Deutschland und andere Staaten in Mittel- und Osteuropa haben in den letzten zwölf Monaten eine Serie von Mega-Überflutungen erlebt. Hierzulande gab es zum Jahreswechsel großräumige Überschwemmungen in Norddeutschland, dann im Mai im Saarland und im Juni in Süddeutschland.

Im September waren Elbe und Oder durch die Flut-Großkatastrophe in Polen, Tschechien und Österreich betroffen. Das macht, nach den extremen Trockenjahren 2018 bis 2020 und 2022 deutlich: Die Anpassung an den Klimawandel ist vordringlich, zumal dieser sich in den nächsten Jahren verstärken wird.

Ein neuer Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes zeigt nun jedoch: Die EU-Länder geben zwar schon viel Geld dafür aus, es müsste aber noch mehr sein – und vor allem effektiver eingesetzt werden.

Wirtschaftliche Verluste werden steigen

Extreme Klimaereignisse seien in Europa häufiger und intensiver geworden, sagte Klaus-Heiner Lehne, das für die Prüfung zuständige Rechnungshof-Mitglied, bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch. Es bleibe entscheidend, den Treibhausgas-Ausstoß zu reduzieren, um den Klimawandel so weit wie möglich zu begrenzen.

Diese Maßnahmen könnten aber nicht die Auswirkungen des Klimawandels aufhalten, die bereits stattfinden. "Deshalb ist die Anpassung unserer Wirtschaften und Gemeinschaften an diese neuen Bedingungen so wichtig", sagte Lehne.

Flaggen am Europäischen Rechnungshof in Luxemburg. (Bild: VT98fan/​Wikimedia Commons)

In den letzten zehn Jahren seien in der Europäischen Union durch Klimakatastrophen wirtschaftliche Verluste von durchschnittlich 26 Milliarden Euro pro Jahr entstanden.

Lehne rechnet damit, dass diese Verluste noch weiter zunehmen werden, wenn die globale Erwärmung auf 1,5 bis drei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau steigen sollte. Nach seiner Schätzung könnten dadurch in der EU wirtschaftliche Einbußen von 42 bis 175 Milliarden Euro pro Jahr entstehen.

Der Sonderbericht hält fest, dass die EU schon solide Rahmenbedingungen für die Anpassung an den Klimawandel geschaffen hat. Was bisher noch zu wenig vorankommt, sind konkrete Maßnahmen vor Ort.

Zu den soliden Rahmenbedingungen zählt, dass es eine europäische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel gibt. Sie gibt das Ziel vor, dass die EU bis 2050 klimaresilient – also widerstands- und anpassungsfähig gegenüber Klimaveränderungen – werden soll. Dieses Ziel ist auch im EU‑Klimaschutzgesetz verankert. Wie sie die Strategie konkret umsetzen, entscheiden die EU-Staaten selbst.

Schwierige Zuordnung von Mitteln für Klimaanpassung

In Deutschland ist am 1. Juli dieses Jahres das bundesweite Klimaanpassungsgesetz in Kraft getreten, das erstmals einen verbindlichen Rechtsrahmen für die Klimaanpassung von Bund, Ländern und Kommunen gibt. Die Länder werden darin beauftragt, Anpassungskonzepte für Kommunen und Landkreise mit Maßnahmenplänen erstellen zu lassen.

Für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen in den EU-Staaten sind umfangreiche Gelder verfügbar. Sie stehen allerdings nicht direkt in Förderprogrammen für diesen Zweck bereit. Vielmehr stecken sie in anderen EU-Programmen, die hauptsächlich auf traditionelle Ziele wie Landwirtschaft, Regionalentwicklung, Kohäsion und Forschung ausgerichtet sind. Die Klimaanpassung soll in diesen Programmen als übergreifende Querschnittsaufgabe berücksichtigt werden.

 

Als zusätzliches Finanzierungsinstrument gibt es seit drei Jahren die Aufbau- und Resilienzfazilität der Europäischen Union, die den Mitgliedsstaaten dabei helfen soll, die Folgen der Corona-Krise zu überwinden. Auch hier sollen Gelder in die Klimaanpassung fließen.

Insgesamt war es für die Prüferinnen und Prüfer nicht einfach, den Umfang der EU-Mittel einzuschätzen, die der Klimaanpassung zugeordnet werden können. Sie nehmen an, dass es in den Jahren von 2014 bis 2020 mindestens acht Milliarden Euro waren. Für 2021 bis 2027 rechnen sie mit mindestens 26 Milliarden Euro.

Anpassungskosten wurden stark unterschätzt

Für ihren Sonderbericht haben die Rechnungsprüfer die nationalen Anpassungsmaßnahmen in Frankreich, Österreich, Polen und Estland näher betrachtet. Dabei stellten sie fest, dass diese Maßnahmen weitgehend mit der EU-Strategie übereinstimmten. In Frankreich und Österreich gibt es auch ein Klimaschutzgesetz, das in Polen und Estland noch fehlt.

