Mitte September dieses Jahres kam es in weiten Teilen Mitteleuropas, zu starken Regenfällen. Das Sturmtief Boris verwüstete Städte in Polen, Tschechien, Österreich, und Italien. Wenige Wochen später wurde die spanische Großstadt Valencia von einer verheerenden Flutkatastrophe heimgesucht, von der fast zwei Millionen Menschen direkt betroffen waren, 224 starben. 

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gab nach den Überschwemmungen in Valencia zu: "Das ist die dramatische Realität des Klimawandels. Und wir müssen lernen, damit umzugehen."

Europa ist auf die Folgen einer überhitzten Atmosphäre noch nicht vorbereitet. Wie kommt das? Meteorologen warnen seit Jahren, dass extreme Wetterereignisse aufgrund des Klimawandels häufiger werden. 

Untätigkeit: Ein teurer Fehler

Die Nichtanpassung an den Klimawandel hat nicht nur Auswirkungen auf die Menschen – wie Gesundheitsprobleme und Todesfälle –, sie hat auch wirtschaftliche Folgen für die Staatshaushalte. Laut einem Bericht der EU-Kommission an das Europäische Parlament von 2018 beliefen sich "die gesamten gemeldeten wirtschaftlichen Verluste, die durch Wetter- und andere klimabedingte Extreme in Europa im Zeitraum 1980 bis 2016 verursacht wurden, auf über 436 Milliarden Euro".

Hochwasserschäden in einer Kleinstadt der spanischen Provinz Valencia, Oktober 2024. (Bild: Manuel Pérez und Estefania Monerri/​Wikimedia Commons )

Der Bericht warnt: "Allein aufgrund des Klimawandels könnte sich der jährliche Schaden für Europas kritische Infrastrukturen bis zum Ende des Jahrhunderts verzehnfachen (von derzeit 3,4 Milliarden Euro auf 34 Milliarden Euro)." Am höchsten wären die Verluste in den Sektoren Industrie, Verkehr und Energie.

Zwischen 2021 und 2023 verursachten extreme Wetter- und Klimaereignisse wirtschaftliche Verluste in Höhe von 162 Milliarden Euro, heißt es in einem Bericht der Europäischen Umweltagentur aus dem vergangenen Oktober. Zum Vergleich: Für den Zeitraum 2021 bis 2027 plant die EU, 658 Milliarden Euro für Klimaprojekte auszugeben.

In dem Bericht heißt es auch, dass extreme klimabedingte Ereignisse weltweit häufiger und schwerer werden und dass immer mehr Sektoren in Europa davon betroffen sein und große wirtschaftliche Verluste verzeichnen werden.

Vage Strategien und fehlendes Monitoring  

Die Diskussion über die notwendige Anpassung Europas an die neuen klimatischen Bedingungen begann 2005 auf Ebene der Europäischen Kommission. Das erste Dokument dazu war 2007 das Grünbuch der Kommission zur "Anpassung an den Klimawandel in Europa – Optionen für Maßnahmen in der EU". 2013 folgte die erste EU-Anpassungsstrategie.

Bei näherer Betrachtung dieses Papiers, auch in seiner neuen Fassung von 2021, wird jedoch schnell deutlich, dass es sich bei der "Strategie" um einen äußerst vagen Plan handelt. Zwar räumt die EU-Kommission in dem Papier von 2021 ein, dass "der Zugang zu praktikablen Lösungen eines der Haupthindernisse bei der Anpassung an den Klimawandel ist", konkrete Maßnahmen werden aber nicht genannt. Und auch wenn das Kommissionspapier den Kommunen nachdrücklich empfiehlt, einen Anpassungsplan zu erstellen, ist dies noch nicht EU-rechtlich vorgeschrieben. 

Franziskanerkirche und -kloster im polnischen Kłodzko während des Hochwassers im September 2024. (Bild: Jacek Halicki/​Wikimedia Commons)

In zwei separaten Berichten, die 2024 veröffentlicht wurden, warnen sowohl die Europäische Umweltagentur als auch der Europäische Rechnungshof, dass Europas Gesellschaften nicht ausreichend auf die neuen klimatischen Bedingungen vorbereitet sind und die EU Gefahr läuft, im Wettlauf um die Klimaanpassung zurückzufallen.

"Wenn die Umsetzung der EU-Maßnahmen nicht verbessert wird, besteht die Gefahr, dass die Anpassungsbemühungen der EU nicht mit dem Klimawandel Schritt halten", sagte Klaus-Heiner Lehne, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs. Vor allem die Umsetzung vor Ort bereite Schwierigkeiten.

