Sebastian Sladek. (Bild: Bernd Schumacher)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Sebastian Sladek, geschäftsführender Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).

Klimareporter°: Herr Sladek, mit dem neuen Solarpaket soll es endlich auch Verbesserungen bei der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung geben. Solarstrom kann dann unbürokratisch an die Nutzer:innen in einem Mehrfamilienhaus weitergegeben werden. Mieterstrom soll künftig auch gefördert werden, wenn er auf gewerblichen Gebäuden oder bei Eigenheimen aus Neben- oder Zweitanlagen wie Garagen erzeugt wird. Ist das nun das seit Jahren geforderte Energy Sharing?

Sebastian Sladek: Endlich sehen wir weißen Rauch über dem Reichstagsgebäude aufsteigen – eine Einigung beim Solarpaket! Gegenüber dem Entwurf aus dem letzten Jahr hat der Bundestag auch noch an einigen Schrauben gedreht.

Es gab noch mal deutliche Verbesserungen für die dezentrale Energiewende. Die Vergütungssätze für Photovoltaik-Dachanlagen werden angehoben. Künftig soll es auch einfacher werden, Hausspeicher marktdienlich einzusetzen. Sie können netzdienlich Flexibilität anbieten, ohne dass die damit verbundene Solaranlage ihre Vergütung verliert.

Wir brauchen dringend auch mehr Photovoltaik auf Dächern von Mehrparteien- und Mietshäusern. Hier sind die Verbesserungen beim Mieterstrom und die Einführung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung im Solarpaket wichtige Schritte. Durch die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung soll es in Zukunft einfacher werden, Solarstrom an die Nutzenden in einem Mehrfamilienhaus weiterzugeben.

In der Theorie klingt das alles erstmal gut. Aber wie so oft in der Energiewirtschaft wird sich das neue Modell in der Praxis bewähren müssen. Zentral sind hierfür die Regeln zur Abrechnung und Bilanzierung. Wenn sie zu kompliziert ausgestaltet werden, dann wird das Modell nicht angewandt. Ein breites Bündnis von Akteuren der dezentralen Energiewende setzt sich bei der Bundesnetzagentur für einfache Regeln ein und wird bald eine gemeinsame Stellungnahme vorlegen.

Ein Energy Sharing ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung auch noch nicht. Es passiert alles nur hinter dem Netzverknüpfungspunkt. Ich sehe Energy Sharing als Zusammenschluss großer Communitys, die akzeptanzfördernd und netzdienlich Erneuerbare-Energien-Anlagen errichten und den erzeugten Strom über mehrere Netzebenen hinweg miteinander teilen. Hiervon sind wir in der Gesetzgebung noch weit entfernt.

Deshalb haben wir gemeinsam mit anderen Ökostromern und Verbänden im letzten Jahr der Politik einen Regelungsvorschlag vorgelegt. Leider hat es eine solche Regelung nicht mehr in das Solarpaket geschafft. Wir fordern die Bundesregierung nun auf, schnell in einem Solarpaket zwei die Regeln zum Energy Sharing einzuführen.

Enttäuscht sind wir über die neuen Regeln zur Duldungspflicht. Es wäre ein wichtiger Schub für den Erneuerbaren-Ausbau gewesen, wenn beim Bau und Rückbau der Anlagen die Flächen Dritter einfacher und gegen Entschädigung hätten genutzt werden können. Die gesamte Energiebranche unterstützte diese Regelung.

Am Ende kam dabei heraus, dass die Duldung nur für Flächen in öffentlicher Hand gelten soll. Die Ampel-Koalition ist hier leider vor den Bauernprotesten eingeknickt, da von der ursprünglichen Regelung auch landwirtschaftliche Flächen betroffen gewesen wären. Hier hätte ich mir mehr Mut von der Bundesregierung gewünscht.

In der Stadt Oranienburg bei Berlin genehmigen die Stadtwerke derzeit keine Neuanmeldungen von Strom-Hausanschlüssen, Wärmepumpen und E‑Auto-Ladesäulen. Grund sind offenbar Kapazitätsengpässe im örtlichen Stromnetz. Einige warnen nun, dieses Problem werde bald auch andere Städte betreffen. Befürchten Sie das auch?

Soweit ich das überblicken kann, handelt es sich in Oranienburg um einen Einzelfall, bei dem sich die Versäumnisse in der Stadtplanung jetzt rächen. Schließlich waren die Stadtwerke schon vor Jahren darauf hingewiesen worden, dass mit dem absehbaren Wachstum der Stadt eine Erweiterung der Leitungskapazitäten nötig wird. Damit wurde jedoch viel zu spät begonnen – möglicherweise, um die Gewinne der Stadtwerke nicht zu schmälern.

Auch die Bundesnetzagentur hat in einem Statement noch einmal klargestellt, dass man aus dem Fall Oranienburg vor allem lernen kann, wie wichtig vorausschauende Netzplanung ist. Ich kann nicht abschätzen, wie viele Kommunen in einer ähnlichen Situation sind – schließlich gehört eine kontinuierliche Bedarfsanalyse zur Grundaufgabe jedes Netzbetreibers.

