Türkisfarbener Flüssigerdgas-Tanker mit weißen Tanks und der großen Aufschrift: Karmol LNGT Powership Africa.
LNG-Tanker vor Dakar: Senegal importiert Flüssigerdgas, möchte aber mit deutscher Hilfe bald seine eigenen Gasfelder erschließen und zum Exporteur werden. (Foto: Sergej Besgodow/​Shutterstock)

Klimareporter°: Frau Badum, seit Donnerstagmorgen liegt endlich der Entwurf für eine Abschlusserklärung des Klimagipfels vor. Ihre Prognose: Wird die COP 27 in Sharm el-Sheikh noch als Erfolg oder als Flop in die Geschichte eingehen?

Lisa Badum: Ich hoffe schon, dass der Gipfel den weltweiten Klimaverhandlungsprozess fortsetzt und nicht hinter den Stand von Glasgow zurückfällt. Dort war vor einem Jahr in der Abschlusserklärung das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad stark betont worden. Das sollte auch in der Erklärung von Sharm el-Sheikh enthalten sein.

Meine Hoffnung ist außerdem, dass wir für den Glasgower Beschluss zum Ausstieg aus den fossilen Energien auch bei der COP 27 ein klares Signal der Bestätigung bekommen.

Das ist ja eine Hauptbefürchtung der Klimaschützer: dass der Fossil-Ausstieg zurückgenommen oder abgeschwächt wird und der internationale Klima-Prozess hinter Glasgow zurückfällt. Das wird mit Sicherheit nicht geschehen?

Sicher ist im Moment noch gar nichts. Ich weiß, dass sich die EU und Deutschland stark dafür einsetzen werden, dass der Ausstieg aus den fossilen Energien in der Abschlusserklärung bekräftigt wird.

Grundsätzlich bin ich aber schon jetzt sehr zufrieden damit, wie sich die deutsche Delegation hier als "Team Deutschland" aus verschiedenen Ministerien dafür eingesetzt hat, den weltweiten Klimaprozess voranzubringen.

Am meisten hat sich Deutschland in Sharm el-Sheikh durch die Initiative für einen "Global Shield", einen Schutzschirm gegen Klimaschäden, ins Gespräch gebracht. Zugleich wissen alle, dass Deutschland – Stand heute – seine eigenen Klimaziele für 2030 verfehlen wird. Hat das in Ihren Gesprächen eine Rolle gespielt?

Es war schon wichtig, gegenüber unseren Gesprächspartnern zu betonen, dass Deutschland das Beschleunigungspaket für die erneuerbaren Energien auf den Weg gebracht und den Kohleausstieg vorgezogen hat. Das hatten vielleicht nicht alle hier auf der Klimakonferenz auf dem Schirm.

Zufrieden mit der deutschen Rolle bin ich auch, weil wir uns klar zu "Loss and Damage" bekannt haben, zum finanziellen Ausgleich der Verluste und Schäden infolge der Klimakrise. Besonders die Bundesaußenministerin hat das forciert.

Das ist ein deutlicher Unterschied zur Vorgängerregierung. Die sagte immer: Solange nicht die ganze EU und die USA und vielleicht noch weitere Länder "Loss and Damage" unterstützen, wird sich Deutschland nicht nach vorn wagen. Jetzt haben wir uns aus dem Fenster gehängt.

Wichtig ist auch, dass wir über den Global Shield jetzt kurzfristig Gelder mobilisieren. Denn die Fazilität zur Finanzierung von "Loss and Damage" wird nicht bei dieser COP vollständig eingerichtet werden können. Wir setzen uns aber dafür ein, dass es so schnell wie möglich passiert.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze zeigt sich aber zurückhaltend dabei, den Global Shield als Teil einer künftigen Lösung für "Loss and Damage" zu sehen.

Klar, der Schutzschirm ist nur eine Zwischenlösung, um kurzfristig einige Millionen in den Korb legen zu können, er ist kein Ersatz für "Loss and Damage". Die Fazilität muss erst noch ordentlich verhandelt werden, und nur das wird eine echte Verantwortlichkeit der Industrieländer bringen.

Als zweiter großer Verhandlungs-Brocken neben "Loss and Damage" gilt das Klimaschutz-Arbeitsprogramm. Dabei sollen die Staaten ihre Klimaziele deutlich verschärfen, damit die Welt auf den Pfad des Pariser Klimaabkommens kommt. Werden sich die Länder darauf einlassen?

Porträtaufnahme von Lisa Badum.
Foto: P. Haas, S. Hilgers

Lisa Badum

Die studierte Politik­wissen­schaftlerin und langjährige Bürger­energie­politikerin ist seit 2017 Bundes­tags­abgeordnete der Grünen und Obfrau im Klima- und Energie­ausschuss. Den Klimagipfel COP 27 besuchte sie als Vor­sitzende des Bundes­tags-Unter­ausschusses für inter­nationale Klima- und Energie­politik.

Die politischen Verhandlungen darüber haben ja erst am Donnerstag so richtig begonnen. Ich weiß, dass unsere Verhandlungsführerin Annalena Baerbock sich für ein bis 2030 reichendes Arbeitsprogramm starkmacht.

Klar ist aber auch, dass wir in Deutschland selbst unser Klimaziel hinbekommen müssen. Da schauen wir besonders auf das Bundesverkehrsministerium, aus dem keine Vertreter:in zur COP 27 angereist ist. Für das Haus Wissing wäre es sicher spannend gewesen, sich auf dem Klimagipfel einmal umzusehen.

