Klaus Mindrup, Johann Saathoff und Maria Winter auf einem Fabrikdach in Emden.
Klaus Mindrup und Johann Saathoff (vorn, von rechts), SPD-Bundestagsabgeordnete aus Berlin und Emden – hier mit Lokalvertretern auf einem Emder Dach, das wie die meisten anderen im Land noch keine Solaranlage hat. (Foto: johann-saathoff.de)

Ohne den deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. Zurzeit beträgt der Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch nur etwa 17 Prozent. Das ist zu wenig. Wir brauchen daher einen beschleunigten Ausbau.

Bürgerenergie, also in Bürgergesellschaften erzeugte erneuerbare Energie, schafft zugleich Wertschöpfung und gute Arbeit vor Ort und macht die Beteiligten zu aktiven Klimaschützerinnen und Klimaschützern, die die Energiewende selbst voranbringen. Doch die Bürgerenergie wird in Deutschland zurzeit nicht gefördert, sondern steckt in bürokratischen Fesseln.

Der allgemeine Ausbau der erneuerbaren Energien hat deutlich an Schwung verloren, obwohl die Mehrheit der deutschen Bevölkerung einen weiteren Ausbau befürwortet. Mancherorts hat sicher der starke Zubau von Erneuerbare-Energie-Anlagen wie zum Beispiel Windrädern ohne die erforderliche lokale Verankerung die Akzeptanz schwinden lassen.

Darum wollen wir akzeptanzfördernde Instrumente einführen, die zum Beispiel über eine Beteiligung der Gemeinden oder einen vergünstigten Stromtarif Identifikation schaffen.

Deutschland muss mutig und entschieden vorgehen und zügig Maßnahmen ergreifen, die den Ökostrom-Ausbau wieder beschleunigen: Wir wollen das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel von 65 Prozent erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch im Jahr 2030 endlich gesetzlich verankern.

Sinnvoller Einsatz von Ökoenergien und Speichern

Eine Regelung für einen gesetzlich festgelegten Abstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung kann regional akzeptanzfördernd wirken, darf aber nicht die energie- und klimapolitischen Ziele gefährden.

Wir brauchen eine integrierende Planung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen. Nach dem vom Bundestag mehrfach beschlossenen Grundsatz, den Strom zu nutzen statt abzuregeln, brauchen wir klare Prioritäten bei der Nutzung des erzeugten Stroms.

Das bedeutet: Vorrang hat der direkte Einsatz von Strom, danach kommen Batteriespeicher und die alternativen Power-to-X-Lösungen, also die Speicherung überschüssigen Stroms durch die Umwandlung in andere Energieträger.

Klaus Mindrup

Der studierte Biologe und SPD-Politiker ist seit 2013 Abgeordneter des Bundestages und Mitglied der Ausschüsse für Bauen und für Umwelt. Er tritt für eine rasche, dezentrale, bürgernahe und gerechte Energiewende ein.

Ohne Speicherung wird die Energiewende nicht gelingen können. Eine Schlüsselrolle wird mittelfristig Wasserstoff als flexibel nutzbarer Langzeitspeicher haben. Es ist nicht hinzunehmen, dass wir wegen eines falschen Designs der Energiewende zum einen für abgeschaltete Erneuerbare-Energien-Anlagen zahlen und zum anderen für den Kauf von CO2-Zertifikaten in Nachbarstaaten.

Wir müssen daher die Hemmnisse für den sinnvollen Einsatz erneuerbarer Energien und der damit verbundenen Speicherlösungen schnell und entschieden abbauen. Wir werden unter anderem dafür sorgen, dass der Einsatz von Photovoltaik-Strom im Gebäude im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz nicht länger diskriminiert und künftig angerechnet wird. Das werden wir im neuen Gebäudeenergierecht verankern.

Bürokratische Fesseln für Mieterstrom lösen

Die EU ist bei der Bürgerenergie weiter als Deutschland. Wir setzen uns deshalb dafür ein, die EU-Regeln zur Bürgerenergie – das "Clean Energy Package" und die Erneuerbare-Energien-Richtlinie II – umfassend ins deutsche Recht umzusetzen.

Selbst verbrauchte Energie aus der Eigenversorgung darf damit keinerlei Abgaben, Umlagen und Gebühren mehr unterliegen. Eigenversorger, die zusammen in einem Mehrfamilienhaus leben, werden individuellen Eigenversorgern gesetzlich gleichgestellt, und zwar auch dann, wenn die Anlage von einem Dritten betrieben wird.

Johann Saathoff

ist energie­politischer Koordinator der SPD-Bundes­tags­fraktion. Der studierte Verwaltungs­wirt aus Emden ist direkt gewählter Abgeordneter seines ostfriesischen Wahlkreises.

Damit würden auch die bürokratischen Fesseln für Mieterstrom gelöst. Seit Anfang 2017 sind Mieterinnen und Mieter Einfamilienhausbesitzern zwar weitgehend gleichgestellt, wenn beispielsweise auf dem Dach eines Mietshauses durch eine Photovoltaikanlage Strom erzeugt und dieser nicht in die öffentlichen Stromnetze geleitet wird.

Doch auch hier gibt es bisher große bürokratische Hindernisse. Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie für Bürgerenergiegemeinschaften in bundesdeutsches Recht kann auch hier viel erreicht werden.

Im Falle des Energy Sharing in Quartieren, also der nachbarschaftlichen Direktversorgung mit lokalem erneuerbarem Strom, sind nur die Netzentgelte anzusetzen, die der Nutzung entsprechen – in der Regel die der untersten Netzebene.

Für kleine Anlagen unter 30 Kilowattstunden Nennleistung sollte niemand mehr "Unternehmer" werden müssen. Die hier noch geltenden Regeln müssen ersatzlos gestrichen werden. Verkaufen Immobilieneigentümer Strom an ihre Mieterinnen und Mieter, müssen sie diese unternehmerische Tätigkeit separat versteuern, die Haupteinkunftsart "Vermietung und Verpachtung" gilt aber weiterhin und wird nicht länger "infiziert".

Speicher auf der Nieder- und Mittelspannungsebene müssen zukünftig von Abgaben und Steuern völlig befreit werden, wenn sie netzdienlich gefahren werden. Sie sind nicht wie Endverbraucher zu behandeln. Das gilt auch für Speicherkapazitäten, die von Elektroautos zur Verfügung gestellt werden.

Die Umgestaltung unseres Energiesystems ist eine außerordentliche Chance. Der europäische Green Deal kann bei kluger Umsetzung und nach Beseitigung der augenblicklichen Hemmnisse für erneuerbare Energien ein gigantisches Investitions- und damit Konjunkturprogramm auslösen.

Damit werden viele weitere Innovationen und Arbeitsplätze entstehen und unser Wohlstand und der Industriestandort wird gesichert.

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