Mehr als 80 Seiten stark ist er, der Leitfaden zum Risikomanagement bei Starkregen, den das sachsen-anhaltische Umweltministerium dieser Tage vorlegte. Wegen des Klimawandels häuften sich Extremwetterlagen, Kommunen müssten sich gegen Trockenperioden und Niedrigwasser genauso wappnen wie gegen Starkregen und Hochwasser, leitet Sachsen-Anhalts Umweltminister Armin Willingmann (SPD) den Leitfaden ein.
Ein Begriff ist im Leitfaden jedoch nicht aufzufinden: Klimaanpassung. Das erstaunt, denn Starkregen, Trockenheit und Überflutungen gehören zu den Wirkungen des Klimawandels, für die das neue Bundes-Klimaanpassungsgesetz extra ein Gebot einführt, das sogenannte Berücksichtigungsgebot.
Das Gebot schreibt vor: Künftig haben Kommunen und Behörden bei allen ihren Entscheidungen den Aspekt der Klimaanpassung einzubeziehen – und, wenn nötig, entsprechend vorzusorgen.
Werden also Straßen gebaut oder Plätze betoniert, muss eine Kommune nachweisen, dass sie Hitzewellen oder Starkregen dennoch im Griff hat, beispielsweise indem sie andernorts entsiegelt oder Flächen begrünt. Und wenn sich das Gebot nicht einhalten lässt, müsste auch die Versiegelung entfallen.
Sachverständige sehen Finanzfrage ungelöst
Das Berücksichtigungsgebot wurde schon vor Jahren in Nordrhein-Westfalen erfunden und ist im dortigen Landes-Anpassungsgesetz verankert. Das gilt seit Juli 2021. Mehr als zwei Jahre später soll heute der Bundestag über das erste Klimaanpassungsgesetz auf Bundesebene abstimmen.
Das Grundanliegen des Gesetzes wird von Verbänden und Klimainitiativen begrüßt. Anpassung sei genauso wichtig wie Klimaschutz, erklärte Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag letzte Woche bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages.
Ruge wies dabei – wie fast alle Sachverständigen – auf die ungelöste Finanzfrage hin. Die Finanzierung werde im Gesetz zu sehr ausgeblendet, obwohl zu einer seriösen Anpassungsplanung auch die finanzielle Grundlage gehöre, erklärte Wolfgang Köck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in der Anhörung.
Franziska Ortgies vom zivilgesellschaftlichen Bündnis Klima-Allianz warnte ihrerseits, die künftige Finanzierung der Anpassung dürfe auch nicht auf einem "Förderprogrammdschungel" aufbauen. Beim Klimaschutz gebe es schon jetzt zu viele Förderprogramme, die zu viele Leute in der Verwaltung beschäftigten. Man solle diesen Fehler bei der Klimaanpassung nicht wiederholen, forderte Ortgies.
Schon die Konzepte kosten Milliarden
Das Bundesgesetz beziffere überhaupt nicht die Kosten zur Erfüllung des Berücksichtigungsgebots, kritisierte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) in seiner Stellungnahme. Schon die Erstellung einer Klimarisikoanalyse könnten sich finanzschwache Kommunen kaum leisten, so der VKU weiter.
Als eine Geldquelle hatte der Landkreistag den Klima- und Transformationsfonds des Bundes im Blick. Dieser solle ja einen wichtigen Beitrag für die energie- und klimapolitischen Ziele Deutschlands leisten, betonte der Verband. Der Fonds ist mit mehr als 211 Milliarden Euro für die Zeit bis 2027 gefüllt, zumindest war das bis zum gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts so.
Genaue Summen, was Klimaanpassung die Kommunen kosten wird, sind nicht bekannt, es gibt nur Schätzungen. Allein die im Bundesgesetz jetzt vorgesehene Pflicht, Klimaanpassungskonzepte zu erarbeiten, soll den Kommunen ein bis zwei Milliarden Euro Zusatzkosten auferlegen. Die Umsetzung der Konzepte bedeutet dann weitere Milliardenaufwendungen.
Viel Anpassung zu verlangen, ohne viel Geld dafür zu geben, das scheint bisher das hauptsächliche Anpassungskonzept des Bundes zu sein.
Breite Forderung nach neuer Gemeinschaftsaufgabe
In der Anhörung blieb die Finanzierung denn auch der größte Streitpunkt. Fast alle Sachverständigen machten aber auch unmissverständlich klar, was der Gesetzgeber dagegen tun sollte: Klimaanpassung müsse im Grundgesetz als eine weitere Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen verankert werden. Dann könnten Bund und Länder den Kommunen eine auskömmliche Mischfinanzierung sichern.
Die Kritik der Sachverständigen am Anpassungsgesetz ging jedoch übers Geld hinaus. So mache das Gesetz den Kommunen detaillierte Vorschriften, wie zum Beispiel Anpassungskonzepte auszusehen haben. Der Bund regiere damit de facto in die Kommunen hinein. Städte, Landkreise und Gemeinden sähen sich praktisch einer neuen Pflichtaufgabe gegenüber, ohne über die Mittel für diese Pflicht zu verfügen, so der einhellige Vorwurf.
Der Landkreistag sowie der Deutsche Städte- und Gemeindebund lehnten denn auch in ihren Stellungnahmen die im Gesetz vorgesehene generelle Verpflichtung zur Erstellung von Klimaanpassungskonzepten ab.
Ein dritter Kritikpunkt ist schließlich die späte Vorlage der Klimaanpassungs-Strategie des Bundes. Erst am 30. September 2025 soll sie vorliegen, so steht es im Anpassungsgesetz.
Während das Gesetz den rechtlichen Rahmen schafft, beschreibt die Strategie, wie und mit welchen Schwerpunkten die Anpassung vor sich gehen soll.
Strategie des Bundes erst in zwei Jahren
Ähnlich läuft es beim Klimaschutz. Da regelt das Klimaschutzgesetz die Ziele für 2030 und 2045, und das Klimaschutzprogramm schreibt vor, wie diese Ziele erreicht werden sollen, mit welchen Instrumenten. Das eine kann ohne das andere nicht funktionieren.
Entsprechend scharf kritisierte VKU-Chef Ingbert Liebing in der Anhörung den späten Termin in fast zwei Jahren für die Vorlage der Anpassungsstrategie. Im Gegenteil müsse die Strategie jetzt so schnell wie möglich folgen: Erst dann könnten Länder und Kommunen ihre eigenen Konzepte schreiben.
Der 30. September 2025, so Liebing weiter, sende ihm die Botschaft: In dieser Wahlperiode machen wir das Gesetz und die Strategie, die notwendigen Maßnahmen werden wir aber nicht mehr ergreifen.
Ob es aufgrund der massiven Kritik in der Anhörung noch letzte Änderungen am Gesetzentwurf gibt, ist nicht bekannt. Bei Lichte besehen beschließt die Ampel heute aber ein Gesetz für die nächste Bundesregierung.