Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bringt die Reform des Klimaschutzgesetzes auf den Weg. Den entsprechenden Gesetzentwurf hat das Wirtschaftsministerium am Mittwoch in die regierungsinterne Abstimmung gegeben. Schon nächste Woche soll die Gesetzesänderung im Kabinett beschlossen werden.
Die Ziele bleiben auch im neuen Gesetz unverändert. Bis 2045 soll Klimaneutralität erreicht werden und bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Deutschlands bisherige Emissionseinsparungen liegen laut Umweltbundesamt bei 40,4 Prozent.
Die Novelle erleichtert das geltende Klimaschutzgesetz allerdings um eines seiner Kernstücke – die Sektorziele. Sowohl die Einsparziele für die einzelnen Sektoren wie Verkehr, Energie, Gebäude oder Industrie als auch die damit verbundenen sektorspezifischen Sofortprogramme werden gestrichen.
Stattdessen soll der Fokus auf den Gesamtemissionen liegen. Wenn also zukünftig Klimaziele verfehlt werden, sollen nicht mehr automatisch die entsprechenden Ressorts, sondern die gesamte Bundesregierung nachsteuern.
Da es folgerichtig schwerer fallen wird, einzelne Sektoren für das Verfehlen von Klimazielen verantwortlich zu machen, soll der Blick insgesamt weniger auf der Vergangenheit liegen und stärker in die Zukunft gerichtet sein. Das Umweltbundesamt soll dazu einen jährlichen Bericht über die voraussichtliche Emissionsentwicklung der nächsten Jahre vorlegen.
Politische statt juristischer Verantwortung
Das kommt gerade den Ressorts zugute, die sich mit Emissionseinsparungen traditionell schwertun, allen voran Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Eine politische Ressortverantwortung bestehe allerdings nach wie vor, betonte Robert Habeck im Deutschlandfunk.
"Das ist zwar nicht mehr juristisch scharf, wie es bisher war", so Habeck, aber es gebe eine "politische Verantwortung". Konkret soll das so aussehen: Wenn die allgemeinen Reduktionsziele zwei Jahre in Folge verfehlt werden, wird politisch ausgehandelt, welche Ministerien einen Zahn zulegen sollen.
Dabei müssten dann "besonders die Ressorts liefern, die zur Zielverfehlung beigetragen haben", sagte Habeck. So ähnlich steht es auch im Gesetzentwurf. Was dann im Streitfall unter "besonders" zu verstehen ist, lässt der Entwurf offen.
Zusammen mit der Novelle geht auch der Entwurf für ein "Klimaschutzprogramm 2023" in die Kabinettsabstimmung. Das Programm enthält für alle Ressorts Maßnahmen, um den Klimaschutz voranzubringen. Sollten alle diese Punkte Realität werden, könnte sich die Klima-Lücke, die zwischen den Resultaten der Vorgängerregierung und den deutschen Klimazielen klaffte, zu 80 Prozent schließen.
So zumindest die Theorie. Tatsächlich lassen sich viele der Einzelmaßnahmen im Klimaschutzprogramm nur schwer quantifizieren.
"Verantwortungslosigkeit und Realitätsverweigerung"
Opposition und Klimaschützer:innen kritisieren den Gesetzentwurf. Dass Minister:innen für die klimapolitischen Versäumnisse in ihrem Ressort nicht mehr einstehen müssten, sei "organisierte Verantwortungslosigkeit", sagte Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Klimaschutz werde so zum "Spielball von Verhandlungen".
Damit wird nach wenigen Tagen der nächste umstrittene Klima-Kompromiss präsentiert, der von den Ampelparteien gelobt und von Klimaschützer:innen kritisiert wird. Erst am Dienstag hatte die Regierungskoalition ein Einigungspapier zum Heizungsgesetz vorgelegt.
Beides war bereits Ende März im Koalitionsausschuss beschlossen worden und sah sich schon damals heftiger Kritik ausgesetzt.
"In dieser Woche hat die Ampel-Regierung sowohl die zentralen Maßnahmen des Gebäudeenergiegesetzes gestrichen als auch Pläne zur völligen Entkernung des Klimaschutzgesetzes vorgelegt", sagte Linda Kastrup von Fridays for Future und legte nach: "Während vielerorts Wasser rationiert wird, Waldbrände außer Kontrolle geraten und Ernten in der Hitze zerstört werden, präsentiert die Bundesregierung damit ihre völlige klimapolitische Verantwortungslosigkeit und Realitätsverweigerung."
Habeck selbst zeigte sich nicht begeistert von dem neuen Gesetzentwurf. Er selbst hätte die Novelle nicht gebraucht, sagte der Wirtschafts- und Klimaminister dem Deutschlandfunk. Allerdings habe auch das bisherige Gesetz nicht dazu geführt, dass sich die Ministerien an ihre Klimaziele gehalten hätten. "Es gab das Klimaschutzgesetz und es gab die politische Realität."
Immerhin hätte man nach dem aktuellen Gesetz juristisch gegen Ministerien vorgehen können, die die Klimaziele wiederholt verfehlen. Das neue Gesetz schafft diese juristische Verantwortung nun ab und kommt damit den besonders unwilligen Ressorts entgegen.