Michael Müller. (Bild: Martin Sieber)

Das Wichtigste aus 52 Wochen: Sonst befragen wir die Mitglieder unseres Herausgeberrats im Wechsel jeden Sonntag zu ihrer klimapolitischen Überraschung der Woche. Zum Jahresende wollten wir wissen: Was war Ihre Überraschung des Jahres? Heute: Michael Müller, als SPD-Politiker bis 2009 Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium, heute Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands.

Immer deutlicher wird, dass die Menschheit, auch unser Land, in ein Jahrzehnt der Extreme geschlittert ist. Es begann 2020 mit der Corona-Pandemie.

Dann kam der Angriffskrieg auf die Ukraine. Wobei wir nicht vergessen dürfen, dass er "nur" einer von 21 Kriegen und 126 kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt ist.

Und in diesem Jahr registrieren die Messstationen bereits Werte an Treibhausgasen, die 1,5 Grad globale Erwärmung unabwendbar machen.

Aber was ist die Reaktion darauf? Verdrängung der Wahrheit!

Ich vermisse Menschen, vor allem Menschen in politischer Verantwortung, die die Kraft und das Vermögen haben, diesen Prozess zu stoppen und umzukehren. Er hat sich in diesem Jahr schneller zugespitzt, als ich das erwartet habe. Und das Schlimme ist: Jetzt, wo der "Ernstfall" da ist, steht der Kaiser ziemlich nackt da.

Die Infrastruktur unseres Landes verlottert, trotzdem werden weiter zweifelhafte Großprojekte geplant. Das Heizungsgesetz ist sicherlich von FDP und Bild unfair diffamiert worden, aber es war auch schlecht gemacht. Das sind nur zwei Schlaglichter auf die Situation hierzulande.

Die Klimakrise wird weltweit tiefer. Die Messstationen von Mauna Loa und Mauna Kea melden längst, dass der kritische Wert von 420 ppm überschritten ist, aber noch immer beharren die politisch Verantwortlichen darauf, dass der 1,5‑Grad-Pfad das Ziel ihrer Maßnahmen sei. Man hält es im Kopf nicht mehr aus, was an Selbsttäuschung stattfindet.

Noch weniger wurde begriffen, dass der Klimaschutz viel mit Selbstbegrenzung und einem Ende der Maßlosigkeit zu tun hat. Eine Maßlosigkeit, die sich auf dem Klimagipfel in Dubai beispielhaft abschreckend gezeigt hat.

Bei dieser 28. Klimakonferenz gab es 95.000 Teilnehmer, während es auf der ersten Konferenz in Berlin nur 5.000 waren. In Dubai fand eine Pressekonferenz mit gleich vier Staatssekretären der deutschen Bundesregierung statt. Was für ein Irrsinn.

In diesem Jahrzehnt der Extreme mit ihren multiplen Krisen ist Verantwortung wichtiger denn je. Aber wer übernimmt sie?