Im jüngsten Synthesebericht des Weltklimarats findet sich auf Seite 16 eine beeindruckende Grafik. Sie veranschaulicht die sogenannten Hitze-Feuchtigkeits-Risiken für die menschliche Gesundheit.

Die Grafik zeigt: Steigen die globalen Temperaturen über das Zwei-Grad-Limit, breiten sich in den Äquatorregionen Zonen aus, in denen menschliches Leben immer schwieriger wird – unserer Spezies wird es einfach zu heiß.

Wie sich diese Zonen genau ausbreiten und wen sie besonders treffen, hat jetzt eine Arbeit von Forschern der Universitäten Exeter und Nanjing untersucht. Die im Fachjournal Nature Sustainability erschienene Studie geht davon aus, dass bis 2100 die globale Temperatur um 2,7 Grad ansteigt. Das ist die Erwärmung, die auch der Weltklimabericht prognostiziert, wenn die Klimapolitik sich nicht deutlich ändert.

Um die Hitze-Betroffenheit abzubilden, nutzen die Forscher den Begriff der "klimatischen Nische" des Menschen, englisch human climate niche. So werden Regionen der Erde bezeichnet, in denen Menschen bisher dank günstiger klimatischer Bedingungen bevorzugt leben. Die optimale Jahresmitteltemperatur dieser "Nische" liegt bei etwa elf bis 15 Grad Celsius.

Geschichtlich gesehen siedelten die Menschen bisher am häufigsten in Gegenden mit um die 13 Grad Durchschnittstemperatur, ein Teil auch bei ungefähr 27 Grad vor allem in Südasien, der wohlhabendere Teil der Menschheit aber eher bei den 13 Grad, heißt es in der neuen Studie.

Werden Menschen dagegen Temperaturen von mehr als 40 Grad ausgesetzt, kann dies tödlich sein. Die kritische Temperatur sinkt dabei mit steigender Luftfeuchtigkeit. So können schon Temperaturen jenseits der 35 Grad lebensgefährlich sein, vor allem für schwächere Personen.

Die Forscher legen aber nicht einfach höhere Temperaturen auf heutige Verhältnisse um. Sie rechnen zum einen damit, dass die Weltbevölkerung bis 2100 von derzeit etwa acht Milliarden auf 9,5 Milliarden Menschen zunimmt. Zum anderen werden sich auch weiterhin Menschen gerade in Regionen mit besonders starkem Temperaturanstieg ansiedeln.

Das zeigte sich schon in der Vergangenheit. So hat laut der Studie die globale Erwärmung um 0,7 Grad im Zeitraum von 1960 bis 1990 zwischen 550 und knapp 800 Millionen Menschen ungünstigeren Temperaturen ausgesetzt. Der demografische Wandel habe dies für weitere 77 Millionen Menschen mit sich gebracht.

Die Ergebnisse der Studie seien ein "Mix" aus Klimawandel und Bevölkerungsentwicklung in diesem Jahrhundert, erläuterte Timothy Lenton, Klima- und Erdsystemwissenschaftler an der Uni Exeter und einer der beiden Hauptautoren.

Eklatante Verletzung der Klimagerechtigkeit  

Das Herangehen legt zugleich offen, wie global ungerecht der Klimawandel zu wirken droht. So werden bei einer Erdbevölkerung von 9,5 Milliarden und 2,7 Grad globaler Erwärmung laut der Studie rund 600 Millionen Menschen in Indien ihre bisherige "Klima-Nische" verlieren.

Nigeria folgt dann mit mehr als 300 Millionen hitzeexponierten Menschen. In beiden Ländern gebe es schon heute "Hotspots" mit gefährlichen Temperaturen, betonen die Forscher.

Ernsthafter Klimaschutz hieße vor allem, das Verbrennen von Erdöl, Erdgas und Kohle zu stoppen. (Bild: Carbon Majors Report)

In einigen Ländern, darunter Burkina Faso und Mali, wird es laut Studie bei 2,7 Grad Erderwärmung fast flächendeckend gefährlich heiß für Menschen.

Insgesamt würden dann im Jahr 2100 etwa zwei Milliarden Menschen, rund ein Fünftel der dann prognostizierten Bevölkerung, aus ihrer "Klima-Nische" fallen.

Länder wie die USA, Katar oder auch die Europäische Union befänden sich dagegen selbst bei einem starken Klimawandel eher auf der kühleren Seite, ergibt die Studie.

Laut der Studie sorgen die Emissionen, die heute 3,5 Weltbürger im Schnitt verursachten, dafür, dass ein Mensch künftig gefährlicher Hitze ausgesetzt wird. Für dieselbe Gefährdung reichen allerdings schon die Lebenszeitemissionen von nur 1,2 Bürgern der USA, rechnet die Studie beispielhaft vor.

Die künftigen Hitzeopfer werden dann allerdings an Orten leben, an denen die heutigen Emissionen nur rund halb so hoch sind wie der weltweite Durchschnitt, erklären die Forscher. Drastisch formuliert: Ohne Kehrtwende zu wirklichem Klimaschutz werden die reichen Länder künftig die ärmeren grillen.

"Menschen können sich anpassen oder in kühlere Gebiete migrieren. Das können vor allem Menschen in reichen Ländern, arme haben weniger Möglichkeiten dazu, und gerade diese Länder werden aus der human climate niche fallen", erklärt Christian Franzke von der Universität Pusan in Südkorea, der an der Studie nicht beteiligt war.

Klimakatastrophe auch in der Klimanische möglich

Angesichts der dramatischen Folgen, die 2,7 Grad Erwärmung haben, zeigen die Forscher auch, welches Potenzial eine entschlossene Klimapolitik hat. Gelinge es, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, würden bis zum Ende des Jahrhunderts "nur" fünf Prozent der Weltbevölkerung ihre Klima-Nische verlieren.

"Für jede Erwärmung um weitere 0,1 Grad über dem heutigen Niveau werden weitere rund 140 Millionen Menschen einer gefährlichen Hitze ausgesetzt sein", betonte Studienautor Timothy Lenton. Für ihn verdeutlicht die Arbeit die enormen menschlichen Kosten, die entstehen, wenn auf den Klimanotstand nicht angemessen reagiert wird.

Die hohen Temperaturen hätten vielgestaltige negative Folgen. Lenton nannte neben der erhöhten Sterblichkeit auch sinkende Produktivität, mehr Lernschwierigkeiten und abnehmende kognitive Leistung, mehr Risikoschwangerschaften, geringere Ernten, mehr Konflikte und die Ausbreitung von Infektionskrankheiten.

Letztlich betrifft die "Nischen"-Frage nicht nur das Leben der Menschen, sondern auch das der Pflanzen und Tiere, von denen sich die Menschheit ernährt. Zwar könne ein Landwirt im klimatisierten Traktor das Feld bestellen, ob da aber noch etwas wachse, sei eine andere Frage, erläuterte Lenton.

Die Studie lässt auch andere Gefahren des Klimawandels wie die Verfügbarkeit von Wasser oder den steigenden Meeresspiegel außer Acht.

Bereits innerhalb der Nische können Dürren und Wüstenbildung die Landwirtschaft in einem größeren Gebiet nahezu unmöglich machen, ergänzt Richard Klein vom Stockholm Environment Institute (SEI), ebenfalls kein Mitverfasser. "Mit anderen Worten: Es gibt Regionen innerhalb der menschlichen Klima-Nische, die aus anderen Gründen unbewohnbar werden könnten."

Anzeige