Klimaanpassung und das Bewältigen der Folgen der Klimakrise werden zu den kontroversesten politischen Fragen dieses Jahrhunderts gehören. Aktuelle Kulturkämpfe zeigen, welche Sprengkraft jeder politischen Regulierung von Lebensgewohnheiten innewohnt.
Selbst bloße scheinbar "technische" Anpassungen werden absehbar konfliktbehaftet sein. Wie müssen Städte zur Vorsorge auf Extremwetter umgebaut werden? Wo darf nach Katastrophen wieder aufgebaut werden? Wer zahlt?
Während sich der aktuelle Bundestagswahlkampf sich auf die Bekämpfung mehr oder weniger konstruierter Krisenphänomene versteift, kommt die sehr reale Klimakrise in der Debatte fast nicht vor. Das gilt für Klimaschutz, der beinahe zum Tabuthema geworden ist – und um so mehr für die Vorsorge gegenüber nicht mehr abzuwendenden Klimafolgen.
Schon das 2023 verabschiedete Bundes-Klimaanpassungsgesetz, das vor allem einen Rahmen zur Erarbeitung von Anpassungsstrategien setzt und damit eigentlich die inhaltliche Auseinandersetzung hätte anstoßen sollen, fand kaum öffentliche Beachtung.
Doch auch das, was öffentlich kaum diskutiert wird, kann auf dem Radar der Parteien sein. Daher lohnt sich ein Blick in die Wahlprogramme: Findet Klimaanpassung dort Raum?
Der folgende Blick in die Programme von CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken, FDP und BSW soll nicht vordergründig der Wahlberatung dienen, sondern einen Eindruck der anpassungspolitischen Gesamtlage vermitteln. Sachdienliches zur Wahlentscheidung lässt sich sicher trotzdem entnehmen.
Katastrophenschutz: Anpassung als Scherbenaufkehren?
Grundsatzbekenntnisse zur Bedeutung von Anpassungspolitik finden sich bei CDU/CSU, Grünen und Linken. In der Schlussversion ihres Programms fügten die Grünen gegenüber dem Programmentwurf ihres Bundesvorstands eine ausdrückliche Schwerpunktsetzung hinzu: Klimaschutz habe "Vorrang" vor Anpassung – offenbar ein Ausdruck der bis heute verbreiteten Haltung, öffentlich geführte Anpassungsdiskussionen würden dem Klimaschutz schaden. Als einzige Partei erwähnen die Grünen zumindest das Klimaanpassungsgesetz.
Genau einen Schluss ziehen alle Parteien aus den Folgen der Klimakrise: Der Katastrophenschutz sei zu stärken.
Lasse Thiele
ist promovierter Politikwissenschaftler und Autor und seit vielen Jahren für Klimagerechtigkeit aktiv. Er arbeitet derzeit schwerpunktmäßig zu politischen Konflikten um Klimaanpassung.
Auffällig sind dabei zwei Aspekte. Erstens besteht diese Einmütigkeit ausgerechnet bei einem End-of-pipe-Ansatz: Es wird eingegriffen und aufgeräumt, wenn die Katastrophen schon eingetreten sind. Präventive Maßnahmen erhalten dagegen weniger Aufmerksamkeit – sicher auch, weil sie konfliktbehafteter sind.
Zweitens kommt es in vielen Programmen – bei Union, FDP und in Ansätzen auch bei SPD und Grünen – zu einer Gleichsetzung des Schutzbedarfs gegen militärische Bedrohungen und gegen Extremwetterereignisse.
So sprechen CDU und CSU davon, dass Deutschland "widerstandsfähiger" werden müsse. Die Grünen beschwören indes: "Die Zeitenwende muss sich auch im Bevölkerungsschutz widerspiegeln." Das entspricht durchaus der aktuellen Struktur des Bevölkerungsschutzes in Deutschland, der den Schutz vor (Natur-)Katastrophen und den sogenannten "Zivilschutz" umfasst.
Diese Struktur ist zwar pragmatisch nachvollziehbar – und doch legt der martialische Sprachgebrauch als Reaktion auf die Klimakrise eine Militarisierung nahe, die sich in Zukunft weiter zuspitzen könnte.
