Stromproduktion aus Sonnenlicht, auch Photovoltaik oder kurz PV genannt, ist ein Eckpfeiler der Energiewende. Fachleute gehen davon aus, dass künftig jedes zweite Hausdach in Deutschland mit Solarmodulen bestückt werden muss, um Klimaneutralität im Elektrizitätssektor erreichen zu können.
Hinzu kommen viele Sonnenstrom-Kraftwerke auf Freiflächen. Die aktuell installierte Leistung von rund 78.000 Megawatt müsste laut dem Thinktank Agora Energiewende auf 400.000 steigen, also mehr als verfünffacht werden.
Da die PV-Module zwar lange, aber nicht ewig halten, braucht es Konzepte für eine möglichst lange Nutzungsdauer und ein optimales Recycling. Das ist bisher nicht gesichert, Lösungen dafür sind dringend nötig. Einen wichtigen Beitrag dazu kann die "Lebensdauer-Verlängerung" der Module leisten, für die nun ein Forschungsprojekt gestartet wurde.
Ältere Solarpaneele haben eine Nutzungsdauer von 25 bis 30 Jahren, neue Modelle sogar von 35 Jahren oder mehr. Tatsächlich aber werden sie in Groß-Solaranlagen teils schon nach zehn bis 20 Jahren wieder abgebaut und durch neuere, leistungsstärkere ersetzt.
Die Zahl der rückgebauten Solarmodule wächst in Deutschland seit etwa 2020 sprunghaft. Laut Studien wird die Menge, die damals auf bis zu 100.000 Tonnen geschätzt wurde, bis 2030 auf eine Million Tonnen pro Jahr anwachsen, und für 2050 werden sogar 4,4 Millionen Tonnen erwartet.
Funktionsfähige Solarmodule im Elektroschrott
Ein Teil der Module ist tatsächlich Schrott, etwa wenn Solaranlagen durch starke Stürme beschädigt wurden oder es wegen mangelhafter Materialien zu Problemen bei der elektrischen Isolierung kommt.
Zahlreiche Tests mit Alt-Modulen, die beim Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart gemacht wurde, zeigten jedoch: Ein Großteil der Module funktionierte selbst nach mehr als 20 Jahren Betriebszeit noch gut. Der Wirkungsgrad, also die Leistung bei der Umsetzung vom Sonnenlicht in Strom, ist gegenüber dem Einbau in den 2000er Jahren nur wenig gemindert.
Oft landen die Module bisher dann trotz voller Funktionsfähigkeit oder obwohl sie repariert werden könnten im Elektroschrott. Nicht wenige werden offenbar auch illegal in Nicht-EU-Länder verbracht, wie Insider berichten. Die Hamburger Solar-Recycling-Firma 2nd Life Solar verweist darauf, dass die Menge der Altmodule, die fachgerecht entsorgt werden, deutlich niedriger liegt, als zu erwarten ist.
"Es gibt viele Händler, die Solarpark-Betreibern Altmodule für ein bis zwei Euro pro Stück abkaufen und diese nach außerhalb der EU exportieren", berichtet Martin Wilke, Projektleiter bei dem Unternehmen. "Der Zoll kommt hier mit Kontrollen nicht hinterher." Tatsächlich ist vorgeschrieben, dass die abgebauten Module nur von zertifizierten Entsorgungsfachbetrieben verwertet werden dürfen.
70 Prozent der demontierten Module sind voll intakt
Die ersten Solarstromanlagen wurden hierzulande in den 1990er Jahren installiert. Der Boom der Photovoltaik-Produktion setzte dann im Jahr 2000 ein, das damals verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit der für 20 Jahre garantierten Einspeisevergütung machte sie rentabel.
Wenn Altanlagen jetzt demontiert werden, geschieht das nur selten, weil sie komplett defekt sind, sondern eher, weil neue PV-Module deutlich mehr Strom aus dem Sonnenlicht "herausholen" und neue Anlagen wieder eine EEG-Förderung bekommen können.
Vor allem Betreiber von großen kommerziellen Solarkraftwerken führen dieses "Repowering" durch, das mehr Gewinn verspricht. Privatleute, die sich ihre Solaranlage in den letzten beiden Jahrzehnten aufs Hausdach schrauben ließen, tun das kaum. Sie stellen eher auf vorrangigen Eigenverbrauch des Solarstroms um, um den teuren Strom aus dem Netz einzusparen, oder sie kassieren weiterhin die – für "Ü‑20-Anlagen" allerdings stark abgeschmolzene – EEG-Einspeisevergütung.
