Große Teiche mit Salzwasser in der Wüste von Nevada, einige sind türkisfarben, die meisten in verschieden hellem Grau.
Lithiumgewinnung aus Salzwasser, hier im US-Bundesstaat Nevada durch den Chemiekonzern Albemarle, einen führenden Produzenten. (Foto: Doc Searls/​Wikimedia Commons)

Die Rede war gar von einer "Öko-Revolte": Woche für Woche blockierten Menschen in Serbien Straßen und Verkehrsknotenpunkte im ganzen Land. Anlass für den Protest: der geplante Lithiumabbau im westserbischen Jadar-Tal. Mitte Januar schließlich zog die serbische Regierung die Genehmigung für den britisch-australischen Bergbaukonzern Rio Tinto zurück, Premierministerin Ana Brnabić sprach vom Ende des Projekts.

Ob es tatsächlich so kommt, ist jedoch unklar. Rio Tinto prüft bereits die "juristischen Grundlagen" der Entscheidung. Und im April stehen in Serbien Neuwahlen an. Es ist durchaus möglich, dass die von der rechtskonservativen "Serbischen Fortschrittspartei" geführte Regierung sich vor allem um ihre Wiederwahl sorgt.

Denn viele lehnen nicht nur den Lithiumabbau in der Nähe der Stadt Loznica ab, sondern auch zwei damit in Zusammenhang gesehene Legislativvorhaben: Ein Gesetz sollte mögliche Referenden gegen Vorhaben der Regierung erschweren, das andere die Enteignung von Landflächen durch den Staat erleichtern. Für das Bergbauprojekt müssten Dutzende Haushalte umgesiedelt und große landwirtschaftliche Flächen aufgekauft werden.

Umweltschützer:innen und Anwohner:innen befürchten zudem, dass der geplante Abbau das Grundwasser irreversibel verschmutzen würde – in einer Region, auf die rund ein Fünftel der landwirtschaftlichen Produktion Serbiens entfällt.

Damit sind schon einige der zentralen Fragen benannt, die sich bei jedem Bergbauprojekt aufs Neue stellen: Was sind die Umweltfolgen? Welche Unternehmen sind am Abbau beteiligt, welche Rolle spielen staatliche Behörden? Was sind die Auswirkungen für die lokalen Gemeinden? Wer profitiert von dem Projekt? Wer wird reich oder reicher, wer verliert sein Zuhause oder seine Ackerflächen, wer bekommt einen gut bezahlten Job oder einen schlecht bezahlten, wem werden Dividenden ausgeschüttet, wer wird wie entschädigt, wie hoch sind die Steuereinnahmen?

Der grellste Stern am neuen Himmel

Die Fragen sind so vielfältig wie komplex – und sie werden sich zukünftig in Europa wieder häufiger stellen. Viele Jahre ist eine Mine nach der anderen geschlossen worden, auch weil die im Vergleich zur Konkurrenz höheren Umwelt-, Arbeit- und Sozialstandards den Abbau wirtschaftlich unrentabel gemacht haben. Der globale Wettbewerb mit einem deregulierten, vermeintlich "freien" Handel sorgt dafür, dass die Produktion häufig dort am günstigen ist, wo die Auflagen am niedrigsten sind. Hier und da in Europa wirft eine Kohlegrube noch hohe Profite ab – aber in diesem Fall erfordert die Klimakrise das baldige Aus.

 

Doch während sich das Zeitalter der fossilen Rohstoffe langsam, aber stetig dem Ende zuneigt, leuchtet das ein oder andere Metall hell am Horizont. Der grellste Stern ist Lithium. Kein Metall steht so sehr für das Versprechen von "sauberer Energie" und einer darauf basierenden "grünen Ökonomie".

