So könnte Energy Sharing aussehen: Gemeinschaftliche Solaranlage von Wohnungsgenossenschaft Neukölln, Bürgerenergie Berlin und dem Ökostromer EWS. (Bild: Christopher Rowe/​EWS)

Eine Solaranlage auf dem eigenen Hausdach, die das Elektroauto vor der Tür lädt – eine schöne Vorstellung, für viele Hausbesitzer:innen aber eine zu teure Investition. Statt individuell zu investieren, schließen sich immer mehr Menschen zu Energiegemeinschaften zusammen und produzieren gemeinsam Strom.

Die Idee hinter dem sogenannten Energy Sharing: Die Gemeinschaft finanziert und betreibt eine Photovoltaik- oder Windkraftanlage in direkter Umgebung, zum Beispiel auf den Dächern der Nachbarschaft. Der lokal produzierte Ökostrom kann dann die Nachbarschaft über das schon bestehende Stromnetz versorgen, und das zu günstigeren Tarifen.

Das Problem: In Deutschland gibt es bereits zahlreiche Bürgerenergiegemeinschaften, darunter über 800 Genossenschaften. Doch der gemeinschaftlich produzierte Strom kommt bisher nicht auf direktem Weg bei den Mitgliedern an.

Seit 2018 ist das Recht, den gemeinsam produzierten Strom auch direkt nutzen zu können, zwar in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II auf europäischer Ebene verankert, die EU-Richtlinie wurde in Deutschland aber noch nicht umgesetzt. Somit gibt es noch keinen rechtlichen Rahmen, der Energy Sharing ermöglicht.

Andere europäische Länder gehen derweil mit gutem Beispiel voran und "Deutschland ist da wirklich hinten dran", kritisiert Malte Zieher, Vorstand beim Bündnis Bürgerenergie, bei einem Medientermin am Dienstag in Berlin. In Italien etwa erhalten Anlagenbetreiber:innen eine zusätzliche Prämie für jede Kilowattstunde, die innerhalb der Gemeinschaft genutzt wird.

Wie eine solche staatlich geförderte Prämie auch in Deutschland ausgestaltet werden kann, zeigt eine am Dienstag präsentierte Untersuchung des Beratungsinstituts Energy Brainpool für das Bündnis Bürgerenergie und den Ökostromanbieter Green Planet Energy.

Die Studie schlägt eine Energy-Sharing-Prämie in Höhe von 2,8 Cent pro Kilowattstunde für Windenergieanlagen und 4,9 Cent für Solaranlagen vor. Die gemeinsamen Ökostromanlagen sollen so alle Mitglieder in Postleitzahlbereichen bis 50 Kilometer Entfernung mit Strom zu einem günstigeren Tarif versorgen.

Prämie soll Mehrkosten ausgleichen 

"Wir sollten die Energiewende nicht nur denjenigen überlassen, die ein geeignetes Dach und den entsprechend großen Geldbeutel haben", sagte Ariane August von Green Planet Energy. "Wir brauchen Mitmachangebote, die möglichst alle Menschen abholen."

Das erarbeitete Modell sieht vor, dass die Gemeinschaften auch weiterhin für ihren gemeinsam erzeugten Strom die EEG-Prämie erhalten. Für den Anteil, den die Mitglieder selbst verbrauchen, soll es zusätzlich die staatlich geförderte Energy-Sharing-Prämie geben. Sie soll eine Aufwandsentschädigung für die Bürgerenergiegemeinschaften enthalten und gleichzeitig einen finanziellen Anreiz schaffen, damit sich möglichst viele Menschen, unabhängig vom Einkommen, in Energy-Sharing-Gemeinschaften engagieren.

Energy Brainpool hat für die Höhe der Prämie zunächst die Mehrkosten für die Gemeinschaften analysiert. Dabei geht es vor allem um eine Aufwandsentschädigung für den Bau und die Instandhaltung der Anlagen. Es können aber auch Mehrkosten in Zeiten entstehen, wenn das Windrad stillsteht und die Sonne nicht scheint. Weil kein Ökostrom eingespeist wird, müssen die Energiegemeinschaften dann Strom besonders teuer zukaufen.

"Die Prämie sollte einen großen Teil dieser Kosten abdecken, damit auch ein wirtschaftlicher Anreiz für die Menschen da ist, an diesen Modellen zu partizipieren", erklärt Filipp Roussak von Energy Brainpool.

Die Prämie soll aber auch zusätzliche Ersparnis bieten. Es brauche einen finanziellen Anreiz, der die Menschen motiviert, ihren bestehenden Stromvertrag zu wechseln und sich einer Energy-Sharing-Gemeinschaft anzuschließen. Gemeinsam Strom zu produzieren und zu nutzen bedeutet dann für die Mitglieder, weniger für ihren Strom zu bezahlen.

Mehr Tempo für die Energiewende

Ariane August sieht aber noch mehr Vorteile beim Energy Sharing. "Menschen wollen nicht, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird, sondern sie wollen wirklich mitentscheiden, wo Anlagen hingestellt werden und was dann mit dem Strom passiert." Und das sei mit Energy Sharing möglich. Mehr Teilhabe an der Energiewende könne mehr Akzeptanz für den Ausbau erneuerbarer Energien schaffen.

"Wir brauchen ein viel höheres Tempo für die Energiewende. Und das schaffen wir nur, wenn wir jeden einzelnen Menschen mitnehmen", ergänzt Malte Zieher vom Bündnis Bürgerenergie. So sei vorgesehen, dass alle Mitglieder der Energiegemeinschaft einen Smart Reader besitzen, der ihnen anzeigt, wie viel von dem erzeugten Strom verbraucht werden kann.

 

Damit könne jeder Haushalt selbst sehen, ob sich das Windrad gerade dreht, also Strom produziert wird, und es sinnvoll ist, die Waschmaschine jetzt schon anzuwerfen. Im besten Fall verbrauchten die Menschen dadurch bewusster und vor allem effizienter Strom.

"Die Forderung geht an die Politik, ein Gesetz vorzulegen", betont Zieher. "Wir bringen uns mit diesem Vorschlag ein und hoffen, dass wir in Kürze Energy Sharing umsetzen dürfen." Anfang Juli findet ein Dialog mit mehreren Bundestagsfraktionen zur Zukunft von Energy Sharing in Deutschland statt.