Der Kompromiss sieht vor, verschiedene Berichte vorzulegen, die allerdings in entgegengesetzte Richtungen zielen. (Bild: Nampix/​Shutterstock)

Nachdem SPD, Grüne und FDP ihren Streit ums Solarpaket, soweit bekannt, bereits im März beendet haben, ist seit gut einer Woche auch der Antrag öffentlich, der letzte Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz zusammenfasst. Die entsprechenden Vorschriften breiten sich auf mehr als 150 Seiten aus, samt den Erläuterungen, warum welcher Paragraf wie geändert werden soll.

Neun Seiten reichen den Ampel-Parteien jetzt aus, um ihre zu Wochenbeginn verkündete Einigung bei der Reform des Klimaschutzgesetzes in Paragrafen zu gießen. Formal ändert der Klimareporter° vorliegende Antrag (Drucksache 20(25)596) den seit Monaten im Bundestag schmorenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Klimaschutzgesetzes, zu finden im Bundestag unter der Nummer 20/8290.

Die neun Seiten lösen allerdings, wie eine erste Durchsicht zeigt, den zentralen Streitpunkt in der Klimapolitik der Koalition nicht wirklich, sondern schieben ihn künftigen Bundesregierungen und Bundestagen zu.

Den heftigsten Streit gab es in den letzten Tagen bekanntlich über den Umgang mit der absehbaren Überschreitung des CO2-Budgets für den Verkehrssektor. Derzeit droht der Verkehr laut jüngster Projektion des Umweltbundesamtes (UBA) bis 2030 rund 180 Millionen Tonnen CO2 mehr auszustoßen, als das Klimagesetz ihm bisher zugesteht.

Auf nationaler Ebene will die Ampel-Regierung dieses Problem lösen, indem die Reform des Klimagesetzes die Möglichkeit schafft, die verkehrlichen Überemissionen durch Einsparungen anderswo auszugleichen.

Das befreit Deutschland allerdings nicht von den Klimavorgaben im Rahmen der europäischen Lastenteilung, des "Effort Sharing". Diese Regelung in der EU‑Klimaschutzverordnung verlangt von den EU-Ländern, ihre Emissionen in den Sektoren Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfall von 2005 bis 2030 um 40 Prozent zu verringern.

Deutschland als wirtschaftlich starkes Land muss sogar 50 Prozent schaffen – und diese Vorgabe würde allein der deutsche Verkehrssektor laut der UBA-Projektion um 126 Millionen Tonnen CO2 verfehlen. Es drohen Kosten von bis zu einem Dutzend Milliarden Euro, um das Defizit durch den Kauf entsprechender CO2-Zertifikate auszugleichen.

Berichte sollen Druck für Klima-Maßnahmen erhöhen

Wie soll das Problem nun im neuen Antrag gelöst werden? Zunächst offensichtlich vor allem durch mehr Berichte, wie das Papier ausweist.

Bisher begnügt sich der Gesetzentwurf beim Effort Sharing damit, ins Klimagesetz den dürren Hinweis einzufügen, die Bundesregierung solle darauf hinwirken, einen Ankauf von Emissionszertifikaten zur Erfüllung der Pflichten nach der europäischen Klimaschutzverordnung zu vermeiden.

Politische Stimmen sahen darin zu Recht einen Freibrief, verletzte europäische Klimapflichten bequem durch den Kauf von Emissionszertifikaten zu lösen. Ausgeschlossen wird das im jetzt vorgelegten Antrag nicht. Vielmehr sollen nur zwei neue Absätze mit jeder Menge Berichtspflichten eingefügt werden.

Laut den geplanten Einfügungen muss die Bundesregierung – für den Fall, dass die projektierten Emissionen der Sektoren, die der EU-Klimaschutzverordnung unterliegen, die Summe der für 2021 bis 2030 in der Verordnung für Deutschland festgelegten Zuweisungen überschreiten – den Bundestag innerhalb eines Monats darüber unterrichten und zu möglichen Auswirkungen nach Artikel 8 der EU-Verordnung Stellung nehmen.

Zur Erläuterung: Artikel 8 der Klimaschutzverordnung sieht Abhilfemaßnahmen vor, die EU-Staaten zu ergreifen haben, wenn sie zu viel emittieren. Das sollen übrigens zusätzliche nationale Aktivitäten und Strategien sein.

Darauf nimmt ein zweiter Absatz Bezug, der nach dem Willen der Koalition ebenfalls neu ins Klimagesetz eingefügt werden soll. Er schreibt vor: Muss die Bundesregierung der EU-Kommission einen Plan für Abhilfemaßnahmen nach Artikel 8 vorlegen, so beschließt ihn die Regierung innerhalb der dort vorgesehenen Frist und leitet ihn unverzüglich dem Bundestag zu.

Was der Bundestag dann mit dem Abhilfe-Plan anfangen soll, bleibt noch offen. Auf jeden Fall werden diese erwartbaren Berichte klimapolitischen Handlungsdruck erzeugen, wie er vor allem von den Grünen angestrebt wird.

Für die FDP ist das Klimagesetz ab 2028 überflüssig

Parallel dazu wird im Änderungsantrag aber auch den Interessen der FDP Genüge getan. So soll ins Klimagesetz ein Absatz neu eingefügt werden, laut dem die Bundesregierung bereits im Juni 2024 einen Bericht mit einem Vorschlag für den "Übergang vom nationalen zum europäischen Brennstoffemissionshandel" vorzulegen hat. Letzterer soll bekanntlich spätestens 2027 starten.

Über den Sinn des Brennstoffs-Berichts klärt ein weiterer Passus auf, der ebenfalls neu ins Gesetz soll. Danach muss die Regierung auch untersuchen, "ob angesichts der Wirkung des europäischen Emissionshandels in der Zeit ab dem Jahr 2031 auf die Zuweisung von Jahresemissionsmengen für einzelne Sektoren verzichtet werden kann".

Der EU-Emissionshandel macht das Klimagesetz überflüssig: Das klingt nach FDP in Reinkultur und ganz nach dem jüngsten Statement des zuständigen FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler.

Denn Köhler hatte zur Klimagesetz-Einigung der Koalition erklärt, 2028 solle auch geprüft werden, ob die übrigen Regelungen im Klimaschutzgesetz ebenfalls abgeschafft werden können. Weil zu diesem Zeitpunkt der Emissionshandel das Erreichen der Klimaziele bereits europaweit sicherstelle, seien dann "keinerlei nationale Vorschriften mehr notwendig" – so die Sicht der FDP-Fraktion.

 

Der Änderungsantrag lässt damit offen, wie der Konflikt um die europäischen Klimapflichten tatsächlich gelöst werden soll. Die einen bestellen bei der Regierung Berichte, um Druck für nationale Klimaschutzmaßnahmen zu machen – und die anderen bestellen andere Berichte, damit solche Maßnahmen überflüssig werden und das Klimaproblem auch im Verkehr dem EU-Emissionshandel überantwortet wird.

Ob ein derart widersprüchlicher Kompromiss kommende Woche im Bundestag beschlossen wird, ist noch offen. Denn auf der ersten Seite der Vorlage prangt der Satz: "Der Änderungsantrag steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Bundestagsfraktion der FDP." Die kommt am Dienstag zur nächsten regulären Sitzung zusammen.