Die neuen Holzhäuser von Kokoni One in Berlin-Buchholz. (Bild: Naturstrom)

Am nördlichen Berliner Stadtrand entsteht im Bezirk Pankow das neue Öko-Quartier Kokoni One. Das Wohnungsbauunternehmen Incept realisiert im vorstädtischen Viertel Französisch Buchholz, nur drei Kilometer vor der Stadtgrenze, 84 Wohneinheiten in 32 Doppel- und Reihenhäusern.

Das nachhaltige Energiekonzept hat der Ökostromanbieter Naturstrom konzipiert und umgesetzt. "Ganzheitliche Energiekonzepte für komplette Quartiere wie hier bei Kokoni One in Pankow sind für die urbane Energiewende ein wichtiger Baustein", begrüßt Johannes Kraft (CDU), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, das neue Quartier in seinem Wahlkreis.

Eine Viertelstunde spaziert man von der nächsten Tramstation vorbei an kleinen Einfamilienhäusern, bis die ersten Holzbauten von Kokoni One erscheinen. Das 25.000 Quadratmeter große Gelände ist noch von einem Bauzaun umgeben. Schwere Maschinen fahren zwischen den Häusern herum, die wie aus dem Ei gepellt aus dem Boden wachsen.

Vor knapp fünf Jahren erwarb Incept die Fläche, um ein grünes Vorzeige-Quartier zu entwickeln. Die erste Reihe der Häuser ist bereits bewohnt. Das gesamte Quartier soll bis Herbst 2025 fertiggestellt werden.

Die Häuser wurden in einer Holztafelbauweise errichtet. Von Anfang an sei ihrem Unternehmen wichtig gewesen, sagt Incept-Projektleiterin Anna Tsuchiya, dass nicht nur der Betrieb, sondern auch der Bau nachhaltig ist. Bei der Holztafelbauweise werden einzelne Holzmodule vorgefertigt und vor Ort zusammengesetzt. Das Bauverfahren ist nicht nur sehr zeiteffizient, es gilt auch als besonders nachhaltig.

Das liegt vor allem an dem Baustoff selbst. Bäume binden Kohlenstoff, der "in der Baukonstruktion sowie in der Fassade" viele Jahrzehnte gespeichert wird, wie Anna Tsuchiya erklärt.

Die von Klimawissenschaftler:innen aus Potsdam gegründete Initiative Bauhaus Erde sieht in Holz als Baumaterial gar eine Möglichkeit, den Bausektor von einer CO2-Quelle zu einer CO2-Senke zu transformieren. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, schließlich müsste auch gewährleistet sein, dass das Holz aus nachhaltig bewirtschafteten und regionalen Forsten stammt, um bei einem großskaligen Einsatz keinen ökologischen Schaden anzurichten.

Ein vollständig regenerativer Energiekreislauf

Für Kokoni One kommen die fertigen Holztafeln aus Niedersachsen, das Holz selbst stammt aus Deutschland, Österreich und Skandinavien und hat das vergleichsweise schwache PEFC-Zertifikat.

Über das Holz hinaus achtet Incept auf die Verwendung nachhaltiger Materialien, etwa Zellulose und Holzwolle zur Dämmung. Das Unternehmen versucht damit, auf CO2-intensive Produkte wie Stahl und Beton so weit wie möglich zu verzichten.

Neben dem klimapositiven Bau soll die Energieversorgung des Quartiers "emissions-, brennstoff- und fossilfrei funktionieren", teilen Incept und Naturstrom mit. "Herzstück des Energiekonzepts ist unser Geothermie-Nahwärmenetz", sagt Sarah Debor, Abteilungsleiterin bei Naturstrom.

Sarah Debor von Naturstrom und der Buchholzer Abgeordnete Johannes Kraft vor den Wärmepumpen. (Bild: Naturstrom)

Knapp 100 Meter tief im Erdboden entziehen 68 Erdwärmesonden dem Boden Wärme. Zwei Sole-Wasserwärmepumpen heizen die Wärmeträgerflüssigkeit der Sonden schließlich auf 40 Grad auf.

Über ein 1.200 Meter langes, gedämmtes Nahwärmenetz gelangt die Wärme in die Häuser, in denen die Räume durch moderne Fußbodenheizungen aufgewärmt werden. 40 Grad ist dafür zwar eine relativ niedrige Temperatur, soll aber aufgrund des wärmeeffizienten Baus nach dem KfW‑Standard 55 ausreichen, um ein angenehmes Wohnklima zu gewährleisten.

