Eigentlich ist das Potenzial von Mieterstrom groß. Eine Analyse im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums schätzte, dass rund 3,8 Millionen Wohnungen mit Strom direkt vom Dach versorgt werden können. Würden die Rahmenbedingungen für die Mieterstrommodelle verbessert, könnten gar Mieterinnen und Mieter von fünf Millionen Wohnungen solchen Strom beziehen.
Doch von einer Durchdringung dieses Ausmaßes ist der Mieterstrom weit entfernt. Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Mieterstromgesetzes, das die Förderung von solaren Mieterstromanlagen mit einer Gesamtkapazität von 500 Megawatt pro Jahr ermöglichen soll, sind die Ausbauzahlen erschreckend niedrig.
Innerhalb der vergangenen zwei Jahre wurden bei der Bundesnetzagentur Photovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von zusammen weniger als 15 Megawatt für den Zuschlag angemeldet. Lediglich 1,5 Prozent des Förderrahmens wurden somit ausgeschöpft. Die vom Gesetzgeber vorgegebene Ausbaugrenze von jährlich 500 Megawatt liegt in weiter Ferne.
Für Erneuerbaren-Vertreter ist klar, warum dem klima- und naturschutzgerechten Mieterstrom hierzulande nicht der Durchbruch gelingt. "Die komplizierten Regelungen des aktuellen Mieterstromgesetzes sind nicht dazu geeignet, der solaren Energiewende in den Städten zum Durchbruch zu verhelfen", sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar).
Das sehen auch Sami Natal von der Berliner Wohnungsgenossenschaft Neukölln und Christoph Rinke von Bürger-Energie Berlin so. Ende Juli haben die Vorstände der zwei Genossenschaften zur Einweihung einer Mieterstromanlage in die Neuköllner Ossastraße geladen. So groß die Freude über die neu installierte Solaranlage mit einer Spitzenleistung von 99,8 Kilowatt auch ist, so zahlreich sind die Klagen, was die Mieterstromförderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) angeht.
Weil der Gesetzgeber aus Sicht der beiden Genossenschaftler viel zu restriktive Rahmenbedingungen setzt, hat es ein Jahr gebraucht, bis die Solaranlage geplant, finanziert und installiert war. Vor allem der technische Aufwand für die geforderten Anpassungen der Elektroinstallation sei im Vergleich zu einer herkömmlichen Einspeiseanlage immens gewesen, klagt Rinke. Von sinkenden Photovoltaik-Preisen konnte die Anlage deshalb nicht profitieren.
Zudem wird die Einspeisevergütung nur für Solaranlagen mit einer Nennleistung von weniger als 100 Kilowatt gezahlt. "Wir hätten gern eine Photovoltaikanlage mit einer Nennleistung von 150 Kilowatt installiert", sagt Sami Natal von der Neuköllner Wohnungsgenossenschaft. Ausreichend Platz wäre auf dem Dach dafür. Aber dann gäbe es den Mieterstromzuschlag nicht.
"Die Regelung für die Größe von Mieterstromanlagen muss auf dichte urbane Räume angepasst werden", sagt Christoph Rinke von Bürger-Energie Berlin zu Klimareporter°. Die Obergrenzen von 100 Kilowatt und nur knapp über 100 Haushalten bei Kundenanlagen seien zu eng bemessen.
Nicht alle Mieterinnen und Mieter der Genossenschaftswohnungen in der Ossastraße konnten deshalb bei den Planungen der Mieterstromanlage berücksichtigt werden. "Bei den Mietern, die sich als eine Gemeinschaft verstehen, stieß dieser Umstand auf Unverständnis", sagt Rinke.
Das Energiesammelgesetz, das der Bundestag im vergangenen Dezember beschlossen hat, bringt zusätzlich Unsicherheit. Es senkt die Einspeisevergütung für Solaranlagen ab 40 Kilowatt weiter ab. "Mieterstromprojekte brauchen weiterhin eine angemessene Förderung", sagt Rinke. Mit dem Energiesammelgesetz sei die Förderung vor allem für größere Photovoltaik-Anlagen nahezu komplett abgeschmolzen.
Berlins Wirtschaftsstaatssekretär Christian Rickerts will das ändern und dem Mieterstrom in der Hauptstadt zum Durchbruch verhelfen. Gemeinsam mit Thüringen hatte Berlin im vergangenen Oktober einen Beschluss zur Stärkung des Mieterstroms im Bundesrat initiiert.
Doch die Bundesregierung reagierte nicht auf den Vorstoß der Länder. "Die Rahmenbedingungen des Bundes sind ein Ärgernis", sagt Rickerts. Statt neue Mieterstromprojekte zu fördern, verhinderten die Vorgaben den Erneuerbaren-Ausbau in den Städten.
Zwar hat das zuständige Bundeswirtschaftsministerium eingeräumt, dass der Mieterstrom hinter den Erwartungen zurückbleibt, und Änderungen angekündigt. Doch dafür müssten noch etliche Hürden fallen. Bislang kommen nur Solaranlagen auf dem Dach des Wohngebäudes beziehungsweise in räumlicher Nähe in den Genuss der Mieterstromzulage.
"Unzählige klimafreundliche Lösungen werden verhindert"
"Eine viel zu enge Auslegung des gesetzlich geforderten 'räumlichen Zusammenhangs' zwischen Solaranlagen und Verbrauchern und damit verbundene bürokratische Auflagen verhindern unzählige Lösungen für eine klimafreundliche Quartiersversorgung", kritisiert BSW-Solar-Chef Carsten Körnig. Völlig unberücksichtigt bleibt zudem die Möglichkeit, Solaranlagen auf Gewerbegebäuden zu installieren.
Aus Sicht des Branchenverbands hemmen auch die umfangreichen Abrechnungs-, Informations- und Mitteilungspflichten, die sich aus dem Energiesammelgesetz für Betreiber kleinerer Solaranlagen ergeben, den Durchbruch des Mieterstroms. "Wer zum Beispiel eine Einliegerwohnung oder wenige Wohneinheiten mit vor Ort erzeugtem Solarstrom beliefert, sollte nicht automatisch dieselben Pflichten wie ein großer Energieversorger erfüllen müssen", fordert Körnig.
Der Marktdurchbruch werde kommen, wenn solarer Mieterstrom nicht länger durch unsachgemäße Umlagen und Abgaben belastet werde. Anders als bei Eigenheimbesitzern, die ihren selbst erzeugten Solarstrom vom Dach nutzen, wird bei Mieterstrommodellen die EEG-Umlage in Höhe von rund sieben Cent je Kilowattstunde fällig. Diese "Sonnensteuer" belaste Mieter und Vermieter, so Körnig.
Am Horizont zeichnet sich ein weiteres Hemmnis ab. Sobald die installierte Photovoltaik-Kapazität in Deutschland die Grenze von 52.000 Megawatt überschreitet, endet die Einspeisevergütung nach dem EEG. Schon im kommenden Jahr soll das der Fall sein.