Lithium, benannt nach dem griechischen Wort lithos für Stein, ist leicht und hochreaktiv. Das Metall leitet elektrische Energie besonders gut. Bereits heute gehen rund drei Viertel des jährlich abgebauten Lithiums in Stromspeicher, Tendenz steigend. Während die in Smartphones und Laptops verbauten Lithium-Ionen-Akkus verhältnismäßig klein sind, sind die für den Antrieb eines Elektroautos benötigten Speicherkapazitäten um ein Vielfaches höher – und damit auch die Akkus und die Menge der darin verarbeiteten Rohstoffe.

Wer sich mit Prognosen für den künftigen Lithiumverbrauch beschäftigt, erblickt stets dasselbe Diagramm: ein niedriger Balken, der die aktuellen Abbaumengen zeigt, und rechts daneben steil anwachsende Balken, die den Lithiumbedarf bis 2025, 2030 oder 2050 abschätzen. Die Prognosen basieren auf verschiedenen Annahmen, etwa zur Nachfrage nach E-Autos, zu den Fahrzeugtypen oder Batteriemodellen, sie gehen jedoch stets von einer Vervielfachung des Verbrauchs aus.

Die Prognosen für Entwicklung und Verkauf von E-Autos sind inzwischen eng verzahnt mit den Explorations- und Abbauaktivitäten sowie der Preisentwicklung des Leichtmetalls. Und so geschieht, was lange Zeit undenkbar schien: In ganz Europa werden wieder Lagerstätten erkundet und erschlossen.

Projekte in mehreren europäischen Ländern

Lithiumprojekte in ganz verschiedenen Phasen von der Erkundung bis zum Abbau gibt es neben Serbien auch in Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Portugal, Spanien und Tschechien. Die Lithiumvorkommen im serbischen Jadar-Tal sind dabei nicht die einzigen, die als die größten in Europa bezeichnet werden – dasselbe wird auch über Lagerstätten in Deutschland und Portugal gesagt.

Portugal ist jedenfalls der bisher größte europäische Lithiumproduzent, gleichwohl liegt sein Anteil an der Weltproduktion bei weniger als zwei Prozent. Die Erzeugnisse gehen in die Keramik- und Glasindustrie. Das könnte sich mit einem großflächigen Abbau der "iberischen Pegmatite" in Spanien und Portugal bald ändern.

Lithiumkarbonat
In Form von Lithiumkarbonat wird das begehrte Superleichtmetall üblicherweise gehandelt. (Foto: Martin Walker/​Wikimedia Commons)

Doch auch hier werden schwere Umweltschäden befürchtet, beispielsweise bei dem Barroso-Projekt des britischen Unternehmens Savannah Resources im Norden Portugals. Anfang des Monats hat die portugiesische Umweltbehörde hier grünes Licht für den Abbau gegeben, nun beginnt die nächste Phase der Planungen und Lizenzvergaben.

In Deutschland ist bisher vor allem das Zinnwald-Projekt bekannt. Hier würde der Bergbau an einen Ort zurückkehren, der sogar nach einem Metall benannt ist und heute zu touristischen Besuchen in alte Stollen einlädt. Auch hier würde das Lithium ganz klassisch als hartes Gestein im Bergwerk abgebaut werden. Die Deutsche Lithium GmbH hofft, 2025 mit dem Abbau beginnen zu können.

Bereits ein Jahr zuvor, 2024, soll die Produktion im Oberrheingraben starten. Dort möchte das australisch-deutsche Unternehmen Vulcan Energy Resources das Lithium "geothermisch" aus dem Rhein holen: Bis zu 200 Grad heißes Thermalwasser soll aus bis zu vier Kilometern Tiefe nach oben gepumpt und dabei Lithium herausgefiltert werden. Noch allerdings fehlt eine Genehmigung für die Tiefenbohrung.

Europa bleibt stark importabhängig

Der erzählerische Bogen, der in der Berichterstattung über die geplanten Vorhaben gezogen wird, ist zumeist derselbe: Der Lithiumverbrauch wird vor allem aufgrund der steigenden Nachfrage nach Elektroautos in die Höhe schnellen, die Prognosen überschlagen sich regelmäßig. Der Abbau und die Weiterverarbeitung von Lithium weisen jedoch eine hohe geografische Konzentration auf – und Europa ist höchst importabhängig.

