Schon im Herbst hatte sich abgezeichnet, dass 2023 wohl das wärmste Jahr seit Beginn der globalen Aufzeichnungen werden würde. Am heutigen Dienstag ist das durch den Copernicus Climate Change Service (C3S) der EU offiziell bestätigt worden.

Und die Klima-Fachleute ergänzten das durch eine weitere bedenklich stimmende Nachricht: Es sei wahrscheinlich, dass im Januar oder Februar dieses Jahres der dann endende Zwölf-Monats-Zeitraum mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen wird. Die Zielmarke aus dem Pariser Klimavertrag wäre dann erstmals überschritten.

C3S-Direktor Carlo Buontempo mahnte: "Die extremen Ereignisse, die wir in den letzten Monaten beobachtet haben, sind ein dramatisches Zeugnis dafür, wie weit wir uns von dem Klima entfernt haben, in dem unsere Zivilisation bisher florierte."

Bereits das Jahr 2023 lag an der 1,5-Grad-Grenze, wie der Dienst nun meldete, der zum EU-Weltraumprogramm gehört. Die Temperaturen waren danach im globalen Durchschnitt um 1,48 Grad höher als im vorindustriellen Niveau der Periode von 1850 bis 1900 und 0,6 Grad höher als der Mittelwert der bereits deutlich erwärmten Periode von 1991 bis 2020.

Kurvendiagramm: Seit Mitte der 1970er Jahre steigt die globale Mitteltemperatur steil an.
Anstieg der globalen Oberflächentemperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit: Fünf-Jahres-Durchschnitte seit 1850 (links) und jährliche Durchschnittswerte seit 1967 (rechts). (Bild: C3S/​ECMWF)

Besonders "die beispiellosen globalen Temperaturen ab Juni" hätten zu dem Rekord geführt und dazu, dass 2023 das bisherige wärmste Jahr 2016 "mit großem Abstand" überholte. Das Plus gegenüber dem bisherigen Rekordhalter vor sieben Jahren betrug laut den Daten 0,17 Grad.

Das Copernicus-Team stellte den neuen Rekord auch in den erdgeschichtlichen Zusammenhang. Es sei "wahrscheinlich, dass die Temperaturen 2023 wärmer waren als in den vergangenen 100.000 Jahren."

Copernicus ergänzt das durch einige Details. So sei 2023 zum ersten Mal aufgezeichnet worden, dass global jeder Tag des Jahres mehr als ein Grad über dem vorindustriellen Niveau lag. Knapp die Hälfte der Tage waren danach mindestens 1,5 Grad wärmer, und an zwei Tagen im November lag diese Differenz sogar erstmalig über zwei Grad.

In Europa war 2023 übrigens "nur" das zweitwärmste Jahr, mit 1,02 Grad über dem Durchschnitt von 1991 bis 2020 und 0,17 Grad unter dem Wert von 2020, dem Rekordhalter hier.

"Starkes Zeichen" für Scheitern des 1,5-Grad-Ziels

Der 2015 geschlossene Paris-Vertrag regelt, dass die globale Erwärmung "deutlich unter zwei Grad" gehalten, aber möglichst auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Ziel dabei ist es, eine Destabilisierung von Kippelementen des Weltklimas zu verhindern, darunter das Austrocknen des Amazonas-Regenwaldes oder das komplette Abschmelzen des Grönland-Eisschilds.

 

Mit einem erstmaligen Erreichen des 1,5-Grad-Limits wäre diese Paris-Vorgabe noch nicht gebrochen, da es hier um dauerhaftes Überschreiten des Wertes geht. Allerdings ist es laut Klima-Fachleuten ein Anzeichen dafür, dass dies früher geschehen könnte als bisher erwartet.

Andreas Fink, Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), hält es zum Beispiel für möglich, "dass eine 30-jährige Klimaperiode zentriert um 2025 schon das 1,5-Grad-Ziel reißen wird". Ein Überschreiten des Schwellenwertes könne "als ein starkes Zeichen dafür interpretiert werden, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommen nicht mehr zu halten ist".

Ein Hauptfaktor, der 2023 zum Rekordjahr macht, ist ein natürliches Phänomen, das El‑Niño-Ereignis, das im Sommer einsetzte. El Niño tritt unregelmäßig alle zwei bis sieben Jahre auf, verändert die Meeresströmungen im Pazifik und erhöht dabei die globale Temperatur um 0,1 bis 0,2 Grad. Nach dem Ende des Ereignisses wird die globale Temperatur aller Voraussicht nach also für eine gewisse Zeit wieder unter die 1,5 Grad sinken.

Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif verweist darauf, dass die drei Jahre vor 2023 zudem "La‑Niña-Jahre" waren, weswegen dann der Anstieg der globalen Temperatur im vergangenen Jahr so deutlich gewesen sei. La Niña ist quasi die "kühlende" Gegenspielerin von El Niño. Latif betonte aber gegenüber Klimareporter°: "Ohne den Einfluss der globalen Erwärmung wäre 2023 nicht das wärmste Jahr geworden."

Besorgnis über ungewöhnlich warme Meere

Großen Einfluss auf die aktuelle Lage hatten laut Copernicus aber generell die ungewöhnlich hohen Temperaturen an den Meeresoberflächen, die 2023 in den meisten Ozeanen festgestellt wurden, und hier besonders die im Nordatlantik. Sie hätten "eine wichtige Rolle bei den globalen Rekordwerten" gespielt, betont der EU-Dienst.

Tatsächlich wurden die Meere von ausgeprägten Hitzewellen erfasst. An der Küste von Florida zum Beispiel, die den Golf vom Mexiko im Osten begrenzt, erreichten die Wassertemperaturen Ende Juli an einer Messboje mehr als 38 Grad, vergleichbar mit einem Wannenbad – normal wären laut der US-Wetterbehörde NOAA maximal 31 Grad gewesen.

Damit scheint sich der Trend zu beschleunigen, über den der Weltklimarat IPCC 2019 berichtete. Laut IPCC hat sich die Häufigkeit der marinen Hitzewellen seit den 1980er Jahren verdoppelt, zudem sind sie intensiver und länger geworden.

In der Fachwelt hatte der Hitzeschub in den Meeren Mitte 2023 große Besorgnis ausgelöst. Der Klima- und Ozeanexperte Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zum Beispiel sprach von einer "extremen Temperaturabweichung nach oben".

Als bedenklich gilt die starke Erwärmung unter anderem, weil die Ozeane ein wichtiger Klimaregulator sind. Bisher haben sie mit ihrem enormen Volumen rund 90 Prozent der Wärme aufgenommen, die durch den vom Menschen verstärkten Treibhauseffekt ins System gekommen ist.

Wird diese Pufferwirkung kleiner, wie spekuliert wird, hat das natürlich Folgen für die Erwärmung generell an der Erdoberfläche. 2023 mit seinen zahlreichen Extremwettereignissen wäre damit nur ein Vorgeschmack auf eine noch drastischere Entwicklung der Klimakrise gewesen.