Auf EU-Ebene gibt es aber auch Probleme bei der Überwachung der für Projekte bereitgestellten Mittel. Im Grunde genommen weiß niemand genau, welche Klimaanpassungsprojekte durchgeführt, wie viel Geld dafür ausgegeben und welche Ergebnisse erzielt wurden. Der Rechnungshof stellte fest, dass "es derzeit nicht möglich ist, die Fortschritte bei der Klimaanpassung in den Mitgliedstaaten zu bewerten, da sie weitgehend deskriptiv sind und es an quantifizierbaren Daten fehlt".

Darüber hinaus beruhen einige der nationalen Anpassungsstrategien auf veralteten Daten, und alle in den oben genannten Berichten berechneten materiellen Verluste können nur geschätzt werden, da es bisher keinen Mechanismus gibt, mit dem die EU-Länder der Kommission ihre Verluste melden können.

Unvorbereitete Städte auch in Deutschland

Im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern scheint Deutschland gut dazustehen. Die neue Klimaanpassungsstrategie, die jetzt veröffentlicht wurde, enthält endlich das Ziel, dass deutsche Kommunen einen verbindlichen Anpassungsplan erstellen sollen.

Auf Bundesebene führt Deutschland auch schon seit 2013 Klimarisikobewertungen durch und ist damit den jüngsten Änderungen der EU-Verordnung zur verpflichtenden Bewertung von Klimarisiken für alle Mitgliedsstaaten sogar einen Schritt voraus. 

Sandsäcke liegen vor der Eingangstür eines sanierungsbedürftigen Hauses.
Schutz vor einer Ostsee-Sturmflut in der Altstadt von Wismar 2017. (Bild: Heiko Küverling/​Zoonar/​Shutterstock)

Eine aktuelle Untersuchung der Rechercheteams Correctiv Lokal, BR Data, NDR Data und WDR Quarks zum Wissen und zur Vorbereitung auf den Klimawandel in deutschen Kommunen hat jedoch gezeigt: Auf lokaler Ebene ist das nicht der Fall.

Nur ein Viertel aller deutschen Kommunen hat einen Schutzplan für die Klimakrise, obwohl die Mehrheit der kommunalen Verwaltungen sich bewusst ist, dass die Klimakrise teuer und gefährlich sein wird. Noch weniger haben tatsächlich konkrete Anpassungsmaßnahmen umgesetzt. 

Die Auswirkungen des Klimawandels sind vor allem in den Städten schon sehr zu spüren. In einem Bericht der Europäischen Umweltagentur heißt es: "Dicht besiedelte städtische Gebiete sind durch Hitzewellen und extreme Niederschläge besonders gefährdet. Der städtische Wärmeinseleffekt kann die Auswirkungen von Hitzewellen, insbesondere nachts, verstärken. Der hohe Grad der Bodenversiegelung und die begrenzten Grün- und Freiflächen in der Stadt erhöhen das Risiko von Überschwemmungen, insbesondere bei sintflutartigen Regenfällen."

Es scheint, als ob auch viele deutsche Städte bisher sehenden Auges auf die Katastrophe zusteuern. Man muss sich fragen, warum.

"Klimaanpassung? Tut mir leid, keine Ahnung"

Eine Antwort könnte sein, dass Klimaanpassung im Gegensatz zu Klimaschutz kein populäres Thema ist. Seit dem Start der globalen Fridays-for-Future-Bewegung im Jahr 2019 ist das Klima – in einigen Ländern mehr, in anderen weniger – zwar auf der Agenda, wird jedoch meist mit Klimaschutzmaßnahmen in Verbindung gebracht, das heißt mit Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen.

Die Bedeutung der Klimaanpassung, also der Anpassung an das mögliche Auftreten extremer Wetterereignisse wie Starkregen, Hitzewellen und Dürren, ist hingegen weniger präsent im öffentlichen Bewusstsein.

Klimaschutz und Klimaanpassung

Klimaschutz zielt auf die Senkung der Treibhausgasemissionen.

Beispiel: Die Stadt Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, 2045 klimaneutral zu sein, und plante, Radwege und öffentliche Verkehrsmittel auszubauen

Klimaanpassung ist die Anpassung an das vermehrte Auftreten extremer Wetterereignisse wie Starkregen, Trockenperioden oder Hitzewellen.

Beispiel: Rostock, eine Großstadt an der Ostsee, wendet die Prinzipien der Schwammstadt an, wie Entsiegelung, Aufforstung und Renaturierung, um bei starken Regenfällen größere Überschwemmungen in der Stadt zu verhindern.

Man kann den Mangel an öffentlichem Bewusstsein für Klimaanpassung erfahren, indem man einfach durch seine Stadt geht und Menschen auf der Straße danach fragt. Eine Befragung in Oradea (Rumänien), Loulé (Portugal) und Rostock (Deutschland) über die Klimaanpassungsmaßnahmen ihrer Heimatstadt zeigt: Die meisten Menschen können mit dem Begriff Klimaanpassung wenig anfangen. Etwa drei von vier beantworten die Frage nach Klimaanpassungsmaßnahmen in der Stadt mit ihren Kenntnissen über Maßnahmen zum Klimaschutz. Wird das Anliegen dann genauer erläutert, kommt fast immer die gleiche Antwort: "Nein, tut mir leid, ich habe keine Ahnung." 