Klimakrise als eine der äußeren Bedrohungen
Nicht zufällig erscheint die Klimakrise in diesem Kontext als eine von vielen äußeren Bedrohungen. Deutschlands eigene Rolle in der Befeuerung dieser Krise gerät aus dem Blick. Die Grünen betonen immerhin noch, beim Katastrophenschutz Menschen mit Behinderung und andere vulnerable Gruppen stärker einbeziehen zu wollen.
Verstreut finden sich zudem in allen Wahlprogrammen Verweise auf Klimaanpassungsmaßnahmen in verschiedenen Bereichen. Anpassung wird also zumindest ansatzweise als Querschnittsthema verstanden, meist aber nicht in eine übergreifende Strategie eingebettet.
Ein wiederkehrendes Thema ist resilienterer Städtebau, um sich gegen Starkregen und Hitzewellen zu wappnen. Das gilt für SPD, Grüne, Linke und ansatzweise für die Union. SPD, Grüne und Linke benennen explizit das Konzept der "Schwammstadt", wofür viele Flächen entsiegelt werden müssten.
Das zeigt symptomatisch, wie die Parteien massive anpassungspolitische Konfliktthemen beiläufig umgehen. Allein für die flächendeckende Umsetzung dieses Konzepts bräuchte es erhebliche politische Entschlossenheit, die aus den Programmen aber nicht oder zumindest nicht klar erkennbar wird.
Wer beobachtet, wie erbittert in deutschen Städten derzeit um jeden Meter Radweg und jeden öffentlichen Pkw-Stellplatz gerungen wird, kann sich vorstellen, welche Widerstände die Idee einer stadtweiten Flächenumnutzung provozieren wird.
Klimaanpassung in der Landwirtschaft ist eine weitgehende Leerstelle in den Wahlprogrammen. Die SPD erwähnt sie beiläufig, das BSW thematisiert die finanzielle Unterstützung betroffener Landwirt:innen. Das Ausmaß disruptiver Auswirkungen der Klimakrise auf die Nahrungsmittelproduktion ahnt man aus der Programmlektüre nicht.
Wasserstoff für Wirtschaft wichtiger als Trinkwasser
Das – auch klimabedingte – Waldsterben wiederum ist Thema bei CDU/CSU, FDP, Grünen und beiläufig beim BSW sowie vage bei der SPD. Meist wird ein "Waldumbau" hin zu mehr Klimaresilienz vorgeschlagen, die Grünen fassen eine "möglichst natürliche Entwicklung" ins Auge.
Das in den letzten Jahren immer prominentere Konfliktthema Wasserverteilung kommt überraschend selten vor. Die Grünen möchten dies über Preise regeln, CDU und CSU wollen ganz allgemein Städte beim "verantwortungsvollen Umgang" mit Wasser unterstützen.
Die Linke will Mehrheits- über Luxusbedürfnisse und Profite stellen, zugespitzt etwa in der Formel: öffentliche Schwimmbäder statt privater Pools. Konkrete Verteilungsmechanismen tauchen dort aber auch nicht auf. Grüne und Linke schlagen zudem mehr Trinkbrunnen im öffentlichen Raum vor. Die nüchterne Gesamtbilanz: Wasserstoff für die Wirtschaft taucht in den Wahlprogrammen erheblich prominenter auf als Trinkwasser für die Bevölkerung.
Fragen von Arbeitsschutz in einer Ära der Extremwetterlagen schneidet übrigens nur die Linke an, die Klimaanpassung zudem explizit als Klassenfrage benennt – auch auf dem einzigen dem Autor bekannten Wahlplakat im öffentlichen Raum, das Bezug auf Klimaanpassung nimmt.
Insgesamt berücksichtigt diese Partei die soziale Dimension am umfassendsten, hat etwa auch als einzige Hitzeschutzmaßnahmen für Bildungseinrichtungen im Programm.
Wer wird für Finanzierung verantwortlich gemacht?
Wer zahlt nun für Klimaanpassung und Klimaschäden? Verschiedene Finanzfragen werden in einzelnen Programmen behandelt. Zunächst das heikle Thema Versicherungen.
Die Union tritt für eine Versicherungspflicht für Hausbesitzer:innen gegen Elementarschäden ein und begründet das mit Eigenverantwortung. Die Grünen wollen den Versicherungsschutz "sozialverträglich ausweiten". Eine Versicherungspflicht würde natürlich in Gefahrengebieten hohe Prämien bedeuten.