Dass die Bundesregierung vor dem Gipfel noch Eckpunkte für das Klimaschutzsofortprogramm vorgelegt hat, war mir als Abgeordnete extrem wichtig.

Überraschend war aber eher der Beschluss der Regierungsfraktionen, dass Deutschland seine Mitgliedschaft im Energiecharta-Vertrag kündigen will.

Der Beschluss der Fraktionen ist nahezu revolutionär. Die Wirkung des Ausstiegs können wir jetzt noch gar nicht ermessen. Wegen der Energiecharta musste Deutschland beispielsweise beim Kohleausstieg mit den betroffenen Energiekonzernen ja die Milliarden-Entschädigungen aushandeln.

Bisher stand politisch auch nie zur Debatte, dass Deutschland aus dem Vertrag aussteigt. Ich selbst habe lange nicht geglaubt, dass sich die Koalitionspartner da bewegen würden.

Es gibt Meldungen, die sich auf FDP-Kreise berufen, wonach die Grünen für die Kündigung der Energiecharta ihren Widerstand gegen das Ceta-Handelsgesetz mit Kanada aufgeben mussten. Ist das so?

Das kann ich nicht bestätigen.

Sie fordern, dass Deutschland seine Beteiligung am Erdgasprojekt vor der Küste Senegals aufgeben soll. Die Kritik an diesem Projekt hat der Bundeskanzler auch hier bei seinem Gipfelbesuch in Sharm el-Sheikh ausgesessen. Sehen Sie eine reale Chance, dort noch etwas zu erreichen?

Das Projekt müssen wir in der Koalition diskutieren. Deutschland hat verschiedene internationale Erklärungen, darunter im Rahmen der G7, unterschrieben, die einer Umsetzung des Gasprojekts entgegenstehen. Stattdessen wünsche ich mir Eneuerbare-Energien-Partnerschaften mit afrikanischen Ländern wie Kenia, die die Erneuerbaren entwickeln wollen.

Laut den Klimaprognosen dürfen weltweit keine neuen fossilen Lagerstätten mehr erschlossen werden, wenn wir das 1,5-Grad-Limit einhalten wollen. Deswegen werden wir mindestens im Parlament mit den anderen Koalitionsfraktionen die Debatte über das Senegal-Projekt weiterführen.

Auf dem Gipfel in Sharm el-Sheikh war wie auf keinem anderen zuvor spürbar, wie stark Klimaschutz und Menschenrechte zusammenhängen, auch wegen der Repression der ägyptischen Regierung gegen Klimaaktivisten. Welche Rolle spielte das bei Ihren Treffen?

Alle Gespräche, die ich geführt habe, hatten den Tenor, die ägyptische Regierung habe hier ein vernichtendes Bild von sich gezeigt. Menschen wurden ausgespäht. Häufig hörten wir auch, dass Treffen mit ägyptischen Aktivist:innen belauscht wurden.

Während der Konferenz gab es auch keinerlei Signale der ägyptischen Regierung, Menschen aus den Gefängnissen zu entlassen oder in einen Dialog über Menschenrechte zu treten. Das war sehr enttäuschend. Die ägyptische Regierung hätte eine Chance gehabt, sich anders und offener zu präsentieren. Das ist nach allem, was mir bekannt ist, nicht passiert.

Müssen daraus nicht Schlussfolgerungen für die nächsten Klimakonferenzen gezogen werden?

Auf jeden Fall. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass Menschen, die vom UN-Klimasekretariat akkreditiert sind, ausgespäht werden oder ihnen der Zugang verwehrt wird. Von solchen Fällen haben wir gehört.

COP 27 in Sharm el‑Sheikh

Bei der 27. UN-Klimakonferenz in Sharm el‑Sheikh geht es um die Zukunft des globalen Klimaschutzes. Ein Team von Klimareporter° ist vor Ort in Ägypten und berichtet mehrmals täglich.

Die Regierungen müssen sich künftig auch mehr darum kümmern, wie die Teilnehmenden untergebracht werden, zu welchen Bedingungen und Preisen – wobei es hier für das Engagement der Bundesregierung sehr viel positives Feedback gab. Wir brauchen da aber auch die Unterstützung von weiteren Seiten.

Damit sollten die UN und die Regierungen auch nicht warten. Der Gastgeber der COP 28 in einem Jahr, die Vereinigten Arabischen Emirate, schneidet in den entsprechenden Rankings zwar besser ab als Ägypten, ist aber auch keine lupenreine Demokratie.

Das Klimasekretariat sollte auch schon im Jahr der Vorbereitung des Gipfels immer wieder darauf drängen, dass Demonstrationsfreiheit gewährleistet wird. Dafür sollte sich auch die Bundesregierung einsetzen – gerade über Kanäle wie die Energiepartnerschaft, die Deutschland mit den Emiraten hat.

Die ägyptischen Klimagruppen fordern, dass die Welt nach Ende der COP weiter auf ihr Land blickt, auch um einen Rachefeldzug des Regimes zu verhindern. Wie sehen Sie das?

Soweit ich weiß, will Staatssekretärin Jennifer Morgan nach der COP noch einmal nach Ägypten reisen, voraussichtlich im Dezember, um sich mit dem aktuellen Stand vertraut zu machen. Abgeordnete des Europaparlaments und von Parlamenten mehrerer Länder werden sich aktuell mit einer entsprechenden Erklärung an die ägyptische Regierung wenden.

Ich selbst habe mir auch nicht ausmalen können, wie schlimm das Regime derzeit agiert. Ein Menschenrechtsanwalt, mit dem ich mich getroffen habe, sagte mir, das Regime von Mubarak sei noch liberal gewesen im Vergleich zum jetzigen.

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