2nd Life Solar ist ein Pionier bei der Weiternutzung der Sonnenstrom-Anlagen. Nach den Erfahrungen der 2020 gegründeten Firma sind momentan noch rund 70 Prozent der demontierten Module ohne Reparatur direkt wieder einsetzbar.
Gebrauchte Module seien günstiger in der Anschaffung und hätten einen deutlich besseren CO2-Fußabdruck, weil sie nicht neu produziert werden müssen, sagt die Prokuristin des Unternehmens, Claudia Dau. "Trotzdem sind sie leistungsstark". Man könne davon ausgehen, dass zum Beispiel zehn Jahre alte Paneele noch einmal 20 Jahre Strom produzieren könnten.
"Gute" Module sollen schneller erkannt werden
Verwendet werden die noch brauchbaren Alt-Module bisher zumeist für Solaranlagen zur Eigenstromversorgung sowie für die sogenannten Balkonkraftwerke, die gerade einen Boom erleben. Sie klassisch zur Einspeisung von Solarstrom ins Netz zu nutzen, funktioniert nicht, da bereits einmal per EEG geförderte Anlagen nicht erneut eine EEG-Vergütung bekommen können.
Ein Beispiel für eine Solarlösung mit von dem Hamburger Recycler geprüften Modulen ist eine Anlage mit fast 100 Kilowatt Maximalleistung, die auf den Dächern einer Containerdienst-Firma in Buchholz bei Hamburg installiert wurde. Das Kraftwerk auf dem Dach kostete 80.000 statt 140.000 Euro wie mit neuen Modulen, die Solarstrom-Kosten sanken entsprechend.
Weiterer Vorteil: Durch die Entscheidung für eine gebrauchte Anlage fielen zusätzlich 243 Tonnen CO2 weg, die sonst bei der Herstellung neuer Module entstanden wären.
Das Stuttgarter ZSW will das solare Aus-alt-mach-neu nun in seinem Forschungsprojekt "Renew" weiter voranbringen – zusammen mit Partnern, darunter auch 2nd Life Solar.
Dabei sollen neue Standards entwickelt werden, um schnell die "guten" und die nicht mehr tauglichen Module voneinander zu trennen und damit auch schnell erkennen zu können, ob Reparaturen noch sinnvoll sind. Das dreijährige Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.
Französische Recyclingfabrik legt vor
"Renew"-Projektkoordinator Maximilian Engel sagte dazu: "Der Markt für gebrauchte Module wächst rasant, denn die Ausbauziele für die Photovoltaik sind hochgesteckt. Hierfür brauchen wir jedes Modul – ob neu oder gebraucht – bis zum Ende seiner Betriebsfähigkeit im Betrieb." Er freue sich über das momentan hohe Solar-Ausbautempo.
Tatsächlich wird dieses Jahr mit erwarteten 13.000 Megawatt ein neuer Rekord erreicht, im bisherigen Topjahr 2012 waren es gut 8.000 Megawatt gewesen. Doch sei es eben wichtig, den nachhaltigen Umgang mit den dazu verwendeten Ressourcen zu verbessern. Module, die noch funktionieren, auf den Schrott zu werfen, muss so gesehen zum Tabu werden.
Doch das allein reicht noch nicht. Angesichts der erwarteten 100.000 Tonnen Altmodule pro Jahr schon ab 2030 ist ein optimales Recycling der tatsächlich nicht mehr nutzbaren Module nötig, um den Rohstoffverbrauch im Rahmen zu halten.
Bisher konnte vor allem das Aluminium aus den Paneelen gut wiedergewonnen werden. Inzwischen aber gelingt es auch, wertvolle Materialien wie Kupfer, Silizium und Silber zu recyceln, die darin jeweils nur in geringer Konzentration vorhanden sind. Auch das Glas ist wiederverwertbar, allerdings nicht für neue Module, dafür ist es nicht rein genug.
Als führend in Europa gilt hier das Unternehmen Rosi im französischen Grenoble. Es hat in diesem Sommer die weltweit erste Fabrik für das beinahe vollständige Recycling von Solarmodulen eröffnet. Rosi hofft, bis zu 99 Prozent des Materials wiederverwenden zu können.
"Solche Hightech-Verfahren müssen der Standard werden", fordert 2nd-Life-Solar-Mann Wilke. "Und es müssen alle Module erfasst werden – ohne Ausnahme."