Die Prüfer bemerkten aber auch, dass einige nationale Strategiedokumente veraltete wissenschaftliche Daten verwendeten. Außerdem wurden die Kosten von Anpassungsmaßnahmen unterschätzt oder gar nicht erst bewertet.

So hatte Estland seine Klima-Anpassungskosten für den Zeitraum von 2017 bis 2030 ursprünglich auf 44 Millionen Euro geschätzt. Inzwischen gibt es dort neue, noch inoffizielle Berechnungen, die auf mehr als das Zehnfache hinauslaufen.

Österreich schätzt in seinem Anpassungsplan aus diesem Jahr, dass jährlich 488 Millionen Euro für Anpassungsmaßnahmen ausgegeben werden müssen. Als Grundlage für diese Schätzung dienten allerdings zehn Jahre alte Daten.

Der Rechnungshof sieht diese Praxis mit Skepsis. Er weist darauf hin, dass der Klimawandel ein dynamischer Prozess ist. Deshalb ändert sich auch der Anpassungsbedarf mit seinen Kosten stetig, sodass eine fortlaufende Bewertung notwendig ist. Wenn sie fehlt, steigt das Risiko, dass der Investitionsbedarf zu niedrig bemessen wird.

Anpassungsstrategien in Kommunen unbekannt

Die europäischen und nationalen Anpassungsstrategien müssen auch auf der lokalen Ebene umgesetzt werden. Dazu befragten die Prüfer 400 Gemeinden und stellten fest, dass die meisten von ihnen die Anpassungsstrategien und -pläne nicht kannten. Auch die EU-Instrumente zur Klimaanpassung wie Climate-Adapt, Copernicus oder Konvent der Bürgermeister nutzten sie nicht.

In einer Stichprobe untersuchte der Hof außerdem 36 Projekte, die von den vier Mitgliedsstaaten als Projekte zur Anpassung an den Klimawandel eingestuft wurden. Es ging dabei um den Stopp von Küstenerosion wegen des steigenden Meeresspiegels, um Überflutungsflächen an Flüssen, bessere landwirtschaftliche Praktiken oder Wald-Renaturierung.

Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass gut die Hälfte der Projekte den Klimarisiken wirksam begegnete. Als Beispiel wird ein größeres Kohäsionsprojekt in Polen genannt, bei dem Wasserrückhaltebecken in Bergwäldern gebaut wurden. Sie sammeln und speichern Regenwasser, um das Risiko von Dürren zu senken und die Ökosysteme der Wälder zu stärken.

In Estland gab es ein größeres Projekt, mit dem ein großes entwässertes Torfgebiet wiederhergestellt wurde. Zuvor war es landwirtschaftlich genutzt worden und hatte Treibhausgase ausgestoßen. Nach der Renaturierung soll es wieder als CO2-Senke und Wasserspeicher dienen sowie die biologische Vielfalt fördern.

Hochwasserschutz und -risiko

Eine knappe Hälfte der Projekte wirkte sich jedoch nach Einschätzung des Rechnungshofs nur wenig oder gar nicht auf die Anpassungsfähigkeit aus. Zwei Projekte führten sogar zu einer höheren Klima-Anfälligkeit.

Fördermittel aus dem ELER-Fonds zur Entwicklung des ländlichen Raums flossen zum Beispiel in ein Projekt in Österreich, das eine Gemeinde vor Hochwasser schützen soll. Dazu wurden ein Rückhaltebecken und ein Entwässerungsgraben gebaut.

Der Hof stellte zwar fest, dass die Gemeinde damit wirksam vor Hochwasser geschützt wird. Kritisch sieht er aber, dass die Behörden in diesem Hochwasser-Risikogebiet gleichzeitig den Bau neuer Häuser genehmigt hatten.

Als nicht zukunftsweisend wird auch eine Tourismus-Maßnahme gesehen, bei der in einem Skigebiet in energiesparende Schneekanonen investiert wurde, statt den Schwerpunkt auf Ganzjahrestourismus zu legen. Zu kurzfristig gedacht sei auch die Wiederauffüllung von Stränden mit Sand, was dann immer wiederholt werden müsse.

Auch ein kleineres landwirtschaftliches Bewässerungsprojekt in Frankreich sieht der Hof kritisch. Hier wurde über das ELER-Programm der Bau eines Wasserspeichers gefördert, um den Anbau von Kiwipflanzen zu ermöglichen. Sie brauchen viel Wasser.

Nach Einschätzung der Prüfer sind solche Projekte nicht geeignet für die neuen Klimabedingungen. Sie empfehlen stattdessen einen Umstieg auf weniger wasserintensive Bewirtschaftungsmethoden.

 

Schließlich gab der Rechnungshof auch der Europäischen Kommission mehrere Empfehlungen für eine wirksamere Klimaanpassungspolitik. So soll sie von den Mitgliedsstaaten verlangen, besser und systematischer über die nationale Anpassung zu berichten.

Vorhandene Instrumente wie Climate-Adapt und EU-Konvent der Bürgermeister sollen besser in nationale und regionale Plattformen für die Klimaanpassung eingebunden und gefördert werden. Die EU-Kommission hat diese Empfehlungen inzwischen weitgehend angenommen.