Der Wald soll mehr Biomasse liefern, steht aber selbst unter Druck. Eine vernünftige Strategie sieht anders aus. (Bild: Mario Hagen/​Pixabay)

Unsere natürlichen Ressourcen werden immer stärker beansprucht: Mit Holz soll gebaut werden. Aus Biomasse sollen Grundstoffchemikalien gewonnen werden. Mit Sprit vom Feld soll der Verkehr klimafreundlicher werden. Der CO2-Speicher Wald soll die unvermeidbaren Restemissionen aus Industrie und Landwirtschaft ausgleichen.

Doch die naturverträglich nutzbaren Mengen an Biomasse und die Flächen sind begrenzt. Zielkonflikte sind vorprogrammiert.

Die Nationale Biomassestrategie (Nabis) der Bundesregierung setzt hier an. Sie soll "einen Beitrag zur mittel- und langfristigen nachhaltigen Ressourcennutzung sowie zum Klima- und Biodiversitätsschutz leisten".

Eine kluge Steuerung ist auch dringend notwendig. Denn ohne Gegenmaßnahmen würde die künftige Nachfrage nach "Energiepflanzen", Holz und Co das Angebot um ein Vielfaches übersteigen.

Laut Projektionsbericht des Umweltbundesamtes wäre die Nachfrage nach Biomasse allein für energetische Zwecke bereits 2030 fast doppelt so hoch wie das inländische Potenzial – dazu kommt die absehbar steigende Nachfrage für die stoffliche Nutzung.

Es gilt daher, die begrenzte Biomassemenge in die wirklich notwendigen Bereiche zu lenken, also dorthin, wo bisher keine technologischen Alternativen zur Defossilisierung zur Verfügung stehen.

Anderenfalls droht ausgerechnet für diese Verwendungen am Ende keine Biomasse zur Verfügung zu stehen – oder, was wahrscheinlicher ist: Die Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen nimmt noch stärker zu.

Holzlobby erreichte Streichung aller Einschränkungen

Konkret hieße das: weiterhin viele Maismonokulturen für Biogasanlagen, mehr Raps- und Sojafelder für biogenen Diesel, mehr Holzeinschlag für Energiezwecke. In Zeiten von Klima- und Naturkrise können wir uns jedoch die Übernutzung und Schwächung der natürlichen Lebensgrundlagen nicht mehr leisten.

Vor allem bei der energetischen Holznutzung kämpft eine große Lobby gegen jegliche Einschränkungen. Doch unsere Wälder sind bereits heute in einem verheerenden Zustand. Zur intensiven wirtschaftlichen Nutzung gesellen sich Dürren, Stürme und Waldbrände.

Zugleich ruhen auf unseren Wäldern große Hoffnungen für den Klimaschutz: Als wichtigste CO2-Senke an Land sollen sie einen großen Teil der unvermeidbaren Restemissionen aus Landwirtschaft und Industrie ausgleichen.

Michaela Kruse

ist Referentin für Bio­energie beim Natur­schutz­bund Deutsch­land (Nabu). Die studierte Ökologin arbeitete viele Jahre zum Braun­kohle­ausstieg, bevor sie zum Nabu wechselte, um dort vor allem den vieler­orts geplanten Umstieg von Kohle auf Holz­bio­masse kritisch zu begleiten.

Auch im neuen Klimaschutzgesetz stehen dafür verbindliche Ziele im sogenannten LULUCF-Sektor (Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft). Diese Ziele sind jedoch ohne schnelles Handeln und ohne eine bald verabschiedete Biomassestrategie sowie nachfolgende Gesetze nicht erreichbar.

Immer weniger vitale Wälder bedeuten auch immer weniger und immer weniger sichere CO2-Speicherkapazität. Die Prognosen zeigen: Ohne konsequentes Gegensteuern – und dazu gehört auch weniger Holzentnahme – wird der Landnutzungssektor zum CO2-Emittenten statt zur Senke.

Der absehbare Holzboom, der durch die aktuellen Förderprogramme und Gesetze befeuert wird, steht daher auch dem LULUCF-Sektorziel diametral entgegen.

Beim Holz wird es besonders deutlich: Die aktuelle Biomasse-Politik mäandert umher – getrieben von Lobbyinteressen. Im "Heizungsgesetz" wurden alle Einschränkungen für Holzheizungen gestrichen, obwohl in den meisten Fällen mit der Wärmepumpe eine erneuerbare Alternative zur Verfügung steht. Und Pelletheizungen werden genauso gefördert wie Wärmepumpen.

"Dekarbonisierung" per Holzverbrennung?

Das Wärmeplanungsgesetz erlaubt den Städten und Kommunen, in ihren Wärmeplänen große Mengen Biomasse einzukalkulieren. Der für die Fernwärme im Jahr 2045 erlaubte Biomasse-Anteil von 15 Prozent soll zum Beispiel in Berlin ausgereizt werden. Das bedeutet einen Verbrauch von bis zu 1,5 Millionen Tonnen Holz im Jahr allein zur Wärmeerzeugung für die Hauptstadt.

Auch immer mehr Unternehmen setzen auf Holzbiomasse, um sich zu "dekarbonisieren". Selbst Kohlekraftwerke sollen auf importierte Holzpellets umgerüstet werden – etwa in Hamburg, wo für die Fernwärme jährlich mindestens 400.000 Tonnen Pellets verheizt werden sollen.

Ein Gutachten im bekannt gewordenen Nabis-Entwurf prognostiziert jedoch, dass 2045 in Deutschland nur noch 2,2 bis vier Millionen Kubikmeter Waldholz zur energetischen Nutzung zur Verfügung stehen werden. Diese Menge wäre mit den Plänen in Berlin und Hamburg schon erreicht. Ohne erhebliche Energieholz-Importe sind die aktuellen Pläne somit nicht umsetzbar.

 

Gleichzeitig wird mit dem Aufbau der Infrastruktur für CCS, also die CO2-Abscheidung und ‑Speicherung, bereits die Grundlage gelegt für eine riesige Nachfrage nach Biomasse für negative Emissionen im Industriesektor – Stichwort BECCS. Der Handlungsdruck ist also immens.

Bei Importen wird die Klimabelastung, die durch den Eingriff in den CO2-Speicher Wald entsteht, dem Exportland zugeschrieben. Werden bei biogenen Kraftstoffen aus Energiepflanzen alle Faktoren einberechnet, können diese sogar noch klimaschädlicher als fossile Kraftstoffe sein.

Bisher wird der CO2-Ausstoß bei der Verbrennung von Holz und biogenen Kraftstoffen hierzulande jedoch nicht gezählt – eine fatale Lücke, denn so wird das Verursacherprinzip bei der Klimabelastung ausgehebelt.

Eine vollständigere Bilanzierung der Emissionen aus Holz- und Kraftstoffverbrennung und eine entsprechende CO2-Bepreisung wären dringend nötig, damit Klimaschutz nicht nur auf dem Papier stattfindet.

"Technologieoffenheit" stößt an Grenzen

Eine Politik aus einem Guss ist nötig, um hier die Weichen zu stellen und auch für die betroffenen Branchen Planungssicherheit zu schaffen. Diese Diskussion muss dringend jetzt geführt werden: Wo ist Biomasse nötig, wo entbehrlich?

Wenn klar ist, wohin die Politik die begrenzten Mengen steuern will – und warum dorthin –, dann profitieren am Ende alle. Denn genau hier stößt die häufig propagierte "Technologieoffenheit" an ihre Grenzen: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch klug.

Die Bioenergie soll nicht, wie es oft heißt, "grundlos diskriminiert" werden, vielmehr muss die Nationale Biomassestrategie heute die richtigen Weichen stellen. Nur so können wir das begrenzt verfügbare Biomassepotenzial auch morgen noch nutzen und wirtschaftliche Bedürfnisse in Einklang mit dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bringen.