Selbst in Rostock, das sich gut auf den Klimawandel vorbereitet, haben die meisten noch nie von den Maßnahmen gehört, die die Stadt durchführt, und sind sich der Klimarisiken kaum bewusst. Ein Mann sagt sogar: "Zum Glück bleiben wir hier ja verschont. Wir haben es gut. Die armen Leute in Österreich und Polen."

Die Realität sieht jedoch anders aus. Rostock wurde bereits 2011 von starken Regenfällen heimgesucht und der Klimarisikobericht der Stadt zeigt, dass extreme Wetterereignisse wie Starkregen und Dürren in Zukunft immer wahrscheinlicher werden.

Gibt es gar keine positiven Aussichten?

Der aktuelle Stand der Anpassung in den europäischen Städten ist zwar enttäuschend, aber die gute Nachricht ist: Wandel ist möglich. Eine Reihe von Maßnahmen hat sich in einigen Städten als wirksam erwiesen und können in anderen Städten umgesetzt werden. 

In Rostock wendet die Stadtverwaltung beispielsweise das Prinzip der Schwammstadt an und baut unterirdische Zisternen, um Wasser während starker Regenperioden zu speichern. In der südportugiesischen Stadt Loulé integriert die Stadtverwaltung die Wiederverwendung von Wasser in die Planung und Bewirtschaftung der Wasserressourcen, um sich auf Dürreperioden vorzubereiten.

Diese Prinzipien könnten in allen Städten, die in Zukunft vermehrt von Starkregenereignissen oder Dürreperioden betroffen sein werden, ebenfalls angewendet werden.

Mögliche Maßnahmen für Kommunen zur Anpassung an den Klimawandel

Schutz vor Hitze: Begrünung von Fassaden und Dächern, Entsiegelung von Flächen, Stadtbegrünung mit Bäumen, Beschattung durch (mobile) bauliche Elemente, Schaffung von Wasserreservoirs.

Schutz vor Trockenheit: Entsiegelung von Flächen, Erneuerung bestehender Grabenentwässerungssysteme, Anpflanzung trockenheitsresistenter (Baum-)Arten, Förderung langsamer Entwässerungssysteme etwa mit Sickerschächten, Schnellabflusssysteme.

Gegen Wasserknappheit und Trinkwassermangel: Prognosemodell für die Entwicklung des Grundwassers, stärkere Regulierung der Trinkwasser- und Grundwasserentnahme, Schaffung von Wasserreservoirs.

Schutz vor Starkregenfolgen: Anwendung der Schwammstadt-Prinzipien (Entsiegelung, Renaturierung), Schaffung oder Erweiterung von Überschwemmungsgebieten, Anpassung des Hochwassermanagements an die Häufung extremer Flutereignisse.

Hochwasserschutz: Deiche, Mauern oder Hochwasserpolder (eingedeichte Rückhalteflächen an Flüssen), Anwendung der Schwammstadt-Prinzipien, Dämme und Hochwasserrückhaltebecken, angepasstes Hochwassermanagement etwa mit mobilen Flutmauern an Häusern, Schnellabflusssysteme.

Schutz vor Meeresspiegelanstieg: Deicherhöhung oder Bau von Klimadeichen, Küstenschutzmaßnahmen wie Sandauffüllungen oder Wellenbrecher, Konstruktionen wie Mauern oder Barrieren, Schaffung von Salzwiesen etwa durch Sommerdeiche.

Zusammenstellung auf Grundlage einer Correctiv-Lokal-Recherche

Ob Maßnahmen umgesetzt werden, liegt in den Händen der lokalen Regierungen und Verwaltungen. Ine Vandecasteele, Expertin für städtische Anpassung bei der Europäischen Umweltagentur, formuliert es so: "Die Städte spielen eine entscheidende Rolle, nicht nur beim Schutz ihrer eigenen Bürger, sondern auch bei der Gewährleistung einer allgemeinen, langfristigen Klimaresistenz und ökologischen Nachhaltigkeit."

Was den Kommunen dabei helfen würde, Anpassungsmaßnahmen umzusetzen und ihre Bürger zu schützen, ist jedoch eine andere Frage. 

 

Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag ist Teil einer Kooperation zwischen den Autorinnen sowie Correctiv, NDR, BR und WDR. Das Netzwerk Correctiv Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, unter anderem mit einem langfristigen Fokus auf die Klimakrise. Der Beitrag wurde durch das Förderprogramm für grenzüberschreitenden Lokaljournalismus von Journalismfund Europe finanziert.