Zusammengelegte Hände mit einem Häufchen Pellets, die gerade einem Blechkasten entnommen wurden.
Auch wenn immer noch etwas anderes behauptet wird: Holzpellets sind kein Klimaschutz. (Foto: Luca Bertolli/​Minerva Studio/​Shutterstock)

Würden alle Häuser so aussehen, Putin hätte nicht so leichtes Spiel mit seinem Energiekrieg gegen die EU. Das Einfamilienhaus von Gerhard Schuster und seiner Frau Thea, gebaut in den 1970er Jahren, ist klimafreundlich saniert.

Wärmegedämmte Fassaden, Wärmeschutz-Fenster, eine Solaranlage fürs Warmwasser, eine weitere für Strom. Seit Neuestem fahren die beiden ein E-Auto, und die Elektrizität, die sie nicht selber herstellen, kommt von einem Ökostromanbieter.

Im Keller des Hauses steht eine Pelletheizung, in der pro Jahr gut zwei Tonnen der kleinen Holzpresslinge verfeuert werden, die vor allem aus Reststoffen der Sägeindustrie hergestellt werden. Die beiden Senioren aus der Gemeinde Kriftel bei Frankfurt am Main wohnen praktisch klimaneutral. 

Trotzdem lässt die Energiekrise die beiden Krifteler natürlich nicht kalt. "Der Energieverbrauch in Deutschland könnte heute schon viel niedriger liegen, wenn die Energiewende in den letzten 30 Jahren konsequent umgesetzt worden wäre", sagt Schuster, ein pensionierter Physikingenieur. Die Abhängigkeit von Erdgas wäre viel geringer, meint er.

Doch die Krise trifft das Ehepaar auch direkt. Kürzlich hat Schuster sich Angebote für eine neue Lieferung Pellets kommen lassen. Und: Die Preise sind gegenüber der letzten Beladung des Speichers im Keller förmlich explodiert. Damals, im März 2021, kostete die Tonne der kleinen Presslinge rund 200 Euro. Jetzt würden über 750 Euro dafür fällig. "Das ist der Hammer", sagt Schuster. 

Preissteigerung um 222 Prozent

Tatsächlich liegt der Preisanstieg über dem von Heizöl und ist vergleichbar mit den Erhöhungen der Abschlagszahlungen, die viele Erdgas-Kunden nun leisten müssen. Laut dem Deutschen Pelletsinstitut (Depi) kostete eine Tonne im September durchschnittlich 764 Euro und damit 222 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Das Institut rechtfertigt die Preisexplosion mit drei Faktoren. So seien die Energie zur Pelletproduktion und der Diesel für die Auslieferung per Lkw teurer geworden, zudem hätten die Kunden mehr bestellt als üblich, also offenbar aus Sorge, künftig werde alles noch teurer oder noch knapper als jetzt schon. "Viele Heizungsbetreiber bestellen Pellets auch ohne akuten Bedarf", so das Depi.

Hinzu kommt der Boom beim Neubau von Pelletheizungen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 43.500 neue Anlagen gebaut, das waren zehn Prozent aller neuen Heizungen. Ein Rekord, befeuert durch eine hohe staatliche Förderung von bis zu 45 Prozent – die inzwischen allerdings stark gekürzt wurde. Die Vorratslager dieser Anlagen mussten zusätzlich gefüllt werden.

Eine weitere Ursache für den Preisschub hat direkt mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Die gesamte EU importierte zuletzt erhebliche Mengen Pellets aus Russland, Weißrussland und der Ukraine.

Aus Russland kommt seit Mitte des Jahres wegen der Sanktionen nichts mehr. Das wirkt sich auf die Preise aus, und zwar auch in Deutschland, obwohl der Anteil der russischen Pellets hierzulande mit rund zwei Prozent am Verbrauch (erstes Halbjahr 2022) eher gering war. Die Knappheit im EU-Markt schlug aber auch hier durch.

Hinzu kommt: Derzeit ist der Pellet-Rohstoff auch knapp, weil die Bauindustrie lahmt, also weniger Balken, Bretter und Platten gebraucht werden und folglich weniger Sägespäne anfallen.

Die Hoffnungen vieler Betreiber von Pelletheizungen gehen in der aktuellen Krise also nicht auf. Sie hatten mit der Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs aus heimischer Produktion nicht nur etwas für den Klimaschutz tun wollen – beim Verbrennen wird ja nur das CO2 freigesetzt, das die Bäume beim Wachstum per Fotosynthese eingelagert haben. Es ging ihnen auch um Versorgungssicherheit und dank bislang niedriger Brennstoffkosten um preiswertes Heizen. Putins Attacke auf die Energiesicherheit macht das zunichte.

Für viel Verunsicherung unter den Pelletfans sorgt neuerdings aber noch eine weitere Debatte – nämlich darüber, ob die Holzverbrennung denn tatsächlich so klimafreundlich ist, wie es lange hieß.

