Noch vor wenigen Tagen beschränkte sich Andreas Jung, Fraktionsvize der Union im Bundestag, in der Klimadebatte bei den Umweltverbänden auf Allgemeinplätze: Abschaffung der EEG-Umlage, schnellere Planungsverfahren, Deckelung der CO2-Emissionen und "Technologieoffenheit" gehörten zu seinen wichtigsten Punkten.
Zu dem Zeitpunkt muss Jung als Mitautor eines ambitionierten Erneuerbaren-Papiers schon ziemlich genau gewusst haben, was dann gestern in 15 Punkten vom CDU-Präsidium beschlossen wurde. Davon ließ der CDU-Politiker, lässt man die Klimadebatte Revue passieren, aber kein Sterbenswörtchen verlauten.
Ein Grund könnte sein, dass Jung dann dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz in der Debatte ein ums andere Mal hätte beipflichten müssen. So sprach sich Scholz – wie seit Monaten die ganze SPD – dafür aus, schnell in den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien einzusteigen, dafür de facto einen ehrgeizigen Plan vorzulegen.
Nun will auch die CDU, so steht in ihrem Papier, bei den Erneuerbaren den "Turbo" anwerfen. Seitenlang listet die Partei auf, wofür Ökostrom künftig alles gebraucht werde – als Ersatz für Fossilstrom, in klimaneutralen Gebäuden und zum Herstellen von Wasserstoff. Bei beiden Groko-Parteien ist die Erneuerbaren-Erzählung jetzt der Kern ihrer Klimaschutz-Story.
Bei den Genehmigungen für neue Windkraft schreibt die CDU im Papier sogar ziemlich wörtlich bei Scholz ab. Der erzählt seit Wochen davon, dass neue Anlagen statt in sechs Jahren in sechs Monaten zu genehmigen seien. Bei der CDU heißt es nun, bei Windanlagen an Land dürfe die Verfahrensdauer "längstens ein halbes Jahr andauern".
Daneben nimmt sich die CDU in ihrem Papier erneut jede Menge bereits beschlossener oder seit Jahren auf der Agenda stehender Forderungen vor – vom Netzausbau über die Streichung der EEG-Umlage bis zu "Quartiersansätzen" im Strommarkt.
Technik soll Flächenkonflikte lösen
Im Detail umschifft die Partei selbstverständlich die harten Konfliktpunkte. Für den Ausbau der Erneuerbaren sollen "mindestens zwei Prozent der Landesfläche zur Verfügung stehen", heißt es etwa im "Turbo-Papier". Diese Fläche soll aber nicht, wie diverse Thinktanks und die Branche selbst es für nötig halten, allein für Windkraft an Land reserviert werden.
Stattdessen sollen auf den zwei Prozent nach dem Willen der CDU "Vorrangflächen für Photovoltaik und Windenergie" eingerichtet werden. Wie die SPD und die Schwesterpartei CSU setzt auch die CDU darauf, die vermutlich konfliktärmere Solarstromerzeugung in den Vordergrund zu rücken und so dem wählerstimmengefährdenden Zorn der Anti-Windkraft-Initiativen zu entgehen.
Die CDU nennt ihre Ideensammlung in dem Papier hochtrabend "Sonnenpaket". Das "Paket" beinhaltet aber keine bundesweite "Solarpflicht", vielmehr stecken darin eine Onlineplattform für schnelle Genehmigungen sowie zinslose Darlehen fürs eigene Solardach.
Die Partei reagiert hier offensichtlich auf jüngste Klagen aus der Immobilienbranche, die eine Solarpflicht als unzumutbare finanzielle Belastung ansieht – obwohl sich durch die EEG-Förderung fast jedes Solardach nach einigen Jahren bezahlt macht. Man darf, nebenbei gesagt, gespannt sein, ob so eine solare Doppelförderung – zinsloses Darlehen und EEG-Zuschuss – rechtlich überhaupt möglich ist.
Einer der wenigen interessanten Punkte im CDU-Papier ist der zum Flächenverbrauch. So soll die Forschung zu Doppelnutzungen forciert werden, beispielsweise Agro-, Biodiversitäts- und Floating-Photovoltaik. Landwirtschaftliche Fläche, die hybrid genutzt wird, soll die gleichen Direktzahlungen erhalten wie bei bloßer agrarischer Nutzung.
"Lose Stichwortsammlung"
Von einem "Sonnenpaket" sprach die CDU-Spitze allerdings auch schon Anfang Mai dieses Jahres – als Reaktion auf das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts. Mit dem Paket wolle man dafür sorgen, dass Dächer, Parkplätze und Freiflächen genutzt und Photovoltaik in Kombination mit Landwirtschaft für Solarenergie vorangebracht werden, erzählte Andreas Jung an der Seite von Laschet nach einer Sitzung des Präsidiums. Die Steuerförderung in Klimatechnologien müsse "deutlich stärker werden und die Abschreibungsmöglichkeiten besser", so Jung damals.
Laschet sprach da übrigens noch von einem anzustrebenden CO2-Mindestpreis im europäischen Emissionshandel. Davon ist im jetzigen Papier keine Rede mehr. Darin wird nur noch nebulös ein "Innovationssignal der CO2-Bepreisung im Emissionshandel" beschrieben.
Die grüne und linke Konkurrenz können die neuen alten Töne aus der Union naturgemäß nicht überzeugen. Für Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, legt die CDU nach 16 Jahren an der Regierung "zehn Seiten Prosa" vor, was man für die Erneuerbaren alles tun müsste.
"Die Union kann ihre jahrelange Klimaschutzblockade nicht kaschieren, indem sie kurz vor der Wahl eine lose Stichwortsammlung veröffentlicht", kritisiert Verlinden. Die CDU sei den Herausforderungen der Klimakrise schlicht nicht gewachsen.
Das CDU-Papier sei ein "blamables Sammelsurium an laschen Allgemeinplätzen", urteilt Lorenz Gösta Beutin, Klima- und Energiepolitiker der Linksfraktion. Kanzlerkandidat Armin Laschet nehme neue Kohlekraftwerke in Betrieb, lasse Dörfer für Braunkohle abbaggern und beschränke die Windkraft, zählte Beutin auf – da erscheine das Papier als "unlauteres Greenwashing".
Lesen Sie dazu den Gastbeitrag von Franz Alt: Wie glaubwürdig ist die Klimapolitik der Union?