In der Klimakrise sind gute Nachrichten rar gesät. Kurz vor Jahresende gibt es so eine: Erstmals erreichten die erneuerbaren Energien – übers ganze Jahr gerechnet – einen Anteil von mehr als 50 Prozent an der Nettostromerzeugung in Deutschland. Genau sind es 53,6 Prozent, teilte jetzt die AG Energiebilanzen mit, ein Zusammenschluss der Energiewirtschaft.

Fürs Klima kommt auch etwas heraus: Die energiebedingten CO2-Emissionen gehen dieses Jahr voraussichtlich um ungefähr 66 Millionen Tonnen zurück, das entspricht gut zehn Prozent Minderung gegenüber 2022, so die Schätzung der Bilanz-AG.

Erneuerbare sind gut für den Klimaschutz. Wie das aber funktioniert, zeigt 2023 geradezu exemplarisch. Denn laut den AG-Zahlen legte die grüne Stromerzeugung nur um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Gleichzeitig sank der gesamte Stromverbrauch in Deutschland um drei Prozent und vor allem Braunkohle und Steinkohle erlebten einen starken Rückgang bei der Verstromung.

Seit Ende März 2023 fiel zudem der inländische Atomstrom weg. So entstand in einem eigentlich schrumpfenden Strommarkt genügend Raum, in den die steigende Ökostromerzeugung "einsickern" konnte.

"Mehr Erneuerbare" reicht allein nicht aus

Die "Zutaten" für die Zunahme auf den hohen 53,6-Prozent-Anteil sind also ein geringerer Verbrauch, die steigende Erzeugung von Grünstrom, das Abschalten der AKW und das Herunterfahren des Kohlestroms.

Kleiner Einschub für Atomkraftfans: Nach den Angaben der Bilanz-AG hatte der 2023 nach Deutschland importierte Strom einen Erneuerbaren-Anteil von 53 Prozent. Zu rund einem Viertel kam der eingeführte Strom aus AKW, zu einem weiteren Fünftel aus sogenannter konventioneller, also vor allem fossiler Erzeugung. Dass Deutschland also in erster Linie Atom- und Fossilstrom importiert, stimmt einfach nicht.

Zurück zu den Erneuerbaren und dem Klima. Festzuhalten ist auch: Schon 2023 wären auch deutlich mehr als die 53,6 Prozent drin gewesen. So beschweren sich aktuell Windkraftbetreiber über die sehr häufige Abregelung ihrer Anlagen, weil der Strom nicht durch die Netze passt.

In windkraftstarken Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen sollen durchschnittliche Anlagen derzeit nur 1.500 bis 1.800 Volllaststunden im Jahr erreichen. Schaut man allein auf das Windangebot, wären aber mehr als 2.000 Stunden drin. Laut Bundesnetzagentur wurden 2022 rund 3,3 Prozent der erneuerbaren Erzeugung wegen der Engpässe im Netz abgeregelt, sprich weggeworfen.

2023 bestätigt die oft noch vergessene Tatsache: Selbst ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien hilft dem Klimaschutz nur dann massiv, wenn weitere Rahmenbedingungen stimmen.

Ein Teil der CO2-Einsparung ist verpufft

Das zeigt auch der Blick zurück: Ab 2010 war in Deutschland der Boom der Ökoenergien so richtig abgegangen. In dem Jahr lieferten die Erneuerbaren rund 318 Milliarden Kilowattstunden an Strom, Wärme und Antriebsenergie. 2020 war die Ökoenergie-Menge dann auf 475 Milliarden Kilowattstunden gestiegen.

In dem Zeitraum stagnierte zugleich der gesamte deutsche Endenergieverbrauch um die Marke von 2.500 Milliarden Kilowattstunden. Der Erneuerbaren-Ausbau ließ in dem Jahrzehnt dann den Anteil der Ökoenergien am Endenergieverbrauch von 12,5 auf 20 Prozent zulegen.

Das wiederum steigerte auch die mit Erneuerbaren erzielte CO2-Einsparung. Diese lag nach Angaben des Umweltbundesamtes im Jahr 2010 bei etwa 111 Millionen Tonnen und erhöhte sich auf 217 Millionen Tonnen im Jahr 2020.

Real jedoch waren die deutschen CO2-Emissionen, rechnet man den Corona-Effekt heraus, im Jahr 2020 nur um rund 170 Millionen Tonnen niedriger als 2010. Die Klimawirkung der Erneuerbaren schlug sich also nur teilweise in der gesamten CO2-Senkung nieder, nahezu ein Fünftel "verpuffte".

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ein Grund war, dass vor und nach 2010 noch munter neue fossile Kraftwerke gebaut wurden und ans Netz gingen. Die neuen fossilen Kapazitäten machten auch den Strommarkt "eng".

Deswegen avancierte Deutschland damals zu einem Strom-Exportmeister. Höhepunkt waren die Jahre 2015 und 2016, als die hiesigen Kraftwerke rund acht Prozent ihres gesamten Stroms über die Grenze schickten.

In einer Analyse zur Klimawirkung der Erneuerbaren stellt das Umweltbundesamt selbst fest: "Es wird ersichtlich, dass der steigende Anteil erneuerbarer Energieträger nicht immer einen proportional entsprechenden Rückgang der Emissionen im Treibhausgasinventar zu verzeichnen hat."

Ohne Fossil-Ausstieg kein Klimaschutz

All das zeigt: Es ist eben nicht gut genug, allein die Erneuerbaren zu pushen – unabdingbar ist zugleich, die fossilen Emissionen zu stoppen. Und das nicht nur im Strommarkt, sondern künftig vor allem bei Wärme und Mobilität, also in Heizungen und Autos. Hier krebst der Erneuerbaren-Anteil noch bei rund 18 beziehungsweise sieben Prozent herum.

Die begrenzte Klimawirksamkeit bei einer Beschränkung auf den Ausbau der Erneuerbaren spielt auch global eine Rolle. Die vom Weltklimagipfel in Dubai beschlossene Verdreifachung des Erneuerbaren-Ausbautempos kann leicht zu Illusionen führen.

Davor warnte auch Annalena Baerbock in Dubai: Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz allein reiche nicht aus, um in Reichweite des 1,5-Grad-Pfades zu kommen, es brauche dafür vor allen Dingen auch den Ausstieg aus den fossilen Energien, hatte die deutsche Verhandlungsführerin und Außenministerin bei einer Pressekonferenz betont.

 

Laut dem Global Carbon Project muss die Welt bis etwa 2040 aus allen fossilen Energiequellen aussteigen, wenn das 1,5-Grad-Limit noch eine Chance haben soll. Das ist allein mit einem globalen Superbooster bei den Erneuerbaren nicht zu schaffen.

Null CO2-Emissionen heißt auch nach Baerbockscher Lesart zuallererst: null Fossile. Das steigert, nebenbei bemerkt, auch die Energieeffizienz. Weniger thermische Verbrennungskraftwerke bedeuten auch viel geringere Umwandlungsverluste.

Erst wenn die fossilen Energien aus dem Markt ausscheiden, können die erneuerbaren wirklich zeigen, was klimapolitisch in ihnen steckt.

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