

Neben leitenden Tätigkeiten in nationalen Naturschutzorganisationen ist Razan Al Mubarak auch geschäftsführende Direktorin der Umweltbehörde von Abu Dhabi, also einer Regierungsbehörde. Sie gehört gemeinsam mit ihrem Ehemann Badr Jafar, dem Präsidenten des größten privaten Ölkonzerns im Nahen Osten, Crescent Petroleum, zur emiratischen Elite.

2018 wurde Al Mubarak von Mohammed bin Zayed, damals Kronprinz und heute Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, als erste Frau in den Verwaltungsrat des Emirats Abu Dhabi berufen.

In ihrer Kommunikation vor dem Gipfel sind sich Al Jaber und Al Mubarak vor allem in einem Punkt einig: Dass die Emirate die COP 28 ausrichten, sei eine wichtige Gelegenheit, mit den Branchen in Kontakt zu kommen, die am meisten vom Energiesystem verstehen.

Wie hilfreich dieser enge Kontakt mit fossilen Konzernen tatsächlich ist, da dürften die Meinungen auch dieses Jahr wieder auseinandergehen. Für Sascha Müller-Kraenner braucht es auf der Konferenz in Dubai vor allem eines: klare Bekenntnisse.

"Wir müssen raus aus den fossilen Energien. Alles andere ist Quatsch."

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