Abgestorbene hohe Fichten zwischen noch lebenden Bäumen an einem Wanderweg am Berghang.
Waldsterben im Schwarzwald. (Bild: Heinrich Spiecker)

"Waldsterben 2.0" nennen Umweltschützer das, was derzeit in den deutschen Forsten passiert. Seit Beginn der Serie von Trockenjahren 2018 sind die Bäume auf rund fünf Prozent der Waldfläche abgestorben – vor allem wegen Dürren, Schädlingsbefall und Sturmwurf.

Doch neue Forschungen zeigen nun: Auch schon das erste Waldsterben in den 1980er und 1990er Jahren war sehr stark von den Klimaveränderungen geprägt, zumindest im Schwarzwald, für den Forstexperten das Baumwachstum, die Baumabsterbe-Raten und die klimatische Wasserbilanz untersucht haben.

Erste Warnungen vor den "neuartigen Waldschäden" hatte es Ende der 1970er Jahre gegeben, im Jahrzehnt danach nahm der Baum-Exitus dann stark zu. Als Hauptursache galt damals die hohe Belastung durch Luftschadstoffe, die vor allem aus Kohlekraftwerken, Automotoren und Hausheizungen stammten. Stichwort saurer Regen. Ein möglicher Einfluss klimatischer Veränderungen wurde damals kaum diskutiert, die Forschung dazu stand noch ganz am Anfang.

Doch eine neue Studie der Universität Freiburg weist nach: Das zunehmend geringere Wasserangebot war auch schon damals der Haupttreiber der Schäden in den untersuchten Waldflächen des Schwarzwaldes, und diese haben inzwischen so dramatische Werte angenommen, dass ein Fortbestand der Wälder gefährdet ist.

Zwei Freiburger Forstwissenschaftler, die Professoren Hans-Peter Kahle und Heinrich Spiecker, haben jetzt eine Langzeitstudie über den Einfluss von Klimaveränderungen auf die Bäume im Schwarzwald vorgelegt. Sie zeigt: Klimafolgen wie trockene und heiße Sommer reduzieren das Wachstum der Bäume und erhöhen die Absterberate, da sie die "Wasserbilanz" negativ beeinflussen, also die Differenz zwischen Niederschlag und Verdunstung.

Es wurde über viele Jahrzehnte – mit Schwankungen, aber doch deutlich messbar – immer trockener. Die Studienergebnisse sind in der Fachzeitschrift Global Change Biology erschienen.

Sieben magere und sieben fette Jahre

Die Wissenschaftler, beide Experten für Waldwachstum, nutzten eine Zeitreihe von 1953 bis 2020 zur jährlichen "Mortalität" der Bäume auf einer Fläche von rund 250.000 Hektar in öffentlichen Wäldern des Schwarzwaldes. Vorrangig wurden jene Bäume untersucht, die aufgrund von Insekten- oder Pilzbefall, Schadstoffeinträgen, Frost oder Dürre abstarben.

Diese Daten setzten die Forscher mit den Werten einer zweiten Zeitreihe zur klimatischen Wasserbilanz der Monate Mai bis September – also der Hauptwachstumszeit – in Beziehung. Diese Zeitreihe erstreckt sich sogar über rund 140 Jahre, nämlich zurück bis 1881. "Die uns vorliegende Zeitreihe zur Mortalität der Bäume im Schwarzwald ist bezüglich Länge, Raumbezug und Konsistenz einzigartig", erläuterte Kahle bei der Vorstellung der Studie.

 

Die Daten zur Wasserbilanz zeigen über den langen Zeitraum kontinuierlich rückläufige Werte, wobei die Experten eine gewisse Regelmäßigkeit im Auftreten von kühl-feuchten und warm-trockenen Perioden feststellten. Diese wiederholten sich etwa alle 14 Jahre.

"Es gab sozusagen immer sieben magere und sieben fette Jahre", sagt Kahle gegenüber Klimareporter°. Allerdings waren im Zeitverlauf die kühl-feuchten Perioden zunehmend schwächer und die warm-trockenen Perioden zunehmend stärker ausgeprägt.

"Auch das erste Waldsterben spiegelt sich in dieser Analyse wider", betonte Kahles Kollege Spiecker. Dessen Ausmaß lasse sich für die Region Schwarzwald sogar allein mit den Trockenheitsschüben und dem damit einhergehenden Borkenkäferbefall erklären. Mit anderen Worten: Dem Wald wäre es damals sogar ohne den sauren Regen schlecht gegangen.

Das bedeutet zwar nicht, dass die Schwefel- und Stickstoffverbindungen in der Luft, die dann durch die politisch durchgesetzte Einführung von Schwefelfiltern in den Kraftwerken und Katalysatoren in den Autos stark zurückgingen, keinen Einfluss hatten. Es belegt aber den bereits zu dieser Zeit starken Einfluss der Klimaerwärmung.

"Das kann nicht lange gutgehen"

Inzwischen aber, 20, 30 Jahre später, zeigt sich die Klimawirkung noch viel deutlicher: Während in den 1980er Jahren maximal zwölf Prozent des jährlichen Holz-Zuwachses durch abgestorbene Bäume "wegfielen", ist die Absterberate nach den extrem trockenen Sommern 2018 bis 2020 auf mehr als 40 Prozent angestiegen. Laut den Experten erreichte die Baum-Mortalität 2019 einen Spitzenwert, nämlich mehr als das Siebenfache der durchschnittlichen Absterberate im Zeitraum von 1953 bis 2017.

Ob das bisher relativ feuchte Jahr 2023 hier deutliche Entlastung bringt, ist Kahle zufolge offen. "Gilt die Sieben-Jahres-Regel weiterhin, dann würde die Trockenphase mit im Schnitt niedrigerem Wasserangebot, die 2018 einsetzte, noch bis 2024 laufen", erläutert er.

Kahle glaubt, dass der Einfluss des Klimawandels auf den Wald auch in anderen Regionen groß ist, "nicht nur im Schwarzwald, wo wir besonders gute Daten dafür haben". Die Bäume litten überall, wo der Niederschlag gesunken oder gleich geblieben ist, während die durch die globale Erwärmung angestiegene Lufttemperatur die Verdunstung erhöht, sich unter dem Strich also weniger Wasser im Boden findet.

Dabei ist der Schwarzwald aktuell gar nicht einmal die Region mit den stärksten Waldschäden bundesweit. "Es gibt andere Gebiete, in denen ist es noch dramatischer", sagt der Forstexperte, "zum Beispiel in NRW, Niedersachsen und Thüringen".

 

Die beiden Freiburger Forscher raten dringend zu einem noch aktiveren Waldumbau, als er bisher geplant ist, um die Flächen bewaldet halten zu können. "Wir müssen etwas tun, denn wenn die Bäume schneller absterben, als etwas nachwächst, kann das nicht lange gut gehen", sagt Kahle.

Trockenheits- und Hitzestress-tolerantere Baumarten wie Eiche, Hainbuche, Linde, Spitzahorn, Elsbeere und Douglasie seien angezeigt, außerdem ein Übergang von Nadelholz-Monokulturen zu Mischwäldern, die mit dem veränderten Klima besser zurechtkommen.