Wenn fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energiequellen wie Solar- und Windkraft ersetzt werden, verringert das den Verbrauch von Kohle, Öl und Erdgas. Doch auch die Klimawende kommt nicht ohne zahlreiche Rohstoffe aus.
Für den Bau von Windrädern etwa werden typischerweise Stahl, Beton, Aluminium, Kupfer und seltene Erden wie Praseodym und Neodym benötigt. In den Batterien von Elektroautos finden sich neben anderen Rohstoffen in der Regel Kobalt und Lithium. Mit fortschreitender Dekarbonisierung steigt der Bedarf an diesen Materialien erheblich.
Ein Forschungsteam unter Leitung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC hat jetzt ermittelt, wie hoch er voraussichtlich sein wird, welche Risiken die zunehmende Rohstoffförderung und das steigende Abfallaufkommen mit sich bringen und wie sich der Materialverbrauch verringern lassen könnte.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht.
Stark erhöhter Rohstoffbedarf fürs 1,5-Grad-Ziel
Abhängig ist der Bedarf an Rohstoffen unter anderem davon, ob sich die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen lässt – was viele Fachleute bezweifeln – oder es zu einer Erwärmung um zwei Grad oder mehr kommen wird. Im zweiten Fall würden sich die Folgen der Klimakrise, wie etwa die Zahl extrem heißer Tage und der Anstieg des Meeresspiegels, deutlich verschärfen.
Sollte die Welt große Anstrengungen unternehmen, das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, würde sie dafür mehr Materialien benötigen. So könnte der Bedarf an Kupfer laut dem Forschungsteam bis 2050 um 30 Prozent steigen. Bei Eisen und Stahl geht das Team für denselben Zeitraum von einer Steigerung um 150 Prozent, bei Aluminium sogar um 260 Prozent aus.
Das könnte Probleme verschärfen, die die Förderung von Rohstoffen schon heute verursacht. Das Forschungsteam hat deshalb für jeden Rohstoff ein sogenanntes Risikoprofil erstellt, aus dem sich ablesen lässt, welche Folgen der Abbau hat – für die Ressourcen, die Biodiversität oder die Gesundheit der Menschen vor Ort.

So benötigt zum Beispiel die Förderung von Lithium in der Atacama-Wüste in Chile, einem der Orte mit dem weltweit größten Vorkommen des Leichtmetalls, viel Wasser, das dann der Landwirtschaft und der überwiegend indigenen Bevölkerung fehlt.
Beim Abbau von Rohstoffen wird außerdem Land verbraucht und die Umwelt belastet, wenn etwa giftige Chemikalien in die Böden und Gewässer gelangen. Zudem sind die Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung häufig schlecht und die Projekte meist von geringem wirtschaftlichem Nutzen für die lokalen Gemeinden.
Hinzu kommen Abhängigkeiten zwischen Staaten und einigen wenigen großen Unternehmen. So ist zum Beispiel Kongo auf China als Abnehmer des in Minen gewonnenen Kobalts angewiesen. China wiederum dominiert den Markt für Kobalt und andere Rohstoffe.
Neben der oft problematischen Förderung von Materialien macht die Studie auf eine weitere Herausforderung aufmerksam: die zunehmenden Müllberge. Der am schnellsten wachsende Abfallstrom ist dabei Elektroschrott.
E‑Schrott wird unter anderem nach Ghana transportiert, wo er Böden, Pflanzen und Wasser vergiftet. Zudem werden viele Ressourcen aus ausrangierten Anlagen und Geräten nicht weiter genutzt.
Weniger Material verbrauchen
Angesichts der zahlreichen, globalen Probleme kommen die Autor:innen der Studie zu einem eindeutigen Ergebnis:
"Dieser erwartete Anstieg der Auswirkungen steht im Widerspruch zum Schutz der biologischen Vielfalt und anderen Zielen für ein gesundes Ökosystem und wird wahrscheinlich vermehrt zu Konflikten mit der Gesetzgebung für die Lieferkette und dem Umweltschutz in den Bergbauländern sowie zum Widerstand von Nichtregierungsorganisationen und der breiten Öffentlichkeit führen."
Gegensteuern ließe sich ihnen zufolge, indem die Dekarbonisierung anders als bislang gestaltet wird, das heißt: mit geringerem Materialverbrauch.
Das Stichwort, unter dem das Forschungsteam seine Vorschläge zusammenfasst, lautet "nachfrageseitiger Klimaschutz". Das sind Strategien, um den Energieverbrauch und die Emissionen auf der Verbraucherseite zu senken.
Erreicht werden könne das etwa durch eine ressourceneffiziente Herstellung von Materialien, durch Verhaltensänderungen oder durch Ansätze der Kreislaufwirtschaft, damit verarbeitete Rohstoffe ein "zweites Leben" bekommen.
Als konkrete Beispiele nennen die Forscher:innen die Nutzung von gepoolter Mobilität wie Carsharing anstelle von Privatautos. Im Gebäudesektor könnte Raum effizienter als bislang genutzt werden, indem der Pro-Kopf-Verbrauch von Fläche gesenkt, Altbauten modernisiert und mehr natürliche Baustoffe eingesetzt würden.
Eine stärker pflanzenbasierte Ernährung wäre für Verbraucher:innen nicht nur gesund, sondern könnte auch den Flächenverbrauch für die Viehhaltung verringern. "Nachfrage-Lösungen wirken doppelt segensreich – gegen die Klimakrise und gegen die Plünderung des Planeten", sagte Leitautor Felix Creutzig vom MCC.
Pilotprojekte haben zudem gezeigt, dass zum Beispiel die ausrangierten Batterien von E-Autos noch anderen Zwecken dienen können. So können mehrere Alt-Akkus zusammengeschlossen einen Speicher für erneuerbare Energien bilden – und so von doppeltem Nutzen für die Klimawende sein.