Ein Fluss voller rotem Eisenschlamm in Brumadinho, Brasilien
Folgen des Dammbruchs Anfang Januar im brasilianischen Brumadinho. (Foto: Guilherme Venaglia/​Wikimedia Commons)

Die Bergbau-Katastrophe im Südosten Brasiliens war Ende Januar und Anfang Februar ein paar Tage in den Schlagzeilen. Bei einem Dammbruch an einer Eisenerzmine des Konzerns Vale in Brumadinho in der Nähe von Horizonte kamen mindestens 165 Arbeiter und Anwohner um, weitere 147 werden immer noch vermisst – sie waren unter einer gigantischen Schlammlawine begraben worden. Zudem wird ein großer Teil der Region um den Fluss Paraopeba voraussichtlich auf Jahrzehnte zerstört sein.

Doch die Katastrophe in dem Schwellenland hat auch einen unmittelbaren Bezug zu Deutschland. Denn die Bundesrepublik bezieht über 50 Prozent ihres importierten Eisenerzes aus Brasilien und zählt dort zu den größten Abnehmern des Rohstoffs.

Angesichts der Katastrophe hat die Umweltstiftung WWF bereits deutsche Unternehmen, die importierte Rohstoffe wie Eisenerz oder Bauxit nutzen, aufgefordert, Verantwortung für die gesamte Lieferkette zu übernehmen. Nun dringt auch das Umweltbundesamt (UBA) angesichts des global steigenden Rohstoffbedarfs auf mehr Umweltschutz im Bergbau. "Als Großimporteur hat Deutschland eine Mitverantwortung für die durch Rohstoffabbau weltweit verursachten lokalen, regionalen und globalen Umweltschäden", sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger diese Woche in Berlin.

Das Bundesamt fordert, Deutschland solle zusammen mit der Europäischen Union auf international verbindliche Umwelt- und Sicherheitsstandards entlang der Lieferkette vom Bergwerk bis zur Aufbereitung der Rohstoffe drängen. Die neuen Pflichten müssten als "zweite Säule" der Rohstoff-Sicherung neben ein verbessertes Recycling treten. Sonst könne nicht sichergestellt werden, dass Deutschland seinen Rohstoffbedarf künftig aus ökologisch unbedenklichen Quellen decken kann.

Die Industrieland Deutschland ist weltweit einer der größten Rohstoff-Importeure. Bei Aluminium, Blei, Kupfer und Zinn ist es laut UBA der fünftgrößte Nachfrager, bei Stahl der sechstgrößte.

Rohstoffbedarf nimmt zu

Experten verweisen darauf, dass Konkurrenz um die Rohstoffe wegen steigender Weltbevölkerung, Wirtschaftswachstum und neuen Technologien wie der E-Mobilität künftig deutlich zunehmen wird. Der Industrieländerclub OECD in Paris erwartet, dass sich zum Beispiel für Metalle die weltweite Nachfrage bis 2060 gegenüber 2011 nahezu verdreifachen wird.

Das Umweltbundesamt empfiehlt drei Ansatzpunkte:

  • Die EU sollte Umweltaspekte des Bergbaus stärker bei ihrer turnusmäßigen Bewertung der Rohstoffversorgungs­situation berücksichtigen – bei der sogenannten "Kritikalität von Rohstoffen". Ob ein Material "kritisch" ist, würde dann auch nach dem ökologischen Gefahrenpotenzial beurteilt und danach, wie gut die Förderländer den Umweltschutz vor Ort gewährleisten. Laut UBA müssten künftig zum Beispiel Zink und Kupfer als ökologisch kritisch eingestuft werden.
  • Es sollte ein System verbindlicher menschenrechtlicher, ökologischer und sozialer Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Rohstoff-Lieferkette vom Bergbau bis zum Endprodukt etabliert werden. Empfohlen werden Mechanismen, die auch die Umweltkosten des Bergbaus entlang der gesamten Lieferkette einpreisen. Die Rohstoff- und Produktpreise sollen die "ökologische Wahrheit" ausdrücken.
  • Um Forderungen nach höheren Umwelt- und Sozialstandards gegenüber den Förderländern im globalen Süden vertreten zu können, sollen "Best-Practice-Demonstrationsvorhaben" zum Abbau von Metallerzen im Inland durchgeführt werden.

Die Folgen der Rohstoffgewinnung für die Umwelt und die Gesundheit von Mitarbeitern und Anwohnern von Bergwerken sowie Aufbereitungsanlagen sind laut UBA in vielen Fällen schwerwiegend. Sie reichen vom hohen Energie- und Wasserverbrauch bis hin zur Auswaschung von Schwermetallen oder Radioisotopen in den Boden oder in das Grundwasser.

Auch unsachgemäßer Minenbetrieb wie jetzt an der Vale-Mine in Brasilien oder 2015 bei einem früheren Dammbruch im gleichen Land führe immer wieder zu großen Schäden.

Damals wurden 19 Menschen getötet und 33 Millionen Kubikmeter zum Teil giftiger Bergbauabfälle freigesetzt, die sich 17 Tage nach dem Unglück über den Fluss Rio Doce in den 650 Kilometer entfernten Atlantik ergossen. Bei dieser Katastrophe am Fundão-Damm entstand ein finanzieller Schaden von umgerechnet mindestens 4,6 Milliarden Euro.

UBA-Chefin Krautzberger sagte, die Schäden seien vermeidbar, wenn anspruchsvolle Umweltstandards eingeführt, kontrolliert und eingehalten werden. Andernfalls könne unterlassener Umweltschutz zum unkalkulierbaren Kostentreiber für die auf Rohstoffe angewiesenen Unternehmen werden. "Beim Umweltschutz zu sparen wäre volkswirtschaftlich äußerst kurzsichtig", warnte sie.

Keine Alternative zum Bergbau

Das Umweltamt sieht keine Chance, die steigende Rohstoff-Nachfrage durch besseres Recycling zu decken."Trotz der Erfolge beim Recycling wird der Rohstoffhunger der Welt in den nächsten Jahrzehnten überwiegend durch den Bergbau gedeckt werden müssen", heißt es dort.

Ein Beispiel für das Problem ist die Energiewende. Hier seien die Hersteller weitgehend von neu abgebauten Rohstoffen abhängig, da nicht genügend Recycling-Material vorhanden sei. So könne man das Alkalimetall Lithium für Energiespeicher derzeit noch nicht wirtschaftlich aus Altbatterien wiedergewinnen, es müsse aus Bodenschätzen vor allem in Übersee importiert werden.

Laut einer aktuellen UBA-Studie könnte der globale Lithiumbedarf für Energiespeicher bis 2050 auf das Zwölffache der Weltjahresproduktion von 2013 ansteigen. "Strenge Standards müssen daher sicherstellen, dass Umweltschäden durch den Abbau von Lithium oder auch Kobalt nicht zur Achillesferse der Energiewende werden", forderte Krautzberger.

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