Gut 90 Prozent aller Haushalte könnten Mitglied in Energiegemeinschaften sein und dann auch von günstigeren Strompreisen profitieren, zeigt eine Analyse für das Bündnis Bürgerenergie. Ob die Ampel-Koalition dafür die rechtlichen Voraussetzungen schafft, ist aber noch unklar.
Es ist wichtiger denn je, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort an der Energiewende zu beteiligen – nicht nur monetär. Es geht um Möglichkeiten, eine saubere Energieversorgung in der Kommune oder Region kreativ mitzugestalten. Wie bei der EEG-Novelle muss hier gelten: Klotzen, nicht kleckern.
Selbermachen ist in, nicht nur im Schrebergarten, auch auf dem Balkon. Der Markt für Stecker-Solaranlagen boomt. Dass auch Mieter einfach ihren eigenen Strom produzieren können, hat sich noch nicht genug herumgesprochen.
Die Vor-Ort-Energie steht noch vielen Hemmnissen gegenüber, vor allem großem bürokratischem Aufwand, kritisiert Hans-Martin Henning, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme. Er plädiert zugleich für eine Mehrfachnutzung von Solaranlagen – von der Integration in urbane Infrastrukturen bis zur Agri-Photovoltaik.
Jede Bürgerin und jeder Bürger sollen künftig die Möglichkeit haben, Photovoltaik-Anlagen nach einem einheitlichen bundesweiten Standard und vollständig digitalisiert anzumelden. Für Neubauten ist zudem ein digitales Dachflächenkataster notwendig. Der Eigenverbrauch sollte zum Vor-Ort-Verbrauch weiterentwickelt werden.
Um Deutschland auf 1,5-Grad-Kurs zu bringen, muss die neue Bundesregierung den Klimaschutz ins Zentrum stellen und die erneuerbaren Energien ebenso rasch wie massiv ausbauen. Dazu gehört ein Photovoltaik-Boom – zu dessen Gelingen Bürger:innen entscheidend beitragen können und wollen.
Über zwei Millionen Solaranlagen, dezentrale Speicher, immer mehr Wärmepumpen und E-Autos – die neuen Möglichkeiten rufen laut nach einem neuen Verständnis von Stromversorgung. Das künftig erneuerbare Energiesystem muss stärker darauf setzen, Strombedarfe schon vor Ort zu koppeln.
Auf den Trend zur Eigenversorgung brauchen wir dringend eine energiewirtschaftliche Antwort, mahnt Thorsten Müller, Chef der Stiftung Umweltenergierecht, im Gespräch mit Klimareporter°. Das derzeitige Netzsystem ist für ihn "nicht gottgegeben". Er plädiert auch dafür, die Netzinfrastruktur auf neuer Grundlage zu finanzieren.
Kalenderwoche 37: Die Energiewende ist ein gigantisches Modernisierungs-Programm für Industrie und Infrastruktur, sagt Tim Meyer, Vorstand beim Öko-Energieversorger Naturstrom und Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°. Dabei sollten wir viel stärker auf Strom und Wärme aus "Vor-Ort-Systemen" setzen.
Das deutsche Energiesystem gehört vom Kopf auf die Füße gestellt. An die Stelle der alles gleichmachenden "Kupferplatte" müssen einzelne Gebäude, Gewerbeeinheiten und andere klar umrissene Elemente treten, die als geschlossene und systemisch gedachte "Vor-Ort-Systeme" betrieben werden.
Auch Stromkunden ohne Eigenheim sollen Zugang zu günstigem Ökostrom vom Dach bekommen, so will es die Erneuerbaren-Richtlinie der EU. Die Bundesregierung behauptet, sie habe die Richtlinie umgesetzt. Das Bündnis Bürgerenergie widerspricht und kündigt juristische Schritte an.
Einfache Stecker-Solaranlagen für den Balkon boomen, seit sie vor zwei Jahren legalisiert wurden. Die Mini-Anlagen sind auch für Mietwohnungen geeignet. Innerhalb einiger Jahre kommt der dreistellige Kaufpreis für die Plug-in-Module wieder herein.
Die Stärkung der gemeinschaftlichen Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien wäre eine große Chance, die Begeisterung für die Energiewende wieder zu wecken. Doch die Bundesregierung ließ sie ungenutzt verstreichen, obwohl sie damit europäische Regelungen ignoriert.
Die größeren Städte tun wenig für die Energiewende. Neben dem politischen Unwillen ist ein Problem, dass Gebäude meist in privater Hand sind und eine Stadt wenig vorschreiben kann. Das Berliner Volksbegehren zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Immobilienfirmen ist deshalb auch eine große Klima-Chance.
Kalenderwoche 36: Die Vorschläge des Wirtschaftsministeriums zur EEG-Novelle sind zu sehr auf große Energieversorger zugeschnitten, sagt Tim Meyer, Vorstand beim Öko-Energieversorger Naturstrom und Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°. Kleine und bürgernahe Projektierer drohen noch weiter aus dem Markt gedrängt zu werden.
Kalenderwoche 10: Noch immer wird so getan, als sei Eigenversorgung mit Solarstrom eine vollkommene Randerscheinung, sagt Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der nachhaltigen Investing-Plattform Wiwin und Mitglied im Klimareporter°-Herausgeberrat. Für den Durchbruch der Energiewende in den Städten braucht es einfache rechtliche und technische Regeln für Mieterstrom.
Bürgerenergie muss von Hemmnissen und bürokratischen Hürden befreit werden, um die Energiewende in Deutschland endlich zu beschleunigen. Dazu gehört der Eigenverbrauch von Ökostrom wie auch dessen Lieferung an Nachbarn oder im Quartier.
Die Ausbauzahlen bei Mieterstrom-Projekten sind erschreckend niedrig. Eigentlich sollte das Mieterstromgesetz den Bau neuer Solaranlagen auf den Dächern städtischer Mietshäuser vereinfachen. Doch bürokratische Auflagen und einschränkende Vorgaben verhindern das, monieren Kritiker.
In seinem "Erneuerbare-Energien-Report" fordert das Bundesamt für Naturschutz eine naturverträgliche Energiewende. Es empfiehlt unter anderem, die Energiewende in den Städten voranzutreiben.
Auf über 100 Seiten hat die Regierungskoalition von Union und SPD Änderungen am umstrittenen Energiesammelgesetz aufgelistet. Der Klimareporter° vorliegende Entwurf des Koalitions-Antrags, der heute im Wirtschaftsausschuss verhandelt werden soll, schwächt die scharf kritisierte Solarkürzung nur leicht ab.
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