Wie kam es zum "Heizungsgesetz"?

Ein erster Entwurf des sogenannten Heizungsgesetzes wurde Ende Februar durchgestochen. Seitdem gibt es einen erhitzten Streit um einen "Heizhammer".

Rechtlich handelt es sich bei dem Gesetz um die zweite Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) aus dem Jahr 2020. Die Novelle wurde Mitte April vom Bundeskabinett beschlossen – mit der klaren Vorgabe, dass sie vom Parlament überarbeitet wird.

Das Ergebnis war eine mehr als 100-seitige "Formulierungshilfe", in der das Wirtschaftsministerium die Änderungswünsche der Regierungsfraktionen gesetzestechnisch umsetzte. Dieses Papier arbeiteten SPD, Grüne und FDP dann in einen Änderungsantrag zum GEG um. Der wiederum wurde vom zuständigen Bundestagsausschuss am 5. Juli gebilligt.

Das so geänderte Gesetz sollte dann zwei Tage später noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden. Diese Beratungsfrist erschien einem CDU-Abgeordneten zu kurz. Dessen Klage gab das Bundesverfassungsgericht statt – daraufhin verschob die Regierungskoalition die Verabschiedung des neuen Gebäudeenergiegesetzes auf den heutigen Freitag. Gelten sollen die Regeln ab Anfang 2024.

Eine sogenannte bereinigte Textfassung des novellierten Gesetzes mit allen Änderungen gibt es bis heute allerdings nicht. Die maßgebliche Vorlage, aus der sich die künftigen Regeln mehr schlecht als recht herauslesen lassen, ist eine Synopse aus dem im April beschlossenen Gesetz und der "Formulierungshilfe".

Ist mit dem Gesetz nun alles geregelt?

Nein, parallel zum "Heizungsgesetz" laufen zwei weitere Regelungsvorhaben. Zum einen soll bis Jahresende eine Regierungsvorlage zur Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze beschlossen werden. Einen Entwurf dieses Gesetzes zur kommunalen Wärmeplanung, wie es meist kurz genannt wird, hat das Kabinett Mitte August gebilligt.

Es verpflichtet die Bundesländer, dafür zu sorgen, dass ihre Großstädte bis Mitte 2026 Wärmepläne aufstellen. Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnern sollen dies bis Mitte 2028 tun. Deswegen soll sich Ende September zuerst der Bundesrat damit erstmals befassen, danach der Bundestag.

Des Weiteren ist eine Förderrichtlinie für Einzelmaßnahmen innerhalb der Bundesförderung für effiziente Gebäude ("BEG EM") in Arbeit. Die Richtlinie soll ebenfalls Anfang 2024 in Kraft treten. Sie bestimmt, wie der Einbau klimafreundlicher Heizungen speziell in privaten Haushalten gefördert werden soll. Die Richtlinie soll demnächst vom Kabinett und dann auch im Bundestag verabschiedet werden.

Was schreibt das Heizungsgesetz ab 2024 vor?

Es bleibt bei der ursprünglichen Vorgabe, dass ab Anfang kommenden Jahres jede neue Heizungsanlage zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme (etwa aus naher Industrie oder Rechenzentren) betrieben werden soll.

Die 65 Prozent gelten sowohl für Heizungen in bereits bestehenden Gebäuden als auch für Heizungen in Neubauten. Für Gebiete mit kommunaler Wärmeplanung verschiebt sich der Gültigkeitstermin für die 65 Prozent allerdings de facto auf Mitte 2026 beziehungsweise Mitte 2028.

Um das 65-Prozent-Kriterium mindestens zu erfüllen, gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten: Anschluss an ein Wärmenetz, Einbau einer elektrischen Wärmepumpe, einer Stromdirektheizung, einer solarthermischen Anlage oder einer Biomasseheizung (Holz, Pellets, Biogas, Biomethan).

 

Möglich sind auch Hybridheizungen, bei denen ein erneuerbarer Anteil wie Wärmepumpe oder Solarthermie das 65-Prozent-Kriterium erfüllt. Die restliche Heizenergie kann dann zunächst aus fossilen Quellen wie Erdgas und Erdöl kommen.

Dass der erneuerbare 65-Prozent-Anteil bei der eingesetzten Heizenergie erreicht wird, ist für jede Heizungsanlage vor der Inbetriebnahme nachzuweisen.

Akzeptiert wird dabei auch eine neue Erdgasheizung, sofern sie künftig Wasserstoff verbrennen kann, also "H2‑ready" ist. Der Wasserstoff kann dabei erneuerbar hergestellt werden oder aus Erdgas mit anschließender CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS).

Das allein reicht aber nicht. Die "H2‑ready"-Heizung muss außerdem laut kommunaler Wärmeplanung in einem Wasserstoffnetzausbaugebiet liegen, das spätestens Ende 2044 vollständig mit Wasserstoff versorgt wird. Ob das passiert, muss der jeweilige Betreiber des Gasnetzes bis Ende 2028 in einem verbindlichen Umstellungsfahrplan für Wasserstoff zusichern.

Weil die Wärmepläne der Kommunen erst in einigen Jahren vorliegen, dürfen schon bestehende Heizungen in Bestandsgebäuden bis 2026 beziehungsweise 2028 auch noch durch solche ersetzt werden, die das 65-Prozent-Kriterium nicht erfüllen. Die 65 Prozent müssen dann ab dem Zeitpunkt erfüllt werden, zu dem die Kommune den Wärmeplan vorlegt.

Wer in die Zwangslage gerät, seine Gasheizung austauschen zu müssen, ohne dass schon eine kommunale Wärmeplanung vorliegt, für den eröffnet der Gesetzgeber auch die besondere Möglichkeit, bis 2026 respektive 2028 noch eine neue Gasheizung einzubauen. Diese muss dann ab 2029 zu 15 Prozent mit Gas aus Biomasse oder mit Wasserstoff betrieben werden. Der vorgeschriebene klimaneutrale Gasanteil steigt ab 2035 auf 30 und ab 2040 auf 60 Prozent

Bevor eine Heizungsanlage eingebaut wird, die mit einem festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoff betrieben wird, verlangt das Heizungsgesetz eine Pflichtberatung, die auf mögliche Auswirkungen der Wärmeplanung und eine mögliche Unwirtschaftlichkeit hinweist, vor allem wegen ansteigender CO2-Preise.

Wie wird die Heizungsumstellung voraussichtlich gefördert?

Eckpunkte für die Förderung hat der Bundestagsausschuss bereits im Gesetzesbeschluss festgelegt. Staatlich unterstützt wird danach vor allem der Tausch einer alten, fossilen gegen eine neue, klimafreundliche Heizung. Heizungen mit Gas- und Ölverbrennung werden nicht gefördert. Bei Wasserstoffheizungen sind nur die zusätzlichen Kosten förderfähig, um "H2‑ready" zu werden.

Es soll eine Grundförderung von 30 Prozent der Investitionskosten der neuen Heizungen für alle Wohn- und Nichtwohngebäude gewährt werden. Nutzen können dies alle privaten Hauseigentümer, Vermieter, Unternehmen, gemeinnützigen Organisationen, Kommunen sowie Firmen, die Gebäudewärme bereitstellen.

Die Grundförderung soll mit einem Einkommensbonus von zusätzlich 30 Prozent der Investitionskosten kombiniert werden. Den Bonus erhalten alle selbstnutzenden Wohneigentümer mit einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von bis zu 40.000 Euro pro Jahr. Des Weiteren ist ein Klima-Geschwindigkeitsbonus von 20 Prozent der Investkosten geplant.

Die Grundförderung und die Boni können kombiniert werden – bis zu einem Höchstfördersatz von 70 Prozent. Maximal förderfähig sind Investitionskosten von 30.000 Euro für den Heizungstausch in einem Einfamilienhaus. Bei Mehrparteienhäusern liegen die maximal förderfähigen Kosten bei 30.000 Euro für die erste Wohneinheit, für die zweite bis sechste Wohneinheit bei je 10.000 Euro und ab der siebten Wohneinheit bei 3.000 Euro pro Wohneinheit.

Dazu kommen noch Förderungen für Effizienzmaßnahmen und ergänzende Kreditprogramme der KfW.

Wie vollzieht sich die Dekarbonisierung des Heizungssektors?

Um die Gebäude bis 2045 klimaneutral zu bekommen, ist der Heizungstausch nur eine Maßnahme von mehreren – und dabei nicht einmal die wichtigste.

Entscheidend ist vor allem, den Energieverbrauch der Gebäude zu senken. Dieser lag 2020 bei knapp 970 Milliarden Kilowattstunden und sollte bis 2045 um ein Drittel auf rund 660 Milliarden Kilowattstunden sinken, rechnete eine im März veröffentliche Studie des Beratungsunternehmens Prognos im Auftrag des Wirtschaftsministeriums aus.

Dazu muss die Sanierungsrate für Gebäude, die derzeit bei jährlich einem Prozent des Bestandes liegt, auf bis zu vier Prozent steigen. Noch immer schwankt die Effizienz des Gebäudebestandes stark. Manche ungedämmten Gebäude benötigen mehr als 300 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter Wohnfläche, während moderne Gebäude weniger als 50 Kilowattstunden verbrauchen.

Noch gar keine Rolle in den Konzepten spielen Aspekte wie die sogenannte Flächeneffizienz, also etwa die Eingrenzung des Pro-Kopf-Wohnflächenbedarfs.

Wie im Verkehr soll auch im Gebäudesektor die Dekarbonisierung durch stärkeren Einsatz von grünem Strom erreicht werden. Laut der Prognos-Studie werden in Deutschland derzeit rund 50 Milliarden Kilowattstunden Strom eingesetzt, um Gebäudewärme zu erzeugen. Zum Vergleich: So viel Strom erzeugen heute alle Photovoltaikanlagen in Deutschland.

Vor allem wegen des Umstiegs auf Wärmepumpen wird sich der Strombedarf für die Gebäudewärme künftig auf das Drei- bis Sechsfache erhöhen. Weil zugleich der erneuerbare Anteil im Strommix steigt und ab 2035 an die hundert Prozent herankommen soll, wird auch der Einsatz der Wärmepumpen immer klimafreundlicher.

Erweitert und auf grüne Energie oder Abwärme umgestellt werden künftig auch die Wärmenetze. Das gilt besonders für städtische und dicht besiedelte Gebiete. Die Wärmenetze sollen lokale Quellen nutzen, wie Abwärme aus Industriebetrieben und aus Kläranlagen, Großwärmepumpen, tiefe Geothermie oder Solarthermie.

Weniger bedeutend sind laut Prognos künftig Stromdirektheizungen sowie strombasierte Brennstoffe wie Wasserstoff. Unklar ist noch, inwieweit Biomasse im Heizungsbereich eine Rolle spielen wird. Hier gehen die Prognosen bisher stark auseinander.

Letztendlich verringert sich der Raumwärmebedarf auch durch den Klimawandel selbst – bis 2050 um rund ein Zehntel, legen Studien nahe. Allerdings erhöht sich zugleich auch die Nachfrage nach Kühlung in den Gebäuden.