Örtliche Kanalsysteme können die Wassermassen nach Starkregen mitunter kaum noch aufnehmen. (Bild: Susanne Schwarz)

Vollgelaufene Keller, eingestürzte Wände, kaputte Autos, Überstauungen auf den Feldern – die Schäden durch das jüngste Hochwasser in Niedersachsen und anderen Teilen Deutschlands sind längst nicht beseitigt, und die Arbeiten werden noch Monate dauern.

Seit Langem wird diskutiert, wie solche Schäden vorbeugend verringert werden können. Etwa durch höhere Deiche an Flüssen, mehr Regenrückhalteflächen, Entsiegelung von asphaltierten Flächen.

Das Umweltnetzwerk BBU hat hierzu nun vorgeschlagen, nach Schweizer Vorbild auch in deutschen Kommunen "0,5-Prozent-Initiativen" ins Leben zu rufen. Ziel ist es dabei, jährlich 0,5 Prozent des Straßenraums und der Parkplätze zu entsiegeln und mit Bäumen zu bepflanzen.

Umweltfachleute halten den Umbau der Städte zu "Schwammstädten" für notwendig, und es wird inzwischen sogar über komplette Schwammlandschaften diskutiert.

Das Ziel: Das Regenwasser soll nicht sofort in Kanäle und dann in die Vorfluter, also Bäche und Flüsse, ablaufen, sondern möglichst lange im Boden gespeichert bleiben. Die Umweltstiftung WWF hat das griffig in den Slogan gefasst, es brauche ein "Tempolimit für Regenwasser".

In der Schweiz gibt es eine Reihe Stadtklima-Initiativen, unter anderem in St. Gallen, Zürich und Basel, die das 0,5-Prozent-Ziel verfolgen – auch, um die Erwärmung in den Städten abzumildern und für bessere Luft zu sorgen.

In St. Gallen zum Beispiel war die dortige Initiative erfolgreich, in Basel allerdings wurde sie in einer Volksbefragung jüngst abgelehnt. In Zürich hat der Stadtrat einen Gegenvorschlag mit ähnlichen Zielen, aber einer langsameren Gangart vorgelegt.

Aus Hochwasser soll wieder "Breitwasser" werden

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) hat diesen Ansatz nun aufgegriffen und empfiehlt das 0,5-Prozent-Ziel auch hierzulande. "Es würde uns freuen, wenn sich auch in möglichst vielen Städten in Deutschland derartige 0,5-Prozent-Initiativen etablieren würden", schreibt BBU-Wasserexperte Nikolaus Geiler in der Publikation BBU-Wasser-Rundbrief.

Die Zeit sei günstig dafür, denn in vielen deutschen Städten stehe in den nächsten Jahren der Ausbau der Fernwärmenetze an. "Wenn deshalb die Straßenbeläge eh aufgerissen werden, können gleich im Anschluss zeit- und kostensparend in passenden Straßenzügen Bäume gepflanzt werden", so das Argument.

Das sei dann nicht nur ein Beitrag zur Realisierung des Schwammstadt-Konzepts, sondern auch "ein Beitrag zu mehr Klimaschutz, Stadtgrün, Verkehrswende, sauberer Luft, Abschattung und Kühlung sowie urbaner Artenvielfalt".

Der BBU erinnert daran, dass Maßnahmen zum vorbeugenden Hochwasserschutz bereits seit mehr als einem Vierteljahrhundert diskutiert werden. Angesichts der Flutkatastrophe von 1997 an der Oder mit 39 Todesopfern habe der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) erklärt: "Wir müssen den Flüssen ihren Raum lassen. Sie holen ihn sich sonst – mit schlimmen Folgen für die betroffenen Menschen – zurück."

Und bei jedem neuen Megahochwasser, wie 2002 an der Elbe und 2013 an der Donau, sei sich die Politik dann einig gewesen, dass dem Hochwasser-Rückhalt in der Fläche Vorrang eingeräumt werden müsse. Bis auf wenige Deichrückverlegungen und einigen beispielhaften Projekte zur Revitalisierung von Flussauen sei in den letzten Jahrzehnten aber viel zu wenig passiert.

Umweltverbände haben laut BBU schon lange vor den sich häufenden Megafluten gefordert, durch die Revitalisierung der Auen entlang der Flüsse aus Hochwasser wieder "Breitwasser" zu machen. Dies müsse auch dringend weiter verfolgt werden.

Die vorgeschlagenen 0,5-Prozent-Initiativen könnten zudem den Weg zur Schwammstadt "verbindlich, quantifizierbar und messbar machen", so der Umweltverband.