Grundsätzlich würde eine solche Regelung allerdings auch Versicherer zu entsprechenden Angeboten verpflichten. Bemerkenswert, dass diesen Regulierungsvorstoß ausgerechnet die Union vorträgt.

Schließlich wird das Geschäft in der eskalierenden Klimakrise durchaus unsicherer. In den USA ziehen sich Versicherer bereits aus Risikomärkten zurück. Auch hier liegt einige politische Sprengkraft verborgen. Dabei geht es nicht nur um Immobilien: Das BSW etwa fordert eine subventionierte "Mehrgefahrenversicherung" für Landwirt:innen.
Die Frage des Verhältnisses zwischen individueller und kollektiver Verantwortung durchzieht die ganze Klimaanpassungspolitik in den Wahlprogrammen. So rufen CDU und CSU auch beim Katastrophenschutz zu mehr individueller Verantwortung auf, und die Grünen wollen "Selbstschutzfähigkeit unterstützen". Doch meist wird die Frage in den Programmen eher implizit verhandelt, indem manche notwendigen Anpassungsleistungen als staatliche Aufgaben gesetzt werden, andere aber unerwähnt bleiben.
Die Finanzierung von Klimaanpassung wollen Grüne und Linke als Gemeinschaftsaufgabe für Bund und Länder definieren, wofür es einer Grundgesetzänderung bedürfte.
Doch insgesamt gilt: Wo es in den Programmen um die großen Staatsfinanzfragen geht, ist von Klimaanpassung nicht die Rede. So tauchen in der Begründung und Aufgabenformulierung des "Deutschlandfonds" der SPD, der den zentralen Investitionsmechanismus in ihrem Programm darstellt, Klimafolgen gar nicht auf.
Klimafinanzierung für den globalen Süden, die auch Anpassungsmaßnahmen einschließt, sehen SPD und Grüne ("fairer Beitrag") wie auch Linke vor ("massiv erhöhen"). Die SPD will dafür ausdrücklich "Superreiche" über Besteuerung in die Verantwortung nehmen.
Klimakrise wird in der Migrationspolitik ausgespart
In der mit Vorliebe von den Parteien diskutierten Migrationspolitik wird die Klimakrise indes meist ausgespart. Betroffenheit von Klimazerstörung als asylpolitisch zulässigen Fluchtgrund möchte immerhin die Linke anerkennen, die Grünen wollen dafür "perspektivisch" einen völkerrechtlichen Schutzstatus etablieren.
Dass die weltweite Zerstörung von Lebensgrundlagen durch die Klimakrise genau gegenläufig als Begründung für immer brutalere Abschottungspolitik wird herhalten müssen, ist angesichts der aktuellen Debattenlage allerdings kaum zu bezweifeln.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Anpassungspolitik ist in den meisten Wahlprogrammen durchaus präsent, bleibt aber insgesamt eher Randnotiz. Hier und da konnten, so der Eindruck, Fachpolitiker:innen einzelne Vorschläge unterbringen – doch die erwartbaren Auswirkungen auf sämtliche Infrastrukturbereiche sind genauso wenig ein Thema wie die politische und gesellschaftliche Sprengkraft umkämpfter Anpassungsentscheidungen.
Bei der Lektüre der entsprechenden Programmpassagen könnte die Leserin den Eindruck gewinnen, die Wende im Klimaschutz sei vor 20 Jahren geschafft worden und Anpassung sei nur in Form einiger handhabbarer technischer Maßnahmen nötig.
Nun überrascht diese Mischung aus Wunschdenken und Technikoptimismus nicht. Doch klar ist: Je weniger Klimaanpassung politisch und programmatisch diskutiert wird, desto mehr wird sie still in Behörden und Unternehmen geplant.
Dabei werden Verteilungsfragen, die in der Öffentlichkeit kein Gehör finden, natürlich trotzdem beantwortet, Anpassungskämpfe im Zweifelsfall einseitig geführt.
Absehbar werden so gerade die Interessen besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen relativ wenig Beachtung finden. Eine demokratischere, sozial gerechte Anpassungspolitik ist erst durch eine deutliche Aufmerksamkeitssteigerung und Politisierung denkbar.