Das jüngste Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg hat nach einer ersten Schätzung Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Allein die versicherten Schäden werden in der Größenordnung von zwei Milliarden Euro liegen, teilte der Gesamtverband der Versicherer (GDV) jetzt mit. Die Zahlen dürften sich allerdings noch erhöhen.

"Weil insbesondere an der Donau das Hochwasser noch nicht abgelaufen ist, haftet dieser Schätzung noch eine gewisse Unsicherheit an", sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Hinzu kommt, dass für die betroffenen Regionen weitere Regenfälle angekündigt sind.

 

Die Schäden der aktuellen Flut liegen damit höher als die der beiden vorangegangenen Hochwasser in diesem Jahr, die Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie das Saarland und Rheinland-Pfalz trafen. Diese beiden Ereignisse vor gut fünf Monaten beziehungsweise drei Wochen werden von den Versicherern auf jeweils rund 200 Millionen geschätzt.

Die bislang folgenschwerste Hochwasserkatastrophe war allerdings die Flut an Ahr und Erft im Juli 2021, die in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Verwüstungen anrichtete. Damals entstand ein versicherter Schaden von knapp neun Milliarden Euro. 

FDP lehnt Pflichtversicherung bisher ab

Die Gesamtschäden aller dieser Flutereignisse liegen noch deutlich höher, da in den jeweiligen Regionen bei Weitem nicht alle Schäden versichert sind. So betrugen sie bei der Juli-Flut 2021 laut Prognos-Institut rund 40,5 Milliarden Euro, während die Versicherungen nur neun Milliarden abdeckten.

Der Bund richtete damals ein Sondervermögen "Aufbauhilfe 2021" ein, für das Kredite über 30 Milliarden Euro eingeplant wurden. Die Schäden sind bis heute nicht komplett beseitigt.

Die Versicherungsbranche betont unterdessen ihre Gesprächsbereitschaft in der Debatte um eine Pflichtversicherung für elementare Naturgefahren, die es hierzulande bisher nicht gibt, anders als in Ländern wie Frankreich und der Schweiz. Asmussen sagte dazu: "Wir stehen bereit für Gespräche mit der Politik."

Dem GDV sei es jedoch wichtig, dass nicht nur über Versicherungslösungen diskutiert werde. Es müsse auch mehr getan werden, um Schäden durch Naturgefahren zu vermeiden. Dazu gehörten etwa bessere Anlagen für den Hochwasserschutz. "Nur so können wir die Spirale aus steigenden Schäden und steigenden Prämien durchbrechen", so Asmussen.

Politiker unter anderem von SPD und Grünen fordern eine Pflichtversicherung schon seit Jahren, was die FDP jedoch ablehnte. Justizminister Marco Buschmann (FDP) sagte Ende 2022: "In einer Zeit höchster finanzieller Belastungen privater Haushalte sollten wir von allem die Finger lassen, was Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer macht."

Länder-Umweltminister wollen Versicherungspflicht

Falls die Bundesländer das anders sähen, könnten sie aktiv werden, so Buschmann damals. Hier gilt die Grundgesetz-Regel: Trifft der Bund keine Regelung, können die Länder dies selbst tun.

Das soll nun offenbar geschehen. So sprachen sich die Umweltminister der Länder am Freitag voriger Woche einhellig für eine Versicherungspflicht aus. Am 14. Juni solle diese Forderung in einem Antrag im Bundesrat enthalten sein, kündigte die saarländische Umweltministerin Petra Berg (SPD) zum Abschluss der Umweltministerkonferenz (UMK) in Bad Dürkheim an.

Hessens Umweltminister Ingmar Jung (CDU) meinte, bei dem Thema müsse sich dringend etwas bewegen. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) sagte, es müssten nun Vorschläge auf den Tisch. Im Ahrtal etwa habe sich gezeigt, dass einige Menschen gar keine solche Versicherung mehr bekämen oder die Preise dafür durch die Decke gingen.

Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium Stefan Tidow erklärte, der UMK-Beschluss zur Pflichtversicherung sei von den Ländern getroffen worden, der Bund verschließe sich der Diskussion darüber aber nicht. Derzeit beschäftige sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesjustizministeriums mit dem Thema. Nötig sei nun eine Debatte über konkrete mögliche Modelle.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bereits zuvor im Bayerischen Rundfunk angekündigt, auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz solle eine verpflichtende Versicherung beschlossen werden. Freiwilligkeit sei normalerweise am besten, allerdings: "Wir können diese Schäden nicht immer jeweils staatlich einfach ersetzen."

Niederschlagsmengen "durchaus außergewöhnlich"

Unterdessen zeigt eine erste Bewertung von Meteorologie-Fachleuten, dass das das jüngste Hochwasser im Süden der Republik durch ganz ungewöhnlich lang anhaltende und weiträumige Niederschläge ausgelöst wurde. Es handle sich in der betroffenen Region von Oberschwaben bis zum Donaumoos um ein Ereignis, das statistisch seltener als einmal in hundert Jahren vorkomme, sagte Michael Kunz, Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Bei den Rekordniederschlägen waren im Süden und Westen Bayerns sowie im Osten Baden-Württembergs innerhalb von 48 Stunden Regenmengen von über 100 Litern pro Quadratmeter gefallen. Binnen 120 Stunden kamen nicht selten mehr als 200 Liter pro Quadratmeter zusammen.

Kunz erläuterte: "Wenn wir die Niederschläge lokal betrachten, konnten wir solche Ereignisse in Deutschland in den letzten 60 Jahren durchaus schon häufiger beobachten." Betrachte man aber die Niederschlagssummen über einem größeren Gebiet, etwa von rund 35.000 Quadratkilometern, was der Fläche Baden-Württembergs entspricht, dann seien die Niederschlagsmengen "durchaus außergewöhnlich" gewesen.

 

Kunz ist Sprecher des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (Cedim) an der Hochschule. Das Zentrum forscht zu Katastrophen, Risiken und Sicherheit.

Der Experte zog auch einen Vergleich zu der Megaflut Mitte 2021. Vor allem die Ausdehnung unterscheide das aktuelle Ereignis von der damaligen Hochwasserkatastrophe im Ahrtal. "Damals fiel der Regen in kürzerer Zeit und über einem deutlich kleineren Gebiet mit sehr steilen Hängen, an denen das Wasser schnell in das Tal floss. Die großräumigen Niederschlagssummen im Mai und Juni 2024 überstiegen die vom Juli 2021 dagegen deutlich."