Die Klimakrise spitzt sich zu, die Belege sind gerade in diesem Jahr unübersehbar. Von den dramatisch erwärmten Ozeanen über die Waldbrand-Infernos rund ums Mittelmeer bis zu den aktuellen Flutkatastrophen in Ostafrika, von denen rund drei Millionen Menschen betroffen sind.
Die Klimapolitik aber tritt praktisch weltweit auf der Stelle. Fortschritte sind nur bei wenigen Staaten auszumachen, wie die aktuelle Auswertung im "Klimaschutz-Index 2024" der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zeigt.
Besonders kritisch: Der in absoluten Zahlen größte CO2-Emittent China kam in dem Ranking nicht voran, und die Nummer zwei bei den Emissionen, die USA, fiel sogar zurück.
Germanwatch konstatiert, dass die Regierungen in aller Welt den Klimaschutz in den letzten Jahren zwar durchaus zunehmend auf ihre Agenda gesetzt haben. Ein Lichtblick sei auch, dass in vielen Ländern die Nutzung der erneuerbaren Energien boomt.
"Doch das reicht noch nicht aus." Der Wettlauf gegen die Zeit gehe weiter, da die weltweiten Emissionen bis 2030 nahezu halbiert werden müssten, um das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Weltklimavertrag noch in Reichweite zu halten.
Doch hierzu wären drastische Verbesserungen in der Klimapolitik der Staaten nötig. In dem Ranking bleiben die ersten drei Plätze daher unbesetzt, da kein einziges der bewerteten Länder Maßnahmen ergriffen habe, die einem 1,5 Grad-Pfad entsprechen. Am relativ besten schnitten auf den Plätzen vier bis sechs Dänemark, Estland und die Philippinen ab.
"Es reicht einfach nicht für einen Weg zu 1,5 Grad"
Germanwatch hat für den Klimaschutz-Index zusammen mit dem New Climate Institute in Köln und der NGO Climate Action Network International (CAN) die Klimapolitik von 63 Ländern und der Europäischen Union analysiert. Diese sind zusammen für mehr als 90 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Der Index wurde am heutigen Freitag auf dem UN-Klimagipfel in Dubai vorgestellt.
Wie Germanwatch-Experte Jan Burck erläuterte, schnitten einige Länder in einzelnen Kategorien recht gut ab, aber kein Land sei durchgängig mit einer "sehr hohen" oder "hohen" Leistung bewertet worden. "Der Durchschnitt reicht einfach nicht aus für einen Weg zu 1,5 Grad."
Für Niklas Höhne vom New Climate Institute sind derzeit zwei konkurrierende Entwicklungen festzustellen: einerseits besagter Boom der Öko-Energien, andererseits eine Verlangsamung der Klimapolitik im Allgemeinen.
"Zum ersten Mal rangiert kein einziges Land in der Kategorie Klimapolitik auf einem 'hohen' Niveau", sagte Höhne. So seien selbst beim Vorreiter Dänemark die Klimaschutzmaßnahmen seit den Wahlen im Oktober 2022 "fast zum Stillstand" gekommen.
Der größte CO2-Emittent China stagniert in dem Index auf dem 51. Platz und damit in der Gruppe der Länder mit den niedrigsten Werten. Das Land treibt zwar den Erneuerbaren-Ausbau stark voran und ergreift Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, doch es gehört laut Index auch zu den neun Ländern, die zusammen für 90 Prozent der weltweiten Kohleproduktion verantwortlich sind. Außerdem plane die Regierung in Peking, die Erdgasproduktion bis 2030 weiter zu steigern.
Das schlechte Abschneiden der USA (Platz 57) trotz des "Inflation Reduction Act" der Biden-Regierung mit seinen Mega-Investitionen in erneuerbare Energien liegt Germanwatch zufolge daran, dass konkrete Umsetzungsmaßnahmen in anderen Sektoren noch fehlen.
Deutschland nur "mittelmäßig"
Da die G20-Gruppe der Industrie- und Schwellenländer allein für rund 80 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich ist, kommt es auf sie besonders an. Mit einer "hohen" Gesamtleistung im Index scheiden nur Indien (Platz sieben), Deutschland (14) und die EU insgesamt (16) noch halbwegs gut ab.
15 der 20 Staaten erhalten hier ein "niedrig" oder "sehr niedrig". Kanada (62), Russland (63), Südkorea (64) und Saudi-Arabien (67) sind nach wie vor die Länder mit den schlechtesten Ergebnissen in dieser Gruppe.
Immerhin hat sich mit Brasilien ein wichtiges G20-Land deutlich verbessert und gehört nun mit Rang 23 statt vorher 38 zu den relativen Spitzenreitern. Grund ist eine fortschrittlichere Klimapolitik unter dem neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene.
Negativ schlägt allerdings zu Buche, dass Brasilien gleichzeitig die Produktion von Erdöl und Erdgas weiter ausbaut und seine Klimaziele verfehlen könnte.
Deutschland hat sich in dem Ranking um zwei Plätze verbessert, unter anderem wegen des höheren Ziels beim Erneuerbaren-Ausbau bis 2030. Die Ampel-Bundesregierung schneidet allerdings unterm Strich nur "mittelmäßig" ab und ist unter den EU-Staaten damit Sechster.
Gründe für das mäßige Abschneiden Deutschlands sind laut Germanwatch die unzureichende Verkehrspolitik, die Abschwächung des Klimaschutzgesetzes sowie ein verwässertes Gebäudeenergiegesetz.
Burck zog als generelles Resümee: "Die Länder müssen ihre Anstrengungen vervielfachen." Dabei spiele der Klimagipfel in Dubai eine entscheidende Rolle. Der Experte forderte einen verbindlichen Beschluss zur Verdreifachung der Kapazitäten für erneuerbare Energien, zur Verdopplung der Energieeffizienz-Rate und zur drastischen Verringerung des Einsatzes von Kohle, Öl und Gas bis 2030.
Janet Milongo von CAN ergänzte, der Index zeige "einmal mehr, dass die größten Produzenten und Exporteure fossiler Brennstoffe am schlechtesten abschneiden". Dies unterstreiche die Forderung nach einem fossilen Ausstieg – "und zwar schnell und für immer, ohne Raum für gefährliche Ablenkungen".