Die viel diskutierten Wärmepumpen und Wallboxen machen im Falle Oranienburgs jedenfalls nur einen geringen Teil des Mehrbedarfs aus. So nehme ich diese Geschichte in erster Linie als Kommunikationsdebakel wahr. Nachdem der Bürgermeister in seiner Pressemitteilung explizit Wärmepumpen als eine der Ursachen angeführt hatte, sind die Publikationen von Springer und den anderen üblichen Verdächtigen gerne darauf angesprungen.

Prompt wird jetzt wieder über Wärmepumpen, Elektromobilität und die weltfremden Grünen gewettert. Damit wurde die Geschichte umgedeutet und dient nun als Munition im Kampf gegen die ökologische Transformation. Das ist natürlich kontraproduktiv.

Engpässe im Netz gibt es nicht nur in manchen Städten, bundesweit warten oft auch Windkraftanlagen und Solarparks auf einen Anschluss ans regionale Stromnetz. Um hier endlich voranzukommen, hatte das Bundeswirtschaftsministerium vergangene Woche zum Netzanschlussgipfel geladen. Ist das Problem bei der Politik angekommen?

Das Problem des mangelnden Netzausbaus ist seit Jahren bekannt. Leider wurde es von vorherigen Regierungen stets verdrängt. Wir haben im letzten Jahr mit einer vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft durchgeführten Studie der Bundesregierung in aller Deutlichkeit auf den notwendigen Netzausbau aufmerksam gemacht. Auf den steigenden Netzkosten aufgrund der Verschleppung des Problems bleiben letztendlich die Haushalte sitzen.

Daher freut es uns, dass die aktuelle Bundesregierung das Thema ernst zu nehmen scheint und einen gesonderten Gipfel veranstaltet hat.

Neben dem Netzausbau, der dringend beschleunigt werden muss, braucht es meiner Meinung nach aber auch weitere Verbesserungen. Wir sind selbst Verteilnetzbetreiber in Schönau und Umgebung und spüren die zunehmenden Aufgaben und Belastungen. Hier braucht es dringend Erleichterungen.

Zudem sollte darüber nachgedacht werden, ob wir uns die Zahl von knapp 900 Verteilnetzbetreibern in Deutschland auch in Zukunft leisten können. Diese Fragen wurden beim Netzanschlussgipfel auch angesprochen. Nun müssen schnell die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Mit dem Verzicht auf jährliche Sektorziele, die Ministerien verbindlich einzuhalten haben, hat sich die FDP offenbar auch bei der Reform des Klimaschutzgesetzes durchgesetzt. Klimaexpert:innen und Umweltverbände kritisieren die Einigung scharf. Wie finden Sie das neue Klimagesetz?

Dass es eine Reform des Klimaschutzgesetzes geben würde, hat mich nicht überrascht. Das war schon im Koalitionsvertrag der drei Regierungsparteien angekündigt worden. Aber dass es trotz der lebensbedrohlichen Klimakrise zu einer Aufweichung des Klimaschutzes kommt, hat mich doch hart getroffen.

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz können sich die einzelnen Sektoren vor der Verantwortung drücken. Zwar gibt es noch sektorspezifische Ziele, die jährlich geprüft werden. Aber wenn ein Sektor seine Ziele verfehlt – und davon ist zum Beispiel beim Verkehrssektor auszugehen –, was sind dann zukünftig die Konsequenzen? Keine!

Stattdessen wird nur noch auf die Gesamtbilanz geschaut. Diese wird maßgeblich durch die Einsparungen im Energiebereich mit dem Ausbau erneuerbarer Energien geprägt sein. Aber der Energiebereich kann auch nicht zaubern und die CO2-Minderung allein stemmen. Andere Sektoren müssen dringend nachziehen. Sonst wird das nichts mit der Klimaneutralität.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Bei dieser Koalition habe ich schon länger aufgehört, überrascht zu sein, dass sie es mit dem Klimaschutz nicht ernst meint. Dennoch ist die zeitliche Abfolge, in der die eben erwähnte Entkernung des Klimaschutzgesetzes am vergangenen Montag stattfand, wirklich bemerkenswert.

Noch am Vormittag hat der Expertenrat für Klimafragen den Regierungsmitgliedern bescheinigt, dass die erzielten Einsparungen von Emissionen nur zum Teil auf konkreten Maßnahmen beruhen und dass vor allem der Verkehrssektor seinen Verpflichtungen weit hinterherhängt.

Ein paar Stunden später wird dann die Einigung verkündet: Das Klimaschutzgesetz wird aufgeweicht und die verbindlichen Sektorziele werden abgeschafft. Deutlicher kann man eigentlich nicht ausdrücken, dass man nicht gewillt ist, den Kampf gegen die Klimakrise ernsthaft aufzunehmen.

Nachdem Verkehrsminister Wissing wenige Tage zuvor das Schreckgespenst "Fahrverbote" in die Welt gesetzt hat, wird er jetzt prompt für seine klimapolitische Untätigkeit belohnt.

Was sagt das eigentlich über die Regierung aus, dass niemand von Wissings Kolleg:innen gewagt hat, dieser offenkundigen Finte entgegenzutreten und die Erzählung einzukassieren, statt als Konsequenz jegliche klimapolitische Ambition fallenzulassen? Das ist nicht das Auftreten, das ich von einer Regierung erwarte. 

Fragen: Jörg Staude, David Zauner