"Heizen mit Holz ist nicht klimaneutral" 

Umweltverbände wie der Naturschutzbund (Nabu) kämpfen gegen die Holzverbrennung. Deutschland könne es sich nicht leisten, jährlich mehr als 20 Millionen Tonnen Scheitholz und drei Millionen Tonnen Pellets zu verheizen, so Nabu-Geschäftsführer Leif Miller. Der Wald als CO2-Speicher und Lebensraum für Pflanzen und Tiere sei in Gefahr.

Doch auch das Bundesumweltministerium ist, seit es von Steffi Lemke (Grüne) geleitet wird, auf Distanz zum Heizen mit Holz gegangen. Es favorisiert die Nutzung des Rohstoffs in langlebigen Produkten, etwa in Möbelstücken oder Holzhäusern, die das darin gespeicherte CO2 Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte aus der Atmosphäre fernhalten.

Die Fachwelt spricht dabei von einer "Kaskadennutzung": zuerst etwa den Bau von Holzgebäuden, nach deren Abriss in der fernen Zukunft eine Weiterverwertung der Balken und Bretter zu Sekundärprodukten wie Spanplatten und erst ganz am Ende das Verbrennen des Materials zur Wärmegewinnung.

Immer mehr Holz wird verfeuert

Der Holzverbrauch in Deutschland hat sich seit Beginn der 1990er Jahre mehr als verdoppelt. 2021 wurden laut dem Statistischen Bundesamt rund 83 Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen, ein absoluter Rekord, unter anderem wegen großer Mengen Schadholz aufgrund der Dürrejahre 2018 bis 2020. Stofflich genutzt, etwa für Hausbau und Möbelindustrie, wurden davon etwa 81 Prozent, etwa 14 Prozent waren Energieholz und rund fünf Prozent nicht verwertetes "Derbholz", das im Wald verbleibt, obwohl es bereits bearbeitet wurde.

Der Großteil des Energieholzes wird in Kaminöfen, Kachelöfen und Hackschnitzel-Heizungen verbrannt, nur rund zehn Prozent gehen in Pelletheizungen und -öfen. Deren Zahl wird nach Schätzungen bis Ende des Jahres fast 650.000 erreichen, sie liegt damit mehr als doppelt so hoch wie 2012 (rund 279.000). Insgesamt gibt es in Deutschland rund 21,3 Millionen Zentralheizungen.

Das Umweltministerium schreibt auf seiner Homepage: "Heizen mit Holz ist entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht klimaneutral." Bei der Holzverbrennung entstünden neben Feinstaubemissionen auch Treibhausgase wie CO2 und Methan. Und: "Pro produzierter Wärmeeinheit sind die CO2-Emissionen sogar höher als bei fossilen Energieträgern wie Kohle oder Gas."

Die Lobby der Forst- und Holzwirtschaft brachte das in Harnisch. In einem Brief an Lemke wehrte sie sich gegen "eine einseitige Darstellung dieses Komplexes". Die Verbände kritisieren unter anderem, dass das Heizen mit Holz in dem Ministeriumstext pauschal als "nicht klimaneutral diffamiert" werde, es im weiteren Verlauf aber dann heiße, "dass Alt- und Resthölzer sowie Holzpellets durchaus anders bewertet werden können".

Tatsächlich nimmt das Ministerium "Alt- und Resthölzer, sofern für diese keine weitere stoffliche Verwendung besteht, und Sägespäne, die bei der Verarbeitung von Holz für die stoffliche Nutzung anfallen und dann zu Holzpellets verarbeitet werden", von der Kritik aus. Diese könnten "anders bewertet werden". 

Da Holzpellets laut Pellets-Institut hierzulande fast zu 100 Prozent aus den Reststoffen der Sägeindustrie sowie aus "nicht sägefähigem" Restholz, zum Beispiel aus den Stammspitzen, hergestellt werden, dürfen die Betreiber dieser Anlagen sich dann also doch als Klimaschützer betrachten. Vor allem, wenn sie darauf achten, dass sie die Ware bei Produzenten aus der Region bestellen, wodurch die Transportwege und damit der Diesel-Verbrauch der Lkw niedrig ist.   

Umstritten ist allerdings, ob die Pelletnutzung weiter erhöht werden sollte. Fachleute sehen das differenziert. Der Geschäftsführer des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg, Martin Pehnt, sagt: "Wir sollten die Energieholznutzung aus dem deutschen Wald insgesamt nicht steigern, sondern zurückfahren. Bei vermehrter Nutzung von Pellets, die eine deutlich bessere Feinstaub-Bilanz haben als Scheitholz-Kaminöfen, müsste daher die Nutzung von Scheitholz und Hackschnitzeln zurückgefahren werden."

Sein Plädoyer: Holzheizungen auf die Gebäude fokussieren, die sich – noch – nicht für den Anschluss an Wärmenetze und für Wärmepumpen eignen. Und ein Vorrang für die energetische Modernisierung der Gebäude, die dann dank geringen Verbrauchs vor ökologischen und wirtschaftlichen Überraschungen schützt, und zwar unabhängig vom Energieträger. 

Interview mit Martin Pehnt: "Mehr Holz im Wald lassen"

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