Studierende während der Pause in der Mensa des Karlsruher Instituts für Technologie.
Wenn Großküchen – wie hier die Mensa in Karlsruhe – mehr Gemüse statt Fleisch verwenden, hilft das der Klimawende im Ernährungssystem. (Foto: Jürgen Hermann Mayer/​Jason Karaian/​Flickr)

Vom kommenden Wintersemester an soll das Essen in Berliner Mensen klimafreundlicher werden. Mindestens zwei Drittel der angebotenen Gerichte sollen dann vegan sein. Fleisch- und Fischgerichte sollen jeweils nur noch zwei Prozent des Speiseplans ausmachen.

Schon länger gibt es in den großen Mensen Berlins ein sogenanntes Klimaessen. Das ist ein veganes Essen aus frischen und saisonalen Hauptzutaten und mit einem geringen CO2-Fußabdruck.

Wie vielfältig klimafreundliches Essen sein kann, zeigt ein Blick auf die Speisekarten. Neben einem Eintopf aus Gartengemüse mit Kokosmilch und roten Linsen gibt es eine Quinoa-Gemüse-Pfanne mit Ingwer-Tofu.

Den Forschenden vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie dürfte der Vorstoß in Berlin gefallen. Für die klimagerechte Transformation des Ernährungssystems spielt die Verpflegung außer Haus nämlich eine entscheidende Rolle. 40 Millionen Portionen geben Betriebskantinen, Mensen und Krankenhaus-Küchen jeden Tag aus.

"Bislang wurde das Potenzial der Außer-Haus-Verpflegung unterschätzt", sagt Melanie Speck vom Wuppertal Institut. Das müsse sich dringend ändern. Die Ökotrophologin hat ein Forschungsprojekt geleitet, das Transformationsprozesse zum nachhaltigen Produzieren und Konsumieren in der Außer-Haus-Verpflegung anstoßen soll.

Eine Erkenntnis: Schon kleine Veränderungen, zum Beispiel etwas geringere Mengen Fleisch pro Portion, wirken sich positiv aus. Wird etwa jede Portion Schweinefleisch um 30 Gramm verringert, summiert sich das. Bei 2.000 Portionen pro Tag werden etwa 60 Kilogramm Fleisch und damit knapp eine halbe Tonne Treibhausgase gespart.

Kleinere Fleischportionen, höherer Bioanteil

Auch die LWL-Kliniken in Münster und Lengerich, zwei große psychiatrische Fachkrankenhäuser, haben in ihren Kantinen die Fleischportionen verkleinert. Statt eines großen Würstchens landen nun beispielsweise zwei kleine in der Suppe, wobei die pro Portion verwendete Fleischmenge sinkt.

Das Küchenpersonal hat noch an weiteren Stellschrauben gedreht. In den Klinikkantinen wird häufiger geschnittenes Fleisch angeboten, weil sich so leichter die Fleischmenge pro Portion verringern lässt als bei einem ganzen Stück.

Mehr Gemüse und Hülsenfrüchte auf den Teller

Um das Klimaziel zu erreichen – nämlich Treibhausgasneutralität – darf unsere Ernährung pro Person nicht mehr als 350 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Jahr verursachen. Das CO2-Budget einer Hauptmahlzeit entspricht unter diesen Bedingungen etwa 600 Gramm.

Das geht nur, wenn der Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten sinkt. Empfohlen werden pro Person 300 Gramm Fleisch in der Woche und 250 Gramm Milchprodukte am Tag – das entspricht jeweils zwei Portionen.

Lebensmittelabfälle sollten in jeder Form vermieden werden.

Wie das Essen nachhaltiger werden kann, treibt die Beschäftigten der LWL-Kliniken Münster und Lengerich schon länger um. "Wir haben mit einem Umweltmanagement angefangen und sind dadurch automatisch beim Thema Ernährung gelandet, weil Ernährung so viel mit Treibhausgasbilanzen zu tun hat", sagt Thomas Voß, kaufmännischer Direktor der LWL-Kliniken.

Weil auch Produkte aus dem ökologischen Landbau eingesetzt werden, sind die Küchen der Kliniken seit 2005 mit dem Bio-Siegel zertifiziert. Mittlerweile liegt der Anteil der eingesetzten Bio-Lebensmittel bei 25 Prozent. Wenn Voß in wenigen Jahren in Rente geht, soll die Hälfte aller Zutaten bio sein.

Dass der Anteil der Bioprodukte noch nicht höher ist, liegt laut Voß vor allem am Geld. Bio sei einfach teurer. Deshalb gibt es auch kein Kalbfleisch mehr in den Klinikkantinen, erläutert er. Dagegen werden zu 100 Prozent Bio-Eier verwendet, die von einem kleinen Familienbetrieb aus der Region geliefert werden.

Entscheidend ist, dass es schmeckt

Aus Sicht der Wissenschaft kommt der Verpflegung in Kantinen und Mensen eine Schlüsselrolle bei der Ernährungswende zu. "Wenn Kantinen nachhaltige Speisen anbieten, sind sie für landwirtschaftliche Betriebe zuverlässige Abnehmer und steigern die Nachfrage nach entsprechenden Produkten", erläutert Ökotrophologin Speck. So werde es möglich, das Angebot für eine ökologisch und sozial verträglichere Verpflegung auszubauen – und gleichzeitig neue Genusswelten zu eröffnen.

Die Kantinen können also den regionalen Markt für Biolebensmittel stärken und Menschen für nachhaltiges Essen begeistern. Doch bisher gibt es nur wenige Leuchtturmprojekte wie eben die Berliner Mensen oder die LWL-Klinikkantinen. "Es muss vor allem darum gehen, weitere Krankenhäuser, Kitas und andere Einrichtungen mitzunehmen und sie zu motivieren, nachhaltigere Verpflegung anzubieten", sagt LWL-Co-Direktor Voß gegenüber Klimareporter°.

Die gute Nachricht

Alles geht den Bach hinunter? Den Eindruck kann man beim (Klima-)​Nachrichtenlesen leicht bekommen, und oft stimmt er. Aber es gibt auch positive Entwicklungen. Die sammeln wir hier.

Deshalb beteiligen sich die LWL-Kliniken am Forschungsprojekt "Außer-Haus-Angebote nachhaltig und gerecht gestalten" (Genah) unter Leitung der Fachhochschule Münster. Es soll Nachhaltigkeit im Alltagshandeln verankern – bei der Außer-Haus-Gastronomie, in der Wertschöpfungskette und bei Entscheider:innen über Essensangebote. Die dort Tätigen können besonders wirksam zum Gelingen der Ernährungswende beitragen.

Auch für die Essenden hat das einen Vorteil. Das Angebot sei viel besser geworden, heißt es. "Wir haben seit 15 Jahren keine Patientenbeschwerde über das Essen gehabt, obwohl unsere Fleischportionen kleiner geworden sind und es mittwochs ausschließlich vegetarisches Mittagessen gibt", sagt Voß. "Wir haben die vegane Schiene ausgebaut und trotzdem läuft es gut." Das Essen müsse eben vor allem gut aussehen, gut riechen und gut schmecken.

Anzeige