Australien dominiert die Produktion und den Export von Lithiummineralien aus dem Hartgesteinsbergbau. China verfügt über den Großteil der weltweiten Raffineriekapazitäten. Die Unternehmen in der Volksrepublik produzieren große Mengen von Lithiumkarbonat und Lithiumhydroxid, vor allem aus den Konzentraten des Lithium-Minerals Spodumen, die aus Australien importiert werden.

Zwei Flamingos am Atacama-Salzsee
Atacama-Salzsee in Chile: Seitdem Lithium abgebaut wird, geht der Bestand an Flamingos zurück. (Foto: Monica Volpin/​Pixabay)

Hingegen hält Chile, gefolgt von Argentinien, den größten Anteil am Markt für Lithiumkarbonat aus Solen. In den Salzseen der Anden, dem sogenannten Lithiumdreieck zwischen Argentinien, Bolivien und Chile, werden extrem große Vorkommen vermutet.

Bei der Gewinnung von Lithium aus den Salzseen verdunsten jedoch große Wassermengen. In der chilenischen Salar-de-Atacama-Region – einer der trockensten Wüstenregionen der Welt – entfallen laut der UN-Entwicklungskonferenz Unctad bereits jetzt 65 Prozent des Wasserverbrauchs auf die Lithiumgewinnung.

Bisher liegen kaum wissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen auf die fragilen Ökosysteme vor. Aber auch hier sind nicht nur die ökologischen Folgen der Lithiumgewinnung ungeklärt. Ebenso dringlich ist die Frage, wer von dem Abbau profitiert – denn die Bevölkerung vor Ort tut dies bisher kaum.

Energie-, Verkehrs- und Rohstoffwende

Eben diese Auseinandersetzungen um die sozialen und ökologischen Folgen des Bergbaus müssen nun vermehrt auch wieder in Europa geführt werden – verbunden mit der Rolle von Lithium in der Verkehrswende. Die Fragen, die sich Umweltverbände, Klimagerechtigkeitsgruppen und progressive Parteien stellen, werden dabei anderer Art sein als jene der Industrie.

Im Zentrum kann für sie nicht die "Versorgungssicherheit" stehen oder der Aufbau geschlossener Wertschöpfungsketten. Vor allem geht es um die Auswirkungen auf Klima und Umwelt sowie auf die anliegenden Gemeinden.

Zugleich werden Fragen aufgeworfen, die im Kontext von globaler Gerechtigkeit und "imperialer Lebensweise" zu diskutieren sind. Ist es ungerecht, sich gemäß einer "Not in my backyard"-Logik dem Abbau in Europa generell zu widersetzen? Oder geht es darum, für die absolute Verringerung des Rohstoffverbrauchs einzutreten und damit grundsätzlich auch gegen die Neueröffnung von Abbaustätten?

Klar ist, dass im Interesse von Klima und Umwelt die Gebote der Kreislaufwirtschaft im Vordergrund stehen müssen – und an vorderster Stelle das Ziel der Reduktion. Aber auch die Verkettung "Lithium, E-Autos, Verkehrswende" darf nicht unreflektiert übernommen werden: Nach wie vor wird an alternativen Antriebsvarianten und Batterieformen geforscht. Hinzu kommt die Aufgabe, massiv in die Erforschung und Entwicklung von Recyclingsystemen zu investieren.

Zu guter Letzt – da ist sich die Umwelt- und Klimabewegung weitgehend einig – muss eine nachhaltige Verkehrswende weit über die Antriebswende hinausgehen. Weniger Autos – dieses Ziel muss an erster Stelle stehen, nicht der Austausch der Energiequelle. Die übrig bleibenden Autos müssen vor allem möglichst klein sein und einen möglichst hohen Anteil recycelter Rohstoffe beinhalten.

Oder in einem Satz: Es geht darum, die Energie-, Verkehrs- und Rohstoffwende zusammenzudenken.

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