Für Millionen Menschen sind die Schäden, die der Sturm Boris in den letzten Tagen in Mitteleuropa verursachte, mit den katastrophalen Überschwemmungen von 1997 und 2013 vergleichbar – wenn die aktuellen nicht sogar größer sind.

Diese Einschätzung untermauert auch eine jetzt veröffentlichte Analyse des europäischen Forschungskonsortiums Climameter. Ausschlaggebend für die extremen Niederschläge war danach der Kontrast zwischen der kalten Luft und der überdurchschnittlich warmen Meeresoberfläche des Mittelmeers und des Schwarzen Meeres. Bei der Regenmenge wie auch beim Luftdruck habe der Sturm Muster gezeigt, die hauptsächlich auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen seien.

 

Die Forscher weisen zugleich auf entsprechende Prognosen des jüngsten Sachstandsberichts des Weltklimarates von 2021 hin. Dieser habe vorausgesagt, dass die Variabilität und die Extreme des Wasserkreislaufs in den meisten tropischen und außertropischen Regionen überdurchschnittlich zunehmen werden.

Konkret spricht der Bericht sogar von einem zunehmenden Trend bei Überschwemmungen in West- und Mitteleuropa. Dieser Trend wird sich laut Sachstandsbericht bei einer globalen Erwärmung von mehr als 1,5 Grad fortsetzen. Die extreme Intensität der Niederschläge überlaste dabei die Flusseinzugsgebiete und erhöhe letztlich das Risiko von Hochwasser.

Debatte um Resilienz der Trinkwasserversorgung

Bei extremen Überflutungen kann dabei, so paradox es klingt, das Wasser knapp werden – wenn Trinkwasserbrunnen überflutet werden oder der Dreck der Städte in den Fluss gespült und das Grundwasser verunreinigt wird.

Wenn es wie derzeit in den überfluteten Gebieten Mittel- und Osteuropas um Leib und Leben geht, zählen ausgefallene Trinkwassersysteme zwar noch nicht zu den dringlichsten Problemen. Das ändert aber nichts daran, dass durch Starkregen in diesem Jahr schon in mehreren Orten Sachsens, Bayerns und Baden-Württembergs die Trinkwasserversorgung ausfiel oder abgestellt werden musste.

Sehr niedriger Wasserstand in der Sösetalsperre bei Osterode in Niedersachsen.
Talsperre im Harz bei Dürre: Bei Trockenheit leert sich der Wasserspeicher. (Bild: Michael Mueller/​Flickr)

Wie resilient, also widerstandsfähig, die Wasserversorgung Deutschlands in der Klimakrise ist und noch werden muss, diskutiert auch der heute beginnende Jahreskongress des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) in Berlin. Der Verband vertritt nach eigenen Angaben rund 1.800 Wasserversorger, die drei Viertel des hierzulande genutzten Trinkwassers bereitstellen.

Die größte Herausforderung beim Trinkwasser sei tatsächlich der fortschreitende Klimawandel, stellte DVGW-Vorstand Wolf Merkel am Montag in Berlin anlässlich des Kongresses fest. Die Wasserversorgung müsse sich auf zunehmende Hitzephasen und andere Extremwetterlagen einstellen. So sei in diesem Jahr zwar der August von hohen Temperaturen dominiert worden, sagte Merkel, in vielen anderen Monaten seien aber örtlich extreme Niederschläge prägend gewesen.

Trotz beschleunigten Klimawandels hält der Spitzenverein die Wasserversorgung in Deutschland langfristig für gesichert, in der Hauptsache wegen des sinkenden Bedarfs. Dieser wird nach DVGW-Angaben selbst bei relativ starker Erderwärmung deutlich sinken – von jährlich 20,6 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2019 auf 14,8 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2100.

Kohleausstieg bringt Entspannung beim Wasserbedarf

Der Wasserverbrauch von Haushalten und Kleingewerbe soll dabei leicht zulegen, der Verbrauch der Landwirtschaft wegen der zunehmenden Bewässerung deutlich stärker. Für Industrie und Energie erwartet der Verband dagegen einen deutlich sinkenden Wasserbedarf. In der Energiebranche soll er sogar von rund neun Milliarden Kubikmetern im Jahr 2019 auf unter vier Milliarden an der Wende zum nächsten Jahrhundert fallen.

Tabelle: Der Wasserbedarf für die Energieerzeugung sinkt, in den Haushalten und der Landwirtschaft steigt er.
Abschätzung der Gesamtentwicklung des Wasserbedarfs für Deutschland bis zum Ende des Jahrhunderts. Angaben in Milliarden Kubikmeter pro Jahr. (Bild: DVGW)

Das liegt vor allem am Ausstieg aus der Kohleverstromung. "Wesentliche Ursache ist der Rückgang des Kühlwasserbedarfs thermischer Kraftwerke", formuliert es DVGW-Vorstand Merkel.

Daran ändert laut der Verbandsprognose auch der steigende Wasserbedarf zur Herstellung von grünem Wasserstoff nichts. Die dazu nötige Wassermenge werde in etwa dem Verbrauch einer mittelgroßen Stadt entsprechen, heißt es beim DVGW.

Der Verband nimmt ohnehin an, dass die Hälfte des künftig hierzulande benötigten Wasserstoffs importiert wird – insofern würde Deutschland auch hier rechnerisch zu einem Wasserimport-Land.

Die sich abzeichnende Entspannung beim Trinkwasser schließt zugleich große regionale Unterschiede in Deutschland nicht aus. Wo in Ballungsräumen die Bevölkerungszahl wächst oder sich Industrie und Gewerbe neu ansiedeln, könne der Wasserbedarf deutlich zunehmen, betont Wolf Merkel.

Hitze und Extremniederschläge sind für Merkel zwei Seiten derselben Medaille. "Wir sehen seit Langem, wie die Extreme zunehmen." Man müsse sich auf mehr Trockenperioden, aber auch auf starken Regen einstellen, erläutert er. Bei Extremereignissen stoße Deutschland mit der vorhandenen Technik und den bestehenden Vorkehrungen zwar häufig an Grenzen, aber solange die Probleme regional begrenzt bleiben, seien sie zu bewältigen, ist sich der DVGW-Vorstand sicher.

 

Auch für Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) werden Starkregen und Hochwasser wegen der Klimakrise häufiger, wie sie am Montag erklärte. "Wir müssen unseren Flüssen mehr Platz geben", betonte Lemke. "Intakte Auen und Deichrückverlegungen helfen, uns vor den Folgen von Hochwassern zu schützen."

Dem diene auch die in Arbeit befindliche Novelle des Hochwasserschutzgesetzes, etwa mit Regelungen, die Hochwasserschutzmaßnahmen beschleunigen, heißt es dazu aus dem Umweltministerium. Konkrete Vorschläge dafür würden derzeit geprüft. Ziel sei, das Gesetz noch dieses Jahr im Kabinett zu verabschieden.