Dabei funktioniert der Wärmefluss zwischen Erdreich und Oberfläche in beide Richtungen. Im Sommer kann den Gebäuden Wärme entzogen und über das Nahwärmenetz wieder in den Boden zurückgeführt werden.

Debor: "Auf diese Weise entsteht ein vollständig regenerativer Energiekreislauf, durch den wir die Zahl der Erdsonden stark reduzieren konnten. Nachhaltige Planung lohnt sich auch wirtschaftlich."

Für den ungeübten Beobachter scheint es zuerst, als ob trotz aller Nachhaltigkeit die Photovoltaikanlagen vergessen wurden. Dem ist nicht so, es handelt sich allerdings um Module, die direkt in das Dach integriert und kaum erkennbar sind. Mit einer Spitzenleistung von 300 Kilowatt liefern die Anlagen lokalen Ökostrom.

Kosten bis zu 1,2 Millionen Euro

Die Solaranlagen versorgen die beiden Wärmepumpen sowie die E‑Auto-Ladestationen mit Strom und decken auch einen Teil des sonstigen Strombedarfs der Haushalte. Insgesamt sollen 31 Prozent des lokalen Strombedarfs von den eigenen Anlagen gestillt werden.

Überschüssiger Solarstrom wird ins Netz eingespeist. Ebenso wird der sonstige Strombedarf über das Netz bezogen.

Incept und Naturstrom wollen in dem Tortenstück-förmigen Quartier alles richtig machen. Zwischen den Häusern soll eine Streuobstwiese entstehen. Sogar ein Gemeinschaftshäuschen für das nachbarschaftliche Sozialleben wird es geben, unter reichlich Dachbegrünung.

Das alles hat seinen Preis – zumal die Wohneinheiten nicht vermietet, sondern allesamt verkauft werden. Die kleinsten Einheiten mit 95 Quadratmetern werden dabei für knapp 700.000 Euro angeboten. Für rund 160 Quadratmeter wächst der Preis auf bis zu 1,2 Millionen Euro.

Das "One" im Namen weist schon darauf hin, dass es mit einem solchen Quartier nicht getan sein soll. Incept plant in Britz, im Süden des Berliner Bezirks Neukölln, ein weiteres solches Quartier und auch im Bezirk Pankow soll noch eins entstehen.

Zielgruppengerecht ist der Innenausbau des Modellhauses puristisch-modern, mit vielen Holzflächen, den obligaten Designerstühlen in der offenen Küche, einem Kinderzimmer sowie einem Arbeitszimmer im zweiten Stock.

Die ÖPNV-Anbindung lässt in diesem Teil von Französisch Buchholz zu wünschen übrig, was allerdings weder Incept noch Naturstrom angelastet werden kann.

Sanierung von Bestandsgebäuden ist ressourcenschonender

Beide Unternehmen halten sich mit Kritik an den politischen Bedingungen nicht zurück. Die deutsche Bürokratie mache die Installation von Erdwärmenetzen extrem schwierig, kritisiert Sarah Debor. Die Anforderungen und Genehmigungen könnten von Behörde zu Behörde unterschiedlich ausfallen.

Dennoch muss sich die Frage anschließen, inwiefern so ein gehobenes Quartier eine wirkliche Lösung für die schleppende Bau- und Wärmewende in Deutschland darstellt. Im Vergleich zum Neubau – wie nachhaltig auch immer – würde ein Turbo bei der energetischen Modernisierung von Bestandsgebäuden nicht nur Ressourcen schonen, sondern auch den Bestand an städtischen Grünflächen.

Dem Kokoni-One-Quartier musste etwa eine Kleingartensiedlung weichen.

Der CDU-Abgeordnete Johannes Kraft, der bei der Präsentation nur in höchsten Tönen von dem neuen Quartier schwärmt, betont, dass die Politik den Klimaschutz nur über Marktanreize effektiv voranbringen könne.

Dabei bewirkt gerade diese Politik, die vor allem auf ökonomische Instrumente vertraut, dass schicke Öko-Quartiere auf vorherigen Freiflächen entstehen, während Altgebäude weiter auf die energetische Sanierung warten. Mit Neubauten lässt sich schlicht mehr Geld verdienen.

Und das, obwohl Hauseigentümer:innen die Modernisierungskosten komplett auf die Miete umlegen können, wie Mieter:innenverbände immer wieder kritisieren. Aber solange sich Klimapolitik auf das Setzen von Marktanreizen konzentriert, ist an Instrumenten wie der Modernisierungsumlage schwer zu rütteln.