Logo der SPD auf Backsteinwand projiziert
Die SPD ist jetzt Klimaschutzpartei. (Foto: Jon Worth/​Flickr)

In Umfragen liegt die SPD auch sieben Monate vor der Bundestagswahl abgeschlagen auf Platz drei hinter Union und Grünen. Wenn es überhaupt einen Sinn ergeben soll, mit einem Kanzlerkandidaten – Finanzminister Olaf Scholz – ins Rennen zu gehen, muss die Partei sich etwas einfallen lassen.

Seit diesem Wochenende ist klar, mit welchen Themen die Sozialdemokraten in den Wahlkampf ziehen wollen. Oder anders gesagt, welche Themen die SPD als so zugkräftig einschätzt, dass man damit eine Aufholjagd bestreiten kann.

Die Wahlkampagne, auf die sich die Parteispitze bei ihrer zweitägigen digitalen Vorstandsklausur verständigt hat, benennt vier sogenannte "Zukunftsmissionen", die unter das Motto "Sozial, digital, klimaneutral" gestellt werden.

Der etwas ungelenke Begriff "Zukunftsmissionen" ist quasi das Äquivalent zu der Mann-im-Mond-Metapher, die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bemühte, als sie Ende 2019 ihren Green Deal vorstellte. Wenn es um weit entfernte Ziele geht, muss man eben nach den Sternen greifen und nicht zu klein denken.

Die Missionen des SPD-Programms sollen denn auch nicht nur für die nächste Legislatur gelten, sondern "für die 2020er Jahre".

Einigermaßen überraschend steht Klimaschutz dabei an erster Stelle. Gefolgt von den Themen Mobilität ("Modernstes Mobilitätssystem Europas"), Digitalisierung ("Digital souveränes Deutschland und Europa") und Gesundheit ("Gute und moderne Gesundheitsversorgung für alle").

100 Prozent Erneuerbare schon 2040

Die Pläne beim Klimaschutz gehen teilweise über das hinaus, was die Bundesregierung unter SPD-Beteiligung in den vergangenen Jahren beschlossen hat.

Klimaneutralität soll nicht erst 2050 erreicht werden, sondern "spätestens 2050". Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll beschleunigt werden, sodass sie den Strombedarf schon 2040 "möglichst vollständig" decken.

Dabei listet das Papier lediglich Wind- und Sonnenenergie auf. Zwei Prozent der Landesfläche sollen für Windkraft an Land "ermöglicht" werden. "Der darüber hinaus gehende Energiebedarf wird offshore und durch Solarenergie-Anlagen gedeckt."

Biomasse wird nicht erwähnt. Falls sie in 20 Jahren keine Rolle mehr spielen sollte, wäre das eine Sensation. Derzeit hat sie einen sehr erheblichen Anteil an den Erneuerbaren. Womöglich wurde sie in der Aufzählung nur vergessen.

Die EEG-Umlage will die SPD spätestens 2025 "in der bestehenden Form" abschaffen und stattdessen aus dem Bundeshaushalt finanzieren. Dafür sollen die Einnahmen aus der neu eingeführten CO2-Bepreisung genutzt werden. Letzten September hatte die Partei eine Null-Umlage sogar schon ab diesem Jahr gefordert.

Die meisten Punkte der "Zukunftsmission klimaneutrales Industrieland" sind indes altbekannt. Etwa die Forderung nach mehr Tempo beim Ausbau der "Infrastrukturen von morgen", von Stromleitungen bis Ladesäulen.

Oder auch das Plädoyer für eine "moderne Wasserstoffindustrie". Deutschland solle zum "weltweiten Leitmarkt für Wasserstoff-Technologien" werden. Das hätte Wirtschaftsminister Altmaier von der CDU nicht schöner sagen können.

Landwirtschaft und Biodiversität fehlen

Einen klar sozialdemokratischen Akzent setzt das Papier bei der energetischen Gebäudesanierung. Hier sollen gesetzliche Regelungen geschaffen werden, dass Eigentümer den "Hauptanteil des CO2-Preises" tragen und nicht die Mieter:innen. Investitionen in Quartierskonzepte und Wärmenetze sollen staatlich gefördert werden.

Auch bei ihrer "Zukunftsmission modernstes Mobilitätssystem Europas" ist die SPD stark den Vorstellungen der Gegenwart verhaftet und fordert vor allem mehr E-Mobilität, Wasserstofftankstellen und einen besseren öffentlichen Verkehr.

Themen wie Landwirtschaft, Naturschutz und Biodiversität fehlen völlig.

Immerhin enthält das Papier ein klares Bekenntnis zu einem "Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung". Es gehe nicht um Wohlstand oder Klimaschutz, sondern um Wohlstand und Klimaschutz.

Umweltverbände wie der BUND begrüßten das "Versprechen für ein ökologisch erneuertes Deutschland". Allerdings seien solche Forderungen nur glaubwürdig, "wenn sie auch Folgen für die konkrete Politik haben", so Verbandschef Olaf Bandt.

"Die SPD-Ministerinnen und -Minister müssen sich ab sofort für einen deutlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien, für einen Kohleausstieg bis 2030 und für eine Beendigung der Verstromung von Gas bis spätestens 2040 einsetzen", sagte Bandt. "Dies verträgt sich nicht mit dem Bekenntnis der SPD für die neue Gaspipeline Nord Stream 2."

Der Klima-Lügendetektor: SPD: Die alte Leier

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