Auf einem Feld stapelt ein Traktor Strohballen mit einer Gabel.
Stroh vom Acker könnte bald sehr gefragt sein. (Foto: Konstantin Christian/​Shutterstock)

Kraftstoff aus Stroh – das gibt es bereits. Der Biosprit-Hersteller Verbio aus Sachsen-Anhalt zum Beispiel produziert Biomethan aus dem Reststoff vom Feld, das unter anderem für Busse mit Gasantrieb genutzt wird.

Ein neues Verfahren, entwickelt an der Technischen Universität Darmstadt, kann die Produktion von Kraftstoffen aus Agrar-Reststoffen oder Bioabfällen nun noch effizienter machen. Der Umwandlungsprozess funktioniert nämlich ohne zusätzliche Energie. Das Verfahren könne dazu beitragen, "die Transportbranche in Richtung CO2-Neutralität zu bewegen", so das Entwicklungsteam.

Stroh ist hierzulande in großen Mengen verfügbar, es geht um rund 20 Millionen Tonnen jährlich. Nach der Ernte verrottet ein großer Teil davon normalerweise auf dem Acker. Würde ein Großteil davon zu Kraftstoffen umgewandelt, könnten zum Beispiel etwa 50 Prozent des Schwerlastverkehrs darauf umgerüstet werden, heißt es bei Verbio.

Zudem würde das die "Tank oder Teller"-Debatte entschärfen, denn für das Stroh und die Bioabfälle müssen dann keine Pflanzen wie Raps oder Weizen als Energierohstoff angebaut werden.

Bei der Umwandlung der Reststoffe werden diese in einem Reaktor erhitzt und in gasförmige Produkte überführt. Das Team vom Institut für Energiesysteme und Energietechnik der TU Darmstadt arbeitet dabei mit einer neuen Vergasertechnologie: Der erforderliche Sauerstoff wird durch die Oxidation eines reichlich verfügbaren und ungiftigen Metalloxids bereitgestellt. Bei der Methode ist man nicht mehr auf kostspieligen reinen Sauerstoff angewiesen, der üblicherweise bei solchen Prozessen erforderlich ist.

Weiterer Vorteil der Technologie, die unter Leitung des Maschinenbau-Professors Bernd Epple entwickelt wurde: Sie ermöglicht eine effiziente Abtrennung des bei der Reaktion gebildeten Treibhausgases Kohlendioxid in einer nachgeschalteten Synthesegas-Reinigungsanlage.

Wird dieses CO2 dann endgelagert oder in der Chemieproduktion genutzt, soll die gesamte Prozesskette von der Biomasse zum Kraftstoff sogar einen negativen CO2-Fußabdruck aufweisen.

"Wir können verschiedenste Kohlenwasserstoffe synthetisieren"

In Darmstadt wurde bisher eine Pilotanlage mit einer Leistung von einem Megawatt gebaut. Jetzt plant das Team zwei weitere Versuchskampagnen, um den Betrieb zu optimieren und weitere Prozessschritte zu entwickeln. Dabei geht es um die Reinigung des gewonnenen Methans und dann die Umwandlung in flüssige Kraftstoffe.

 

Diese Treibstoffe könnten dann etwa auch in herkömmlichen Lkw als Diesel-Ersatz oder im Flugverkehr anstelle von Kerosin genutzt werden. Verläuft die Entwicklung weiter erfolgreich, könnte das Verfahren schließlich großtechnisch eingesetzt werden.

Die Anwendungspalette ist breit. "Mit dem Verfahren können verschiedenste Kohlenwasserstoffe synthetisiert werden", sagte Epple gegenüber Klimareporter°. Der Blick richte sich vor allem auf Bereiche, die derzeit nicht ohne den Einsatz fossiler Energieträger auskommen – etwa auf die chemische Industrie.

"Wir betrachten dabei speziell die Fischer-Tropsch-Produkte", so Epple. Diese Stoffe dienten als Grundchemikalien und könnten somit einen Teil des fossilen Rohöls ersetzen. Sie ließen sich aber eben auch im Verkehrssektor nutzen.

Der Professor betont: "Das Verfahren ist fortschrittlicher als vergleichbare Technologien, da kein Sauerstoff benötigt wird und gleichzeitig keine Emissionen auftreten." Zudem fielen in der Produktion nur geringe Mengen Abfälle an. Es handelt sich Epple zufolge um Abwasser, das aufbereitet werden kann, und um Eisenstaub, der ebenfalls für weitere Anwendungsbereiche genutzt wird, etwa in der Stahlherstellung.

Die Darmstädter Entwicklung ist Teil des EU-Forschungsprojekts Clara zur Herstellung von Biokraftstoffen durch "Chemical Looping Gasification", in dem unter Leitung der TU Darmstadt 13 Forschungsinstitutionen aus mehreren Ländern zusammenarbeiten, darunter auch die Universitäten von Wien, L'Aquila und Ulster sowie der Energiekonzern RWE Power. Clara wird über das EU-Programm "Horizon 2020" mit knapp fünf Millionen